Kontrastreiches Konzertprogramm begeisterte bei „MMM“

Mit ungewohnten Rhythmen und Klängen von Fazil Say begeisterten (von links) Kai Gabel, Niklas Liepe, Livia Paté und Marei Schibilsky ihr Publikum.

Foto: Andreas Malkmus / Kronberg Academy

Kronberg (pf) – „Heute wird uns bewusst, was uns in diesem Sommer gefehlt hat,“ meinte Raimund Trenkler, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kronberg Academy, als er Sonntagnachmittag das Publikum begrüßte, das sich im Saal der Stadthalle zum Abschlusskonzert des Kammermusikworkshops „Mit Musik – Miteinander“ (MMM) versammelt hatte. Ungewohnt war die lockere Verteilung der Stühle im Saal, ungewohnt das Tragen von Masken und die Bitte, sich vor dem Betreten des Saals die Hände zu desinfizieren. Doch was die neun jungen Musikerinnen und Musiker im Alter zwischen 14 und 19 Jahren in nur zweieinhalb Tagen intensiven Probens mit ihren Dozenten erarbeitet hatten, war so mitreißend, niveauvoll und überzeugend, dass die Konzertbesucher diese kleinen Beeinträchtigungen schnell vergaßen.

Einzelne Sätze aus sechs Kammermusikwerken standen auf dem Programm: drei von Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, zwei von Franz Schubert und einer aus dem erst vor zehn Jahren entstandenen Streichquartett „Divorce“ (Scheidung) des türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Dozenten des Kammermusikprojekts waren dieses Mal der 1990 geborene Geiger Niklas Liepe, die 1993 in Russland geborene Bratschistin Karolina Errera und der 1994 in Frankreich geborene Cellist Edgar Moreau.

Niklas Liepe und Edgar Moreau haben ihre Ausbildung an der Kronberg Academy bereits abgeschlossen, Karolina Errera studiert erst seit Oktober letzten Jahres in Kronberg. Alle drei waren vor einigen Jahren „Juniors“ beim Kammermusikworkshop der Kronberg Academy „Chamber Music Connects the World“ und durften damals mit einigen der berühmtesten Musikern der Welt zusammen Kammermusikwerke einstudieren. Jetzt konnten sie ihre damals gewonnenen Erfahrungen an den aufstrebenden Musikernachwuchs weitergeben, der sein Talent schon beim renommierten Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ mit zahlreichen ersten Preisen unter Beweis gestellt hat.

„Es waren tolle Erfahrungen“, berichteten sie übereinstimmend dem Publikum beim Abschlusskonzert und lobten insbesondere die Aufgeschlossenheit und das große Interesse ihrer fünf Schülerinnen und vier Schüler, die in unterschiedlichen Besetzungen, vom Trio bis zum Quintett, ganz erstaunliche musikalische Entwicklungen machten. Davon konnten sich insbesondere die Konzertbesucher überzeugen, die schon bei den öffentlichen Proben Freitagnachmittag und Samstag dabei waren.

Gut vorbereitet waren alle neun Nachwuchstalente nach Kronberg gekommen, so dass schon das erste Zusammenspiel in den einzelnen Ensembles erstaunlich gut gelang. Doch dann ging es an die Feinarbeit und mit jedem neuen Hinweis, jeder noch einmal unter einem neuen Aspekt interpretierten Phrase blühte das jeweilige Werk ein wenig mehr auf.

Besonders augenfällig war der Kontrast zwischen den Sätzen aus den Beethoven- und Schubert-Werken und dem des 1970 geborenen Fazil Say. „Bei der Komposition dieses Streichquartetts habe ich mich von meiner Persönlichkeit und meinen Erfahrungen leiten lassen. Ich habe versucht, Erlebnisse wie Scheidung, Trennung und das Scheitern einer Beziehung in der Sprache der Musik anhand von Tönen und Rhythmen zu erzählen. Wie in meinen anderen Werken ist aber auch dieses Quartett mehr ein Werk meiner Intuition als die Beschreibung einer historischen Begebenheit, einer Reise oder eines Ortes“, so schreibt der Komponist selbst zu seinem Streichquartett, dessen Eingangssatz einstudiert wurde. „Der erste Satz beginnt recht wild, schnell, traurig, in einem irregulären Rhythmus. Zwischenzeitlich kommen auch Abschnitte vor, die an Jazz Clubs erinnern. Die gelebte Geschichte ist unsere Gegenwart, die wir erleben,“ erklärt er selbst dazu.

„Bei diesem Stück muss man richtig Energie haben“, meinte Niklas Liepe bei den Proben zu seinen Ensemblemitgliedern. „Bei dem Stück muss man extrem da sein“, forderte er ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit und ergänzte: „Hier ist der Raum, wo wir alles ausprobieren können.“ Den Rat beherzigten sie, arbeiteten an den kontrastreichen Stimmungen, den manchmal ungewohnt metallisch klingenden Passagen, die jedoch, wie Liepe auch den Probengästen anhand der Noten erläuterte, vom Komponisten genau so gefordert werden.

Beim Abschlusskonzert bildete dieses Werk nach dem Streichquartett B-Dur op. 130 von Beethoven und dem Streichquintett C-Dur von Schubert den Mittelteil, ehe es mit dem Beethovenschen Streichtrio Nr. 3, seiner für Streichquintett bearbeiteten „Kreutzersonate“ und Franz Schuberts Quartettsatz c-Moll wieder zurück in gewohntere Klangsphären ging.

Der begeisterte und lang anhaltende Beifall, mit dem sich das Konzertpublikum bei jedem der sechs Ensembles für die durchdachten und überzeugenden Interpretationen bedankte, bewies eindrücklich, was Raimund Trenkler in seinen Begrüßungsworten gesagt hatte: Live-Konzerte haben den Musikfreunden in Kronberg in diesem Sommer schmerzlich gefehlt.



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