Heimspiel für den Oberurseler Autor Leonhard Hieronymi

Leonhard Hieronymi liest in der Portstraße aus „In zwangloser Gesellschaft“. Foto: fch

Oberursel (fch). Für Leonhard Hieronymi war die Lesung aus seinem Debütroman „In zwangloser Gesellschaft“ beim Kulturverein LiteraTouren ein Heimspiel. In den Räumen der Portstraße hatten sich Mutter, Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten des in Bad Homburg geborenen und in einer weitverzweigten Familie in Oberursel aufgewachsenen Autors versammelt.

Sein Publikum und damit seine Leser nimmt Leonhard Hieronymi auf 240 Seiten mit auf eine einjährige Reise zu den Gräbern europäischer Schriftsteller, „bei denen ich davon ausgegangen war, dass man sie früher oder später vergessen würde – die also im Begriff waren, für immer zu verschwinden“. Zwangsläufig steht er auch vor Gräbern bekannter Schriftsteller und Künstler und europäischer Geistesgrößen. Seine Spurensuche führt ihn zu Friedhöfen und in Gruften in ganz Europa. Dazu gehören so bekannte Friedhöfe wie der Bogenhausener Friedhof in München, wo prominente Persönlichkeiten wie Erich Kästner, Bernd Eichinger, Helmut Dietl und Rainer Werner Fassbinder ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Doch die Suche nach den Gräbern erwies sich nicht immer als einfach wie etwa die nach dem Grab von Robert Gernhardt auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Oder sie verlief im Nichts wie die nach Science-Fiction-Schriftsteller Karl-Herbert Scheer auf dem Dillinger Friedhof in Friedrichsdorf. