Kronberg (hmz) – Hans Robert Philippi forscht schon seit längerer Zeit über die Geschichte der Kronberger Gasthäuser und in loser Folge teilt er seine Ergebnisse einem sehr interessierten Publikum mit. So auch diesmal im Museum Kronberger Malerkolonie, als er sich des Themas „Die Maler und ihre Gasthäuser“ annahm. Nicht ohne Grund, denn in der aktuellen Ausstellung zum 200. Geburtstag von Anton Burger sowie zum 180. Geburtstag Hugo Kauffmanns sind muntere Zecher und launig-rustikale Wirtshausszenen künstlerisch umgesetzt. Noch bis 26. März sind die Bilder von „Anton Burger und Hugo Kaufmann – Von Kronberg an den Chiemsee“ zu sehen.
Bei seinen jahrelangen Recherchen stützt sich Philippi unter anderem auf Berichte und Erinnerungen von Zeitgenossen: Dr. Julius Neubronner, Anna Spier und Johann Friedrich Hoff (1832 bis 1913). Er war Maler, Zeichner und Lehrer, und mit den vier Bänden seiner Lebenserinnerungen wurde er zum Chronisten der Frankfurter Künstlergesellschaft und Kronberger Malerkolonie. Anna Spier (1852 bis 1933) war eine jüdische, freidenkende Schriftstellerin und Kunstkritikerin. Sie hat sich sehr aktiv für die Frankfurter Künstler ihrer Zeit eingesetzt, so für den damals noch verkannten Hans Thoma, für Otto Scholderer und Anton Burger. Sie hat in ihrem großen Burger-Essay von 1894 auch Jakob Fürchtegott Dielmann und die Freundschaft zwischen ihm und Burger charakterisiert. Dr. Julius Neubronner (1852 bis 1932), Apotheker, Erfinder, Firmengründer und Pionier der Amateurfotografie, war eng mit Burger befreundet und berichtet über dessen „Herzensgüte und Uneigennützigkeit“, auch bei seinen Bildern. „Er hätte sie am liebsten an alle verschenkt, denen sie Freude bereiteten.“
Bilder erzählen Geschichten
Hans Robert Philippi spürte akribisch vielen Familiengeschichten und zahlreichen Fakten und Fragen nach, und es zeigte sich wieder einmal, wie kenntnisreich er ist. Unterstützt durch entsprechende Projektionen ausgewählter Gemälde erzählte Philippi deren eigene Geschichte und die ihrer Künstler. Jedes von ihnen berichtete vom Zeitgeist und von den Umständen, unter denen sie entstanden sind. Mit leichter Hand und fundiertem Wissen brachte Philippi damit den Mythos Künstlerkolonien noch ein Stück näher. Mit dem Fokus natürlich auf der Kronberger Malerkolonie und deren bedeutendstem Vertreter: Anton Burger. Seine Persönlichkeit nahm unter den Künstlern einen Sonderstatus ein. Auch im Vortrag von Philippi, der zugleich die Bedeutung des Gasthauses „Zum Adler“ einflocht. Ab wann das „Gasthaus zum schwarzen Adler“ in „Zum Adler“ umbenannt wurde, kann auch er nur vermuten und ordnet die Namensänderung in das Jahr 1920 ein, als es von Grund auf saniert wurde. Hier war der Treffpunkt der Malerinnen und Maler der Kunstszene in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich aus dem akademischen Korsett befreien und ganz nach dem Vorbild der Schule von Barbizon kreativ arbeiten wollten.
