Kronberg (hmz) – Nach der äußerst erfolgreichen Ausstellung „Kaiserin Friedrich und die Künste“ des Museums Kronberger Malerkolonie wurde nun mit „Zauberhaftes Capri“ ein neuerliches Glanzstück eröffnet, in dessen Verwirklichung zahlreiche Akteure eingebunden waren. Allen voran private Leihgeber, die ihre Bilder für eine insgesamt lange Ausstellungsdauer zur Verfügung gestellt haben, da sie bereits in Dachau zu sehen waren. Darüber hinaus haben Museen aus Deutschland, Österreich und Italien mit ihren wertvollen Gemälden einen zusätzlichen Beitrag für dieses äußerst anspruchsvolle Projekt geleistet, das ohne die finanzielle Unterstützung etwa „des Kulturfonds RheinMain, der Rheinberger Stiftung und der G. und G. Klotz Stiftung, Euroart sowie der Stadt Kronberg nicht zustande gekommen wäre“, so Hans Robert Philippi, Vorsitzender der Museumsgesellschaft und der Stiftung Kronberger Malerkolonie. Das Projekt wurde von Stefan Löwl, dem Dachauer Landrat, von Florian Hartmann, dem Oberbürgermeister der Stadt Dachau und Präsident von euroart maßgeblich unterstützt. Die beiden Kuratorinnen Dr. Elisabeth Boser (Dachau) und Dr. Ingrid Ehrhardt haben über Wochen hinweg diese sicher einmalige Ausstellung kuratiert und parallel dazu einen Katalog erstellt, der einen umfassenden Begleittext von Dr. Claus Pese, der als Kunsthistoriker über fast drei Jahrzehnte am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg tätig war und durch zahlreiche Publikationen bekannt wurde, beinhaltet.
„Zauberinsel“
Als Gastredner führte er sehr launig, einen imposanten kulturhistorischen Bogen schlagend, in die Ausstellung – und damit mitten auf die „Zauberinsel“ Capri – ein. Diesen Beinamen verdanke sie übrigens dem „stets nörgelnden“ Rainer Maria Rilke, der in den Jahren 1907 und 1908 dort weilte und auf Maxim Gorki traf. Der lasse sich, so Rilke in einem Brief, als „Anarchist“ feiern. Angenehmerweise aber werfe er „vorderhand statt Bomben Geld unter die Leute“.
Die Farbe Blau
Dr. Ingrid Ehrhardt ging ausführlich auf die Bedeutung der Farbe „Blau“ in der Kunst ein, eine Farbe, die gerade in dieser Ausstellung eng mit dem „Sehnsuchtsort Capri“ verwoben sei. Blau als Ausdruck der Grenzenlosigkeit. „Blau ist seit jeher dazu bestimmt, der poetischen Dimension des unendlichen Raumes Gestalt zu verleihen. Für unser Auge, das sich darin verliert, lässt Blau zunächst einmal alles andere zurückstehen. Wir sprechen von ,himmelblau‘, ,blaues Firmament‘ und ,azurnem Himmel‘, wo sich letztlich Azurblau mit der Immaterialität des Himmels vereint“, so Dr. Erhardt. Aber auch die Romantiker wussten bereits, wie es sich beim Horizont verhält, auf den jeder zwar zugehen kann, ihn aber nie erreichen wird. Nicht nur in der Malerei hatte Blau eine besondere Bedeutung, auch in der Literatur wurde die Farbe, vor allem in der Zeit der Romantik, zu einem wichtigen Symbol, das auch hier Ferne und Sehnsucht verkörperte, Grundelemente der romantischen Lebenssicht. Vor allem der Dichter und Philosoph Novalis verhalf durch sein Werk „Heinrich von Ofterdingen“ der „Blauen Blume“ zu Berühmtheit. Die blaue Blume erschien in einem Romanfragment von Novalis zum ersten Mal und bis heute steht sie für unerfüllbare Sehnsucht. Philippi führte noch ein weiteres Beispiel für die „Italiensehnsucht“ an: Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Josef von Eichendorff. Der Protagonist gelangt über Umwege nach Italien, „wo der Himmel die Erde küsst. Solche und ähnliche Beschreibungen weckten die Sehnsucht nach der Ferne und einem ungezwungeneren Leben“. Theodor W. Adorno, der übrigens in Kronberg in Klausur seine Habilitationsschrift verfasste, stellte die Sehnsucht ins Zentrum seiner Eichendorff Interpretation.
