Dachsanierung geht in entscheidende Phase

Knapp 24 Meter über dem Oberurseler Altstadtboden wartet jetzt der schwierige Teil der Arbeit auf Polier Alexander Griese und sein Team. Ein Lohn nebenbei für die Spezialisten aus dem thüringischen Ettersburg: Der herrliche Blick über die gesamte Altstadt von der Baustelle aus bis hinüber zur altehrwürdigen St.-Ursula-Kirche und bis zu den Taunushängen und hinunter nach Frankfurt. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Am höchsten Punkt warten noch einmal diffizile Aufgaben auf Alexander Griese und sein Team. Es ist die entscheidende Phase der Dachsanierung am fast 300 Jahre alten Baudenkmal Hospitalkirche. Ganz oben, 24 Meter über Altstadt-Normalnull, wird das Schieferdach am Turmhelm abgenommen und die „Zwiebel“ von innen heraus restauriert und für hoffentlich weitere Jahrhunderte stabil und wetterfest gemacht.

Stahlgerüste rund um den Sakralbau mit dem klein gehaltenen Turm prägen das Bild am Eck Strackgasse/Hospitalgasse seit Monaten. Die Dachsanierung an der 1728 geweihten katholischen Kirche steht an, eine heikle Herausforderung, für die es Spezialisten braucht. Einen wie den Polier Alexander Griese aus dem thüringischen Ettersburg, seit ungefähr 20 Jahren ist er meist auf denkmalgeschützten Bauwerken unterwegs. Zu fünft ist das Team um Griese der Firma Denkmalbau Ettersburg auf und im Dach beschäftigt, hat „sehr sportlich“ binnen zwei Monaten die Traufsanierung vollbracht und nähert sich nun dem Finale mit der Aufarbeitung und Aufhübschung der „Zwiebel“. Wenn die Ziegel abgenommen sind und die Metallverkleidung abmontiert ist, wenn der Taubenkot unter dem kleinen Dach entfernt ist, dann werden sie wissen, was noch zu tun ist in 24 Meter Höhe.

Alexander Griese fährt gerne mit dem Lastenaufzug nach oben, zu oft muss er den Weg von unten aus dem improvisierten Büro in einem Bauwagen nach oben und wieder zurück machen. Abenteuerliche Gefühle beim Freigang auf dem Gerüst hat man da nicht mehr so wie Laien, für die das ein einmaliges Erlebnis ist. Vor allem nach der zweiten Aufrüstung Anfang Oktober mit einer riesigen „Gerüstbrücke“, um auch am Turmhelm ordentlich arbeiten zu können. Ein eigenes Kunstwerk ist die Gerüstkonstruktion dabei geworden, beliebtes Fotoobjekt bei zufällig oder gezielt vorbeikommenden Passanten. Etwa fünf Monate haben die Planer für das Gesamtprojekt vorgesehen, mit im Planungsboot ein Ingenieurbüro für historische Baukonstruktionen, das Landesamt für Denkmalpflege natürlich, ebenso wichtig Wolfgang Breese, im Rathaus als Abteilungsleiter Städtebau für den Denkmalschutz zuständig, die Abteilung Bau- und Immobilienmanagement des städtischen Bau & Service (BSO), weil die Hospitalkirche der Stadt gehört. Und Alexander Griese, der Mann fürs Grobe und vor allem Feine, der Praktiker mit Erfahrung, der einen 292 Jahre alten Bau richtig lesen kann.

Georg Hieronymis „Jugendsünde“

Was muss raus, was kann drin bleiben? Welche Balken halten noch weitere Generationen durch, wo muss die alte Eichenkonstruktion im Gebälk mit heller Kiefer aufgefrischt werden? Wie können die Traglasten korrekt verteilt werden? Kleine Fehler können hier große und schwere Folgen haben. „So wenig wie möglich am alten Holz machen“, ist eine wichtige Maxime für die Männer aus Thüringen. Und das alles sehr vorsichtig, denn unter ihnen wölbt sich eine alte Stuckdecke über das Kirchenschiff. Ein kunstvolles Deckengemälde der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Hospitalkirche, ziert den „Himmel“ über dem Kirchenraum. Es ist die früheste nachweisbare Kirchenarbeit des bekannten Oberurseler Künstlers Georg Hieronymi aus den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Er selbst sprach später von einer „Jugendsünde“, weil er seine Barbara als zu „kitschig“ empfand, seinem Ruf als Kirchenkünstler bereitete sie gleichwohl den Weg. Die Geschichte der christlichen Jungfrau Barbara, die im dritten Jahrhundert aufgrund einer reichlich brutalen Geschichte zur Märtyrin wurde.

Vor fünf Jahren sind erstmals Deckenteile runtergefallen, die kleine Kirche, die von der katholischen italienischen Kirchengemeinde für Gottesdienste und auch gerne für kulturelle Veranstaltungen in kleinerem Format genutzt wird, musste zeitweilig gesperrt werden. Geplant war die Sanierung 2017, aus finanziellen Gründen wurde sie damals verschoben. Das hätten sie gerne auch jetzt noch einmal gemacht angesichts der prekären Haushaltslage. „Nicht möglich, wenn wir den Dachstuhl erhalten und keine größeren Schäden riskieren wollen“, fasste Bürgermeister Hans-Georg Brum bei der Ankündigung der Sanierungsarbeiten im Frühsommer die kritische Lage zusammen. „Höchste Zeit“, befindet auch Polier Alexander Giese, ein Blick auf die unten gelagerten Balken aus dem Bereich der Traufe belegt das. Gänge, die der Hausbock ins Holz gefressen hat, Holzmehl statt Festholz, Nassfäulepilze, jede Menge das Holz zerstörende Mikroorganismen, der Zahn der Zeit hat heftig, aber zum Glück nicht überall, am Gebälk genagt.

Kosten von 700 000 Euro

Der Zeitrahmen passt noch, vor Weihnachten sollen die Arbeiten beendet sein. Dann dürfte es für Giese und seine Männer in 24 Meter Höhe langsam auch reichlich kalt werden. Auch der Geldrahmen ist noch nicht geplatzt, heißt es von Denkmalschützer Wolfgang Breese und vom BSO, kalkuliert wird mit Kosten von rund 700 000 Euro. Das Landesamt für Denkmalpflege Wiesbaden hat 80 000 Euro Unterstützung zugesagt, das Bistum Limburg zahlt nichts, da die Kirche als Teil des einstigen Hospital-Komplexes städtisches Eigentum ist.

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