Raufereien willkommen
Anton Burger, der Maler des alten Frankfurt und Gründer der Kronberger Malerkolonie, soll zwar von relativ kleiner, aber sehr kräftiger Statur gewesen sein. Als junger Mann sei er aber einer der besten Turner gewesen, wirkte im Jahr 1862 in Kronberg kurz nach der Gründung des Vorläufers des Männer Turnvereins (MTV) als erster Turnwart mit und leitete die Übungsstunden. Dr. Julius Neubronner, späterer Jagdbruder und Freund Burgers, schildert in seinen Erinnerungen „Ein halbes Jahrhundert Cronberger Malerkolonie“ einige Begebenheiten zu Anton Burger, die Philippi kurzweilig vortrug. „Prügeleien, freilich unter jüngeren Männern, waren Burger in jüngeren Jahren übrigens gar nicht unsympathisch. Er hat öfter davon erzählt, wie er in seiner Zeit im ‚Adler‘ die jungen Leute zu Raufereien animiert hatte und er selbst auch gern aktiv beteiligt war.“ Es sei eine Zeit gewesen – es handelt sich um die vierziger Jahre – in der es „vollblütige Kronberger“ ohnehin gewohnt gewesen seien, im Frühjahr nach Wiesbaden zu reisen, um sich dort einem Aderlass zu unterziehen, „so war das Übel nicht groß.“ Die Mutter eines stark blutenden jungen Mannes, dem Burger nach einer Schlägerei im ‚Adler‘ behilflich sein wollte, die Blutung zu stillen, bat ihn: „Lassen Sie ihn einmal ordentlich ausbluten, das spart ihm die Reise nach Wiesbaden.“ Burgers Stärke forderte aber auch seine unterlegenen Gegner heraus. „Also verabredete man sich und zog gemeinsam Richtung Adler und forderte ihn heraus. Doch Burger, der bereits zu Bett gegangen war, nicht faul, schlüpfte in seinen Mantel, schnappte sich einen Bengel, öffnete die Tür zum Gasthaus und verdeutlichte den Kaffern, wie er die Kronberger, nicht bösartig, eher liebevoll zu bezeichnen pflegte, wer hier der Stärkere ist.“ Trotz oder vielleicht auch wegen solcher Handlungsweisen und seines jovialen Umgangs mit den Menschen in der Stadt sei er als Person bei den Bauern und Handwerkern anerkannt, wenn auch nicht unbedingt als Künstler, so Philippi weiter.
Burger widmete sich seiner Weiterbildung und ging auf Reisen. Nach Stationen an der Düsseldorfer Akademie und der Rückkehr nach Frankfurt zog es ihn dann doch endgültig nach Kronberg. Gemeldet war er zunächst mit seiner ersten Wohnanschrift in Kronberg. Inzwischen hatte es Wirt Renker in die Oberstadt gezogen, wo er das zu jener Zeit bereits rund 170 Jahre bestehende Gasthaus „Zum Adler“ übernahm. Unter ihm entwickelte sich ein besonderes Verhältnis zwischen Wirt und Malern. Sie hinterließen später in ihrem „Malkasten“ zahlreiche buchstäbliche „Wandbilder“, die später von Julius Hembus zunächst mühsam aus der Wand gelöst und schließlich aufwendig restauriert werden mussten. Wenn einer im Jahr 1846 entstandenen Karikatur Burgers Glauben geschenkt werden darf, spielte sich im „Adler“ folgende Szene ab: „Zwei Männer mussten sich ein schmales Bett teilen, und wenn sie sich auf dem Lager einigermaßen arrangiert hatten, kamen auf leisen Sohlen die frierenden Freunde von der benachbarten Schlafstätte, um das wärmende Federbett zu entführen. Die Diebe hatten jedoch nicht mit der Wachsamkeit Burgers gerechnet. Geistesgegenwärtig fuhr der kleine Mann Räuber Rumpf an die Kehle und schnappte gleichzeitig den Bettzipfel, um den Kampf für sich zu entscheiden. Der kraftlose Versuch seines Bettgenossen, das Leintuch festzuhalten, nimmt sich dagegen eher kläglich aus“, führte Philippi aus.
Temperament und Witz
Die drastische Karikatur sage dabei viel über das Temperament und den Witz des Zeichners, der sich selbst im Zentrum des Getümmels darstellte. Die sechziger Jahre waren wohl die Glanzzeit für den ‚Adler‘. Damals trafen sich in dem niedrigen Adlersaal Burger, Kauffmann, Dielmann, Rumpf, Winter, Fresenius und einige andere Zeitgenossen regelmäßig. Es wurde gekegelt, Karten gespielt und auch zeitweise ein Konzert mit Tanzvergnügen veranstaltet, Künstlerfeste genannt. Der „Frankfurter Hof“, der „Schützenhof“ oder die „Krawallschachtel“ – auch diese Gasthäuser behielt Hans Robert Philippi im Blick, wenngleich sie für die Künstler dieser Zeit weniger attraktiv waren. Er nahm auf eine unterhaltsame Zeitreise in Kronbergs Boheme mit – in ungebundene Künstlerleben mit Wertschätzung der Freundschaft, der Idealisierung der Kunst und Geringschätzung des Geldes.
Hans Robert Philippi fand erneut eine große Zuhörerschaft im Museum Kronberger Malerkolonie. Er hielt einen Vortrag über Maler und ihre Gasthäuser. Foto: Muth-Ziebe