Daumen hoch für das Herbsttreiben

Handwerk hat nicht nur goldenen, sondern auch unglaublich kreativen Boden. Die Modenschau der Handwerkerzünfte auf dem Laufsteg ist absoluter kultureller Höhepunkt beim Markt der Handwerker auf dem Epinay-Platz. Das Gruppenfoto mit Moderator „Schüssel“ nach dem grandiosen Finale ein Muss. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. „Big Äppel“ und Rudelsingen auf dem Marktplatz, innovatives Handwerk auf dem Epinay-Platz, internationale Küche und „Zehn Jahre Fairtrade-Stadt“ auf dem Rathausplatz. Handel im Wandel und vor allem viel Essen und Trinken dazwischen. Das viel einschließende und trotzdem schlichte Motto „Oberursel erleben“ hat beim traditionellen Herbsttreiben unter der Regie des Forums der Selbstständigen Oberursel „fokus O.“ am Wochenende zumindest die innerste City flott belebt.

Die Sonne lacht den Guten, sagt man, für Handel und Handwerk war das Wetter aber nur bedingt der perfekte Hintergrund. Den Guten ist das egal, sie sind immer da. Der Handwerkermarkt auf dem Epinay-Platz bleibt das Herzstück des Herbsttreibens, treue Besucher des jährlichen Stadtfestes treffen auf treue Firmen, ab und zu ist mal ein neues Gesicht dabei wie das junge Unternehmen Vendo Werbetechnik. Ein anderes, das auch mit diesem Thema zu tun hat, ist lautlos verschwunden, die Standhaften zucken mit den Schultern.

Herbsttreiben heißt immer auch „traditionelle Leistungsschau von Handel und Handwerk“. Man muss präsent sein, Gesicht zeigen, so sehen das die Alteingesessenen, die auch deswegen und mit Innovationen immer noch im Geschäft sind. Und bei der Auflage 2022 am Wochenende im Nebenprogramm etwa mit einer sehr kreativen Modenschau aufgewartet haben. Einfach so am Rande, weil sie alle Spaß an der Sache haben und den Sondereinsatz gerne in Kauf nehmen, auch wenn es ein bisschen mehr kostet.

Wichtig ist die Beratung potenzieller Kunden aus erster Hand, im netten Ambiente sind die Berührungsängste geringer, da kommt man leichter ins Gespräch. Und erinnert sich später, wenn man einen Heizungsmonteur oder Schädlingsbekämpfer, Fliesenleger oder Schreiner, Schmied und Metallexperten oder Zimmermann braucht, beim Blick auf die eingesteckte Visitenkarte daran, mit wem das angenehme und kompetente Gespräch geführt wurde. Das gilt auch für den Handel, Ereignisse wie das Herbsttreiben sind wie ein Wechsel auf die Zukunft. Nur auf der „Fressmeile“, die irgendwie überall ist, geht es um kurzfristige Befriedigung von Grundbedürfnissen. Aber das ist natürlich auch ein Standbein des Fest-Wochenendes, auf dem einheimische Anbieter und etwa alljährliche Gäste aus der Provence und Apulien stehen.

Der Herbst treibt’s, wie es sich gehört in diesen Tagen. Mit Wind und Sonne, Schauern und stürmischen Böen, die auch mal einen Sonnen-Regen-Wind-Schutzschirm auf dem Marktplatz aus der Verankerung reißen. So soll es sein, das hat man nicht anders verdient, wenn man um diese Zeit das geneigte Publikum auf die Straße ruft. Die „Orscheler“ sind erstaunlich gelassen im Regen, flanieren weiter durch die Stadt, finden überall einen Unterstand, wenn’s zu heftig feucht von oben kommt. Unter Vordächern, Zeltplanen, im Karussell, unterm Balkon am Wegesrand oder dem mitgebrachten Schirm. Lassen sich nicht verdrießen nach all den heißen Sonnentagen. Nun gut, es hat schon mehr Gedränge gegeben beim Herbsttreiben, aber ein bisschen mehr Atemfreiheit ist in Coronazeiten ja auch ganz gut.

An der Peripherie der Innenstadt, die ohnehin darbt, in der Ackergasse, der Unteren Hainstraße und der Strackgasse etwa, hat die Geschäftswelt schon unter dem verringerten Andrang gelitten. Im „Big Äppel“ auf dem Marktplatz kamen weniger Trinker zum Ebbelwoi-Test, bei den Landmaschinen herrschte auch schon mal mehr Andrang, insgesamt aber eher Daumen hoch: Hauptsache, es war überhaupt mal wieder was los in der Stadt. Oh ja, am Samstag schon vor der Mittagsstunde, als die Musikschule Oberursel mit Vorsänger Holger Pusinelli zum Rudelsingen unter dem Motto „Oberursel singt“ eingeladen hatte. Da war schon früh richtig was los auf dem scheppen Pflaster, als die Affen vielstimmig durch den Wald rasten. Und der Musiklehrer die wichtigste Wahrheit in diesem Moment verkündete. „Ob Sonne oder Regen, wichtig ist es, gemeinsam zu singen.“ Damit wirklich Freude aufkommt.

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