„Wo die Zitronen blühn...“
Die Einführung von Dr. Ingrid Ehrhardt trug
zum Verständnis der faszinierenden Bilderwelt und deren „Zauberhaftem“ bei, vertieft durch Dr. Claus Pese und seine detaillierten Betrachtungen. Künstler, allen voran die deutschen Landschaftsmaler, machten die kleine Insel Capri im Mittelmeer wegen ihrer Natur und der intensiven Farben als Ideal ihrer romantischen Sehnsüchte zum Mittelpunkt des kreativen Schaffens. Johann Wolfgang Goethes zweibändige „Italienische Reise“ erschien in den Jahren 1813 bis 1814 und mit dem Text: „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn…“ wurde die Insel endgültig zu einer romantischen Verklärung. Wenig Jahre später (1826) entdeckte der Schriftsteller August Kopisch die schon in der Antike genutzte „Blaue Grotte“ wieder. Sie war es, die Künstler der Romantik aus Deutschland, Österreich, Dänemark und Italien anzog. Das „Paradies für Künstler“ wurde immer bekannter und öffnete seine Pforten für Maler, Bildhauer, Literaten und Musiker aus ganz Europa. Die liebliche Amalfiküste und der Golf von Neapel mit seinen Inseln faszinierten etwa Leo von Klenze, Carl Morgenstern, Max Haushofer, Joseph Rebell, Oswald Achenbach, Karl Wilhelm Diefenbach, Elise Mahler und Malwida von Meysenbug. Sie ließen sich dort nieder und fingen die Stimmungen im gesamten Tagesablauf auf ihren Bildern ein. Ihnen folgten aufgrund „deren Mundpropaganda“, so Dr. Pese, zahlreiche Maler, darunter auch Ludwig Dill und Arthur Langhammer, die später eine wichtige Rolle in der Künstlerkolonie Dachau spielen sollten. Das Meer, die Felsen, die Straße nach Anacapri, die Villa Tragara sowie die Villa des Tiberius, das Glitzern des Wassers, blaue, weite Horizonte, kleine weiße Häuser in den Hügeln, üppig blühende Gärten… die Maler haben die Leichtigkeit des Lebens mit der Farbe einzufangen versucht, bevorzugt in Blautönen. Denn für Goethe war die Farbe Blau neben der Sehnsucht vor allem ein Gefühlsausdruck.
Rückzugsort
Heerscharen von Malern, Dichtern und Lebenskünstlern besuchten seitdem die Insel und bildeten eine kleine Kolonie auf der Insel im Golf von Neapel.
Capri – das ist sicher mehr als die blaue Grotte, das blaue Meer, der blaue Himmel und eine rote Sonne, die kitschbefrachtet im Meer versinkt, wie etwa in einem Schlager aus den 50er Jahren. Capri sind auch unzählige Seiten Literatur, die sich in den letzten zwei Jahrhunderten angesammelt haben. Lange Zeit war Capri Rückzugsort für Kaiser, Dandys, Künstler und Philosophen. Die Ausstellung im Museum Kronberger Malerkolonie, die noch bis zum 25. Juni zu sehen ist, kann ebenfalls ein „Rückzugsort“ sein, an dem den Empfindungen einer romantisch verklärten Zeit nachgespürt werden kann. Vertiefende Informationen gibt es im Rahmen der öffentlichen Führungen am 16. April, 7. Mai und 4. Juni jeweils um 11.15 Uhr, Anmeldungen sind erforderlich: info[at]kronberger-Malerkolonie[dot]com. Eine Expertenführung mit Dr. Claus Pese wird am Samstag, 13. Mai, von 16.30 bis 18 Uhr angeboten. Auch hierfür sollten sich Interessierte anmelden. In Kooperation mit der Kronberger Bücherstube ist am Mittwoch, 31. Mai, um 19 Uhr eine Lesung mit Kerstin Holzer vorgesehen: „Monscella – Monika Mann und ihr Leben auf Capri“ und eine weitere Lesung am Mittwoch, 14. Juni, um 19 Uhr mit dem Titel: „Glück auf Capri“. Weitere Veranstaltungen werden rechtzeitig bekannt gegeben oder sind unter www.kronberger-malerkolonie.com nachzulesen, ebenso die aktuellen Öffnungszeiten.
Bernardo Hay, Marina Piccola, um 1899, Öl/Lw., Privatbesitz, courtesy Galleria Vincent, Neapel
Paul von Spaun, Tosende Gischt, Öl/Lw, Privatbesitz
Fotos: Stiftung Museum Malerkolonie