Kronberg (mg) – Die Landtagswahlen in den Bundesländern Sachsen und Thüringen haben es gezeigt: Die Demokratie hat es in der Bundesrepublik Deutschland aktuell so schwer, wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Man kann sagen, sie ist gefährdet. Das ist bisweilen schon eine dramatische Situation. Man müsste ihr helfen, dieser Demokratie. Ohne Hysterie und auf der Handlungsebene. Das gilt allerdings nicht nur für die Staatsform hierzulande, sondern weltweit. Ebenso gefährdet ist die sogenannte menschliche Umwelt, die nichts anderes ist als die Natur an sich ist, die vermutlich bestens ohne den größten „Gefährder“ – ein Begriff aus der strafrechtlichen Justiz – auskäme, den Primaten Mensch.
Vielfalt und Gleichgewicht
Maß halten war schon immer eine Formel, um Übertreibungen und deren Auswirkungen wieder auf einen Moment zu reduzieren, der ein notwendiges Gleichgewicht zum Überleben produziert. Das fällt bei über acht Milliarden Menschen auf der Ellipse Erde anscheinend schwer. Zu viele Begehrlichkeiten existieren, jede und jeder will ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen. Nur was, wenn die Torte aufgegessen ist und Zutaten dauerhaft Mangelware sind? Was, wenn es am Ende nicht mehr zum Überleben reicht? Die biologische Vielfalt (Biodiversität) und das ökologische Gleichgewicht sind bedroht. Die Anzahl an heimischen Wildpflanzen und Tieren, insbesondere blütenstäubenden Insekten, sinkt trotz mehr entwickeltem Bewusstsein in der Bevölkerung nach wie vor deutlich. Aus diesem Grund sind weltweit die Erträge vieler Obst- und Gemüsesorten bedroht. Die Biomasse, also das Gesamtgewicht, aller landlebenden Gliederfüßer entspricht dem Doppelten der menschlichen Biomasse. Wissenschaftler kommunizieren das im Fachjournal „Science Advances“. Den Studienautoren zufolge wiegen alle landlebenden Insekten und Spinnentiere zusammen ungefähr eine Milliarde Tonnen. Das entspricht ungefähr der Biomasse aller Nutztiere und aller Menschen zusammen. 600 Millionen Tonnen und 400 Millionen Tonnen bringen die beiden Gruppen jeweils auf die Waage. Zwischen den Jahren 1989 und 2014 lag der Rückgang der „Gesamtbiomasse“ (letztlich das gesamte Gewicht aller Insekten) bei 76 Prozent. Dreiviertel der Gesamtpopulation ist verschwunden. Im gleichen Zeitraum reproduzierte sich der Mensch um ein Vielfaches. Im Durchschnitt wächst die Weltbevölkerung jedes Jahr um 66 Millionen Menschen. „Finde den Fehler.“
Wildbienen
Menschen wie Maria Hartmann haben es verstanden und stellen sich aktiv der Herausforderung. Die Biologin engagiert sich wie mittlerweile doch einige Menschen für den Erhalt der Natur. Ganz konkret unternimmt sie dies unter dem Vereinsdach der HGON, der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz. An einem Freitag trifft sie sich mit Yvonne Richter, Leiterin des Umweltreferats der Stadt Kronberg, auf einem Spielplatz im Stadtteil Oberhöchstadt. In der Friedensstraße findet zu diesem Zeitpunkt ein Teil des „Wildbienenmonitorings“ statt, einer empirischen Ergebung anhand von Stichproben, die über das Jahr verteilt via mathematischer Formeln den Bestand der Wildbienenpopulation und mehr deuten. Hartmann ist mit dem Kescher unterwegs und fängt behutsam eine männliche Gelbbindige Furchenbiene. Die Blühstreifen, die auf dem von der Stadtverwaltung Kronberg naturnah gestalteten Spielplatz mit seinen rund 2.000 Quadratmetern Fläche zahlreich und umfänglich vorhanden sind, stellen die artgerechte Umgebung für viele Insekten, auch für Wildbienen, dar. Weitere Flächen wurden auf dem Gelände der Kronberger Burg, des Victoriaparks und am Haimerl-Platz angelegt. Unter dem mittlerweile bekannten Motto „Jeder Quadratmeter zählt“, das häufig auf kennzeichnenden und erinnernden Schildern im Ortsbild vieler Kommunen zu entdecken ist, läuft der Versuch ab, Menschen noch mehr für das Thema Artenschutz auf lokaler Ebene zu sensibilisieren. „Im Winter sollten die Stauden und Pflanzen stehen bleiben“, formuliert es Yvonne Richter und ergänzt: „Insekten und deren Nachwuchs in Form von Insekteneiern benötigen dieses Umfeld auch in der kalten Jahreszeit“. Maria Hartmann ergänzt: „Bis auf die Natternkopf-Mauerbiene und die Gehörnte Mauerbiene legen die Arten ihr Nest im Boden oder in Hohlräumen an. Die beiden Mauerbienenarten nisten in Stängeln oder auch Nisthilfen. Insbesondere Arten, die in Stängeln ihre Nester anlegen, sind darauf angewiesen, dass Blühflächen im Winter stehen bleiben und nicht komplett gemäht werden.