Oberursel. Den krönenden Abschluss des Festjahrs der Städtepartnerschaften bildete am Samstag der Bürgerempfang in der Stadthalle. Der Abend begann mit einem Sektempfang für geladene Gäste und die Delegationen aus Épinay-sur-Seine und Rushmoor, gefolgt von einem Büfett mit warmen Speisen. Anschließend wurden die rund 160 Gäste im Auditorium vom Mixed-Generation-Orchestra unter der Leitung von Péter Mayer von der Musikschule Oberursel musikalisch unterhalten.
Die Musiker kamen aus Oberursel, Rushmoor und Épinay-sur-Seine und hatten gerade mal zwei Tage Zeit gehabt, miteinander zu proben. Moderiert wurde der Abend von Susanne Schwarzenberger. Nach Charpentiers „Te Deum“ begrüßte stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Schmitt die Gäste im Saal, anschließend sprachen die Bürgermeister der drei Städte. Bürgermeisterin Antje Runge erinnerte an die Anfänge der Städtepartnerschaften: „Nur knapp ein Jahr nachdem die deutsch-französische Freundschaft mit dem Élysée-Vertrag offiziell besiegelt wurde, wurde die Städtepartnerschaft Épinay-sur-Seine – Oberursel begründet. Das mit dem Élysée-Vertrag verfolgte Ziel, die engen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nicht nur durch eine enge politische Zusammenarbeit, sondern insbesondere durch die Zivilgesellschaften zu stärken, wird mit unserer Städtepartnerschaft seit mittlerweile 60 Jahren überaus erfolgreich mit Leben gefüllt“, sagte sie. „Städtepartnerschaften bedeuten Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz. Sie stehen für Freundschaften und für ein gelebtes Europa, in dem die Demokratie, die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker geachtet werden. Ich bin überzeugt, dass Städtepartnerschaften dazu beitragen, Konflikte in der Welt auf Augenhöhe zu lösen und den Frieden zu fördern.“
Bürgermeister Hervé Chevreau aus Épinay-sur-Seine erinnerte ebenfalls an das Jahr 1964 und die Anfänge der Partnerschaft. „Damals befanden wir uns in einer Zeit des Wiederaufbaus nach mehreren Jahren des Kriegs und der Auseinandersetzungen, die ganz Europa zerrissen hatten. Es galt, eine Beziehung wiederaufzubauen, Verbindungen neu zu knüpfen, einer ganzen Generation neue Horizonte zu eröffnen und der Jugend Frankreichs und Deutschlands einen glücklichen Weg in die Zukunft bereiten“, sagte er. „Städtepartnerschaften sind das, was wir aus ihnen machen: Vielen Dank an alle, die ihre Zeit und Energie der Pflege dieser Freundschaft gewidmet haben, die uns sehr am Herzen liegt. Mehr denn je braucht Europa uns und unser tägliches Engagement, um den Frieden zu bewahren und die Zusammenarbeit zu fördern.“
Bürgermeisterin Mara Makunura aus Rush-moor erwähnte die zahlreichen Austausche, die zwischen den beiden Städten in 35 Jahren stattgefunden haben. „Die beiden Gemeinden arbeiten weiterhin zusammen und haben begonnen, den Austausch von Fachkräften zu entwickeln“, erklärte sie: „Kürzlich verbrachten Vertreter aus Rushmoor, die im Bereich Klimawandel tätig sind, einige Tage damit, sich mit dem entsprechenden Team in Oberursel auszutauschen und zu lernen. Wir hoffen, dass wir diese Art des Austauschs fortsetzen können, um die beruflichen Beziehungen zwischen den beiden Kommunen weiter auszubauen.“
Auch die Bürgermeisterin aus Ursem (Niederlande), Monique Bonsen-Lemmers, war der Einladung gefolgt, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
Nun kamen die Vorsitzenden der Städtepartnerschaftsvereine zu Wort. Der Oberurseler Helmut Egler sagte: „Wir dürfen nie aufhören, uns für unsere Werte zu engagieren“, und sprach von der Notwendigkeit, jüngere Menschen für die Arbeit in den Partnerschaften zu überzeugen. Er zitierte den ehemaligen Bundespräsident Richard von Weizsäcker: „Wo Begegnung ist, wächst Verständnis. Wo Verständnis ist, wächst Freundschaft. Wo Freundschaft ist, wächst der Frieden.“ Andrew Lloyd aus Rushmoor erzählte, wie beeindruckt er war, wie Oberursel die verschiedenen Städte aus verschiedenen Ländern zusammengebracht hatte. Er redete teilweise auf Deutsch und erinnerte an den 2020 verstorbenen Frank Rust, der viele Jahre lang beim englischen Weihnachtsmarktstand im Rathaus anzutreffen war.
