Dunkel ist’s, die Laternen leuchten hell ins Schlafzimmer

Ausgeleuchtet bis ins letzte Eck ist die Wintersteinstraße, doch die Anwohner fühlen sich dadurch nicht sicherer, sondern geblendet und in ihrer Wohnqualität beeinträchtigt. Foto: js

Oberursel (js). Wenn es Nacht wird in Oberursel, dann wird es seit ein paar Wochen in einigen Wohngebieten ziemlich hell. So hell, dass sich die Anwohner, etwa in der Wintersteinstraße, nicht positiv beleuchtet, sondern „erheblich gestört“ fühlen. Durch ein „helles, fast gleißendes, kaltes Licht, das nachts die Zimmer und Gärten erhellt“. Nach dem Austausch der Leuchtmittel in den Straßenlaternen vor ihren Haustüren und Schlafzimmerfenstern fühlen sie sich „erheblich gestört und möchten diese Veränderung zum Negativen nicht hinnehmen“. So steht es in einem in freundlichem Ton gehaltenen Brief von Holly Brotchie und Marion Sieg an den Magistrat der Stadt Oberursel, obwohl der Ärger über den „Dauervollmond“ durch die „nächtliche Zwangsbeleuchtung“ eher zunimmt, als dass ein Gewöhnungseffekt bei den Betroffenen spürbar ist.

Die Eingabe an den Magistrat wird inzwischen von der Mehrheit der Anwohner in der Wintersteinstraße unterstützt, schreiben Brotchie und Sieg, sie alle wünschen sich einen Rückbau der intensiven Leuchtmittel. Statt des bisher gelb-orangefarbenen Lichts mit einer Farbtemperatur von 3000 Kelvin, das die nicht weit entfernte Freiligrathstraße noch in ein „warmes, harmonisches Straßenlicht“ bei Nacht hülle, ist die Wintersteinstraßen-Beleuchtung auf 4000 Kelvin aufgerüstet worden. Die Fachleute bezeichnen das als neutrales Licht, viele Menschen hingegen empfinden es als kalt, falsch, ungesund durch die Helligkeit und die hohen Blauanteile. Diese Resonanz ist im Rathaus bekannt, bestätigt Pressesprecherin Nina Kuhn, „das Thema bewegt die Menschen, die Äußerungen reichen von egal bis nicht zufrieden“. Die Beschwerden hielten sich aber in Grenzen, seit die Stadt vor ziemlich genau drei Jahren über den städtischen BSO begonnen habe, den „Masterplan Licht“ umzusetzen. Über 3600 der rund 5700 Oberurseler Leuchten sollen bis in dieses Jahr hinein modernisiert werden. Auf den Ende 2017 beschlossenen „Masterplan Licht“ der Stadt beziehen sich auch Holly Brotchie und Marion Sieg in ihrer Eingabe. Als Ziel ist damals neben der Einsparung von Energie und Kosten formuliert worden, durch den Austausch der Leuchtmittel eine „Steigerung der Wohnqualität durch optimierte Straßenbeleuchtung“ zu erreichen. Das empfinden die Anwohner ganz anders: „Das Gegenteil ist der Fall! Sowohl die Lichtfarbe als auch -intensität senken die Wohnqualität erheblich. Qualitätvolles Wohnen findet nicht im Scheinwerferlicht statt!“ Auch die damals postulierte Erhöhung der Sicherheit, etwa für Schulwege und Plätze, sei in der Wintersteinstraße, einer ruhigen Wohnstraße, nicht erforderlich. Stattdessen führe der hohe Blauanteil des Lichts zu einer deutlichen Blendwirkung, was eher eine „Sicherheitsgefährdung“ bedeute.

Kontraproduktiv sei die neue Beleuchtung auch mit Blick auf den Unterpunkt „Schutz der Umwelt durch Vermeidung von Lichtverschmutzung“, formuliert im Masterplan Licht. Er bezog sich auch auf den Schutz von Insekten. Kritiker sehen hier allerdings das Gegenteil erreicht, nennen den sogenannten „Staubsaugereffekt“ durch die hohe „Lichtverschmutzung“. Und verweisen auf das Bundesamt für Naturschutz und dessen Leitfaden zu LED-Neuinstallationen bei der Straßenbeleuchtung, der Farbtemperaturen von 3000 Kelvin und weniger empfiehlt. Gleiches findet sich auch im Bundesimmissionsschutzgesetz. Grundsätzlich solle immer die niedrigstmögliche Lichtstärke-Klasse gewählt werden.

Eine Chance auf den geforderten Rückbau der Leuchtmittel besteht, ist aber wohl eher begrenzt. Stadtsprecherin Kuhn nennt die „Möglichkeit, in Einzelfällen Blendschutz von zwei Seiten anzubringen“. Dies sei wohl laut Auskunft des BSO machbar, an vielen Stellen gehe es aber einfach nicht. Ziel sei es, in allen umgerüsteten Bereichen das im Masterplan Licht integrierte Konzept „für die Leute so verträglich wie möglich“ umzusetzen.



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