Oberursel. Anfang 1850 wurde hier der „Localverein Oberursel im Gewerbeverein für Nassau“ mit dem Privatlehrer Aloys Henninger als Vorsitzender gegründet. 175 Jahre und vier Namensänderungen später hat der Verein fokus O. inzwischen 225 Mitglieder. Am vergangenen Samstag fand der Festakt zum Jubiläum in der Stadthalle statt.
Die heutige Vorsitzende Anke Berger-Schmitt von der Klinik Hohe Mark begrüßte die 180 Gäste im großen Saal. Sie verdeutlichte in ihrer Rede die Rolle, die der Verein in der Oberurseler Gesellschaft hat. Berger-Schmitt bedankte sich bei der Stadt, die sie als „unverzichtbarer Partner“ bezeichnete, für die gute Zusammenarbeit. „Gemeinsam haben wir viel erreicht“, sagte sie.
Außerdem bedankte sie sich bei den Autoren der 96-seitigen Festschrift, die die Anfangszeiten des Vereins im 19. Jahrhundert und seinen Wandel im Laufe der Zeit bis zur heutigen Form mit den Säulen dokumentiert. Schließlich bedankte sie sich bei den Mitgliedern. „Ohne Euch wäre der Verein nicht das, was es heute ist“, sagte sie, bevor sie mit Moderatorin Annelie Eichhorn-Adler mit einem Sekt anstoß.
Der Verein wurde zu Anfang der NS-Zeit Ende 1933 aufgelöst und im Frühling 1950 als „Handwerker- und Gewerbverein Oberursel und Umgebung“ wieder ins Leben gerufen. Zu den ersten Mitgliedern nach der Neugründung gehörte die Firma Alberti. Nun gilt Alberti als ältestes Mitglied im fokus O., gefolgt vom Juwelier Windecker, der im Jahr 1956 dem Verein beigetreten ist. Beide waren beim Festakt in der Stadthalle vertreten.
Während des Abends sprach Annelie Eichhorn-Adler mit Mitgliedern des Vereins über ihre Erfahrungen im fokus O.. Den Anfang machte Brunnenkönigin Janine I., die über ihre Highlights im vergangenen Jahr sprach. Ihre Amtszeit fasste sie so zusammen: „Tradition, Begegnungen und Zepterbeschützerin.“
Zwischen den Reden wurden die Gäste mit einem Vier-Gänge-Menü vom elaya Hotel verköstigt. Während des Essens spielte Laurids B. Green im Hintergrund auf der Bühne am Klavier.
Nach der Vorspeise sprach Bürgermeisterin Antje Runge. Sie verdeutlichte, dass der fokus O. einer der ältesten Gewerbevereine in Hessen ist. Bereits vor 175 Jahren war „Fachkräftemangel“ schon ein Thema für den neu gegründeten Verein und so entstand wenige Monate später im Sommer 1850 eine Gewerbeschule in Oberursel. Der Gemeinderat unterstützte das Vorhaben damals jährlich mit 60 Gulden.
Die Bürgermeisterin bezeichnete den fokus O. mit seinem starken Netzwerk als Erfolgsgeschichte für die Wirtschaft der Stadt und lobte den Verein für die Organisation verschiedener Feste in der Stadt. Sie erinnerte auch daran, dass ihre Amtskette von den Handwerkern der Stadt vor 50 Jahren hergestellt wurde. Sie wurde nämlich im Jubiläumsjahr 1975 an Bürgermeister Karlheinz Pfaff überreicht.
Eine „starke Stimme“
Aus der Gewerbeschule wurde die heutige Feldbergschule, die jetzt in Trägerschaft des Hochtaunuskreises ist. Landrat Ulrich Krebs gratulierte in seiner Rede dem fokus O. zum „stolzen Jubiläum“. Im Jahr 1860 sei Oberursel die „industriellste Stadt des Landes“ erzählte er, wobei damit das Herzogtum Nassau gemeint war. Das duale Ausbildungssystem steckte damals noch in den Kinderschuhen, erzählte der Landrat. Er lobte den fokus O. als „starke Stimme und Interessenvertretung der Gewerbe“ und bedankte sich bei allen, die sich an der Ausbildung von jungen Menschen beteiligen.
Ines Fröhlich, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum gratulierte dem Verein im Namen der hessischen Landesregierung und machte deutlich, dass Frankfurt im Jahr 1850 bereits damals eines der wichtigsten Handelszentren Europas war. Sie vertrat den Hessischen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori, der aufgrund der Koalitionsverhandlungen verhindert war.