Im ersten von zwei Filmbeiträgen erinnerten Guido Faust, Brigitte Geißler-Burschil und Bürgermeister a. D. Hans-Georg Brum an ihre ersten Begegnungen mit Ehrenbürgerin Margarete Portefaix. Sie erzählten von Besuchen des Oberurseler Jugendrings in Épinay und wie Portefaix sich um die Besucher gekümmert hat. Während sie selbst in der Stadthalle war, war Ehrenbürger David Welch aus gesundheitlichen Gründen in England geblieben und hatte seine Grüße per Videobotschaft geschickt. Der 93-Jährige war im Gründungsjahr der Partnerschaft Bürgermeister in Rush-moor und erzählte davon, wie er zum ersten Mal Oberursel besuchte. Es habe leicht geschneit und in diesem Moment habe er sich in die Stadt verliebt.
Nachdem der Verein zur Förderung der Oberurseler Städtepartnerschaften (VFOS) bereits vor zehn Jahren die Bürgermedaille der Stadt erhalten hat, wurde in diesem Jahr passend zu den Jubiläen die Bürgermedaille an den „Sportclub Eintracht Oberursel 1957“ verliehen. Er spielt seit 55 Jahren eine große Rolle, wenn es um die internationalen Begegnungen und den Austausch geht. So richtet der Verein seit 1968 das internationale D-Jugend Pfingstturnier aus. Es gehört zu den ältesten Jugendfußballturnieren in Deutschland und ist seit der zweiten Auflage 1969 international mit Mannschaften aus dem In- und Ausland besetzt. Das Pfingstturnier sei ein traditionell wichtiges Ereignis für den Verein sowie für die Stadt und die Freundschaften mit den Partnerstädten. In diesem Jahr nahmen fast 60 Mannschaften, auch aus Épinay und Rush-moor, teil. Das Turnier sei ein „Leuchtturm der Völkerverständigung“, sagte Runge. „Davon leben Städtepartnerschaften.“ Eintracht-Vorsitzender Udo Peschke bedankte sich stellvertretend für alle Vorstandsmitglieder für die Verleihung der Bürgermedaille und konnte sich auch über vier Fairtrade-Fußbälle für das Pfingstturnier im kommenden Jahr freuen.
Beim Bürgerempfang wurde auch der Jugendförderpreis des Rotary Clubs Oberursel verliehen. Dessen Präsident, Dr. Richard Zacharuk, überreichte den Preis an Schüler der Feldbergschule für ihre Projekte „Wir stolpern – Gegen das Vergessen“ und „Geschichte. Gemeinsam. Gestalten.“ Adrien Meurer (19) erzählte von seinen Beweggründen, im Rahmen des Projekts „Geschichte. Gemeinsam. Gestalten.“ nach Verdun zu fahren, um mehr über den Ersten Weltkrieg zu erfahren. „Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob man von 1000 Opfern spricht oder von 1000 Mal einer Lebensgeschichte. Jeder einzelne Mensch, der gefallen ist, zeigt uns, was Krieg wirklich bedeutet und in welcher grausamen Realität diese Menschen sich wiederfanden“, sagte er. „Wenn man die Berichte liest von einem verstörten Soldaten, der traumatisiert und deshalb nackt mit seinem Gewehr in den Tod stürmt, oder einem anderen, der mit einem Bauchschuss im Sterben noch einen letzten Brief schreibt, dann wird einem klar, wie tiefgehend diese Leidensgeschichten waren“, erklärte Meurer und fügte hinzu, dass er niemand in seinem persönlichen Umfeld hat, der ihm direkt vom Ersten Weltkrieg berichten konnte. Umso wichtiger sei es, die Erinnerungskultur bewusst zu stärken und dem Vergessen aktiv entgegenzuwirken.
Max Jochens (21) erzählte von der Verlegung der Stolpersteine in der Stadt im Rahmen des Projekts „Wir stolpern – Gegen das Vergessen“. Er sei begeistert gewesen von der Idee, in Oberursel der Opfer der NS-Zeit zu gedenken, für viele andere Schüler sei diese Zeit zu abstrakt gewesen. Das habe sich durch einen Besuch des Konzentrationslagers Theresienstadt geändert. Anschließend hätten sich viele mit den Schicksalen der Opfer aus Oberursel beschäftigt und manche hatte Begegnungen mit deren noch lebenden Verwandten. Einer der Stolpersteine wurde sogar in der Straße eingesetzt, in dem Jochens wohnt. Die Geschichte des Menschen, der gezwungen war, seine Heimat zu verlassen, wurde recherchiert. „Das Mädchen hätte meine Mitschülerin sein können“, sagte er nachdenklich.