“ Mit von der Naturschutzpartie ist vor Ort auch der Leiter des HGON-Arbeitskreises Hochtaunus, Daniel Neubacher, dem es ein Anliegen ist, Maria Hartmann ins rechte Licht zu setzen. Schließlich wurde sie zuletzt seitens der Umweltlotterie „Genau“ mit 5.000 Euro gefördert, da die Teilnehmer der Lotterie ihre Arbeit als schätzenswert und hilfreich einstuften und auswählten. Dieses Geld wird nun in eine weitere Fläche investiert, die angelegt werden soll – mit dem primären Fokus auf der Förderung der Wildbienen. Davon gibt es nach wissenschaftlichen Angaben über 580 verschiedene Arten, zu denen auch Hummeln gehören. 16 Wildbienenarten sind bereits ausgestorben. „Wir sehen als HGON unsere Aufgabe darin, Lebensräume von Tier und Natur zu schützen und damit auch die Nahrungsgrundlagen zu erhalten. Marias Engagement bei der Bestandsaufnahme der Wildbienenpopulation ist dabei enorm wichtig. Wir würden gerne noch mehr Unterstützer in diesem Themenfeld begrüßen“, so Neubacher.
Schlüssel und Schloss
Viele Insekten leisten sehr viel Bestäubungsarbeit für die Landwirtschaft. Beispielsweise kann eine Hummel bis zu 3.800 Blüten am Tag bestäuben und somit für das Zustandekommen der „Frucht“ sorgen. Es gibt Schätzungen, dass der monetäre Wert der Bestäubungsleistung alleine in der Bundesrepublik Deutschland bei mehr als einer Milliarde Euro liegt. Viele hunderttausend Jahre dauerte der evolutionäre Prozess der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, in dem sie sich aufeinander einstellten. Nun sind 31 Prozent der Wildpflanzen bestandsgefährdet, was in der logischen Schlussfolgerung auch negative Auswirkungen auf den Bestand von Insekten hat. Sie bedingen und versorgen einander. Und so wurde im Jahr 2021 auch der Spielplatz in der Friedensstraße angelegt, um einen Beitrag zur Förderung der für das menschliche Überleben notwendigen biologischen Vielfalt zu leisten. Das Gelände ist ausschließlich mit heimischen Stauden und Sträuchern bepflanzt. Hierzu zählen unter anderem Schattenbeete mit Wildblumen und Kleingehölzen, ein Blumenschotterrasen und strukturierende Trockenmauern, die gleichzeitig den Kindern großen Spaß beim Klettern bereiten. Auch für die Bildungsarbeit mit Kindern sind Naturflächen und der Kontakt mit heimischen Pflanzen und Tieren wertvoll. Der „kleine wie große“ Mensch schützt nun einmal nur das, was er kennt. Bewusstsein für die Notwendigkeit des Überlebens zu schaffen kann nicht früh genug beginnen. „Grundsätzlich besiedeln die verschiedenen Wildbienenarten ein breites Lebensraumspektrum. Die Gelbbindige und Goldbraune Furchenbiene sowie die Natternkopf-Mauerbiene besiedeln vor allem trockenwarme Standorte wie Magerrasen und Brachen. Die Garten-Wollbiene bevorzugt Gärten und Parks. Die Frühlings-Pelzbiene und die Rainfarn-Maskenbiene nutzen auch Waldsäume oder extensive Grünländer als Lebensraum. All diese Arten finden rund um den Spielplatz oder sogar auf dem Spielplatz noch geeignete Strukturen. Das zeigt, wie strukturreich der Standort ist“, erklärt Maria Hartmann abschließend die Relevanz der naturnahen Gestaltung öffentlicher Flächen, die zum oben genannten Schutz der Tiere beitragen. Weitere lesenswerte Informationen kann man auf den Internetseitenwww.hgon.de und www.kronberg.de/de/planen-bauen-umwelt/umwelt-und-naturschutz/spielplaetze entdecken.