Weiter ging es im Menü mit einem herbstlichen Gericht: Kürbiscremesuppe mit Pumper Nickel.
Ulrike Böhme von der Wirtschaftsförderung der Stadt erzählte nun von ihren ersten Arbeitstagen im Rathaus. Der Bund der Selbständigen – Ortsverband Oberursel steckte damals in einer Vorstandskrise und fühlte sich von der Stadt nicht verstanden. „Es war einiges im Argen“, erzählte sie. Auch der fehlende Nachwuchs im Verein war ein Problem.
So ginge es für Böhme und den Vorstand zu einer Klausurtagung nach Braunfels. Dort wurde das heutige Konzept mit den Säulen entwickelt und in der Jahreshauptversammlung im Jahr 2003 wurde der neue Name fokus O. – Forum der Selbständigen Oberursel beschlossen.
Frankfurter IHK-Präsident Ulrich Caspar bedankte sich in seiner Rede bei allen, die sich im Verein engagieren. Oberursel hat einen der „besten und engagierten Gewerbevereine“ in seinem Bezirk, sagte er. Als Herausforderung der aktuellen Zeit nannte er die Überregulierung.
Rückblick auf das 19. Jahrhundert
Der Hauptgeschäftsführer der Hessischen Handwerkskammer, Dr. Christof Ries, blickte auf die politischen Zeiten des 19. Jahrhundert zurück. Der Gewerbeverein entstand zur Zeit der Erfurter Union und durchlebte später das deutsche Kaiserreich. „Heute könnte man eine Schule nicht so schnell gründen“, sagte er. Er lobte den fokus O. für die neue Säule Digitalisierung, da dies ein sehr aktuelles Thema sei. „Wir brauchen mehr Mut zum Unternehmertum,“ sagte er.
Vor dem Hauptgang überreichte Julia Antoni, Geschäftsführerin der Stadthalle als Hausherrin und der Stadtwerke als Hauptsponsor, einen Blumenstrauß an Anke Berger-Schmitt.
Für Unterhaltung sorgte nun Kabarettist Rainer Dachselt. Er hatte seine eigene Festschrift ausgearbeitet und zu einem Drehbuch für eine zehnteilige Fernsehserie über den Gewerbeverein umgewandelt, die auch nach seinen eigenen Angaben „nicht historisch“ sein soll. Noch während die Teller des Hauptgangs abgeräumt wurden, erzählte er von seiner Pilotfolge „Die glorreiche 70er“, mit der Diskussion am Nachbartisch in der Gaststätte „Zum Römischen Kaiser“, während nebenan der Gewerbeverein gegründet wurde. In seinem 40-minütigen Auftritt erzählte Dachselt rasant seine Umsetzung der Oberurseler Geschichte der letzten 175 Jahre, jeweils mit Cliffhanger der Folgen, bis er einen Blick auf die Zukunft wagte und das 300-jährige Jubiläum im Jahr 2150 und die bis dahin gebaute Talstation der Seilbahn zum Feldberg.
Anschließend lud Moderatorin Annelie Eichhorn-Adler die Gäste dazu ein, gemeinsam ein Geburtstagsständchen für den fokus O. zu singen.
Als letzte persönliche Erinnerung des Abends erzählte Claudia Kaczinski von einer Visitenkartenparty, die von Gabi Wölki organisiert wurde. Kaczinski war damals mit ihrem Unternehmen von Bad Homburg nach Oberursel umgezogen. Aus dieser Party ist damals die Säule der Unternehmerinnen entstanden.
Am Ende des Abends bekamen die anwesenden Autoren der offiziellen Festschrift das neue „Oberursel im Fokus“ Memory Spiel als Dankeschön für ihre Arbeit überreicht.
Wer mehr über die Geschichte des fokus O. erfahren wollte, konnte im Foyer der Stadthalle die Ausstellung besuchen. Dort fand man nicht nur Auszüge aus der Festschrift, sondern auch Exponate wie Inflationsgeld aus dem Jahr 1923, Festschriften der 50, 100 und 125-jährigen Jubiläen und der fokus O. Wertepokal.
Die Ausstellung zieht von Donnerstag, 3. bis Dienstag, 22. April in das Rathausfoyer und kann dort zu den Öffnungszeiten besichtigt werden, anschließend wird sie in der Frankfurter Volksbank zu sehen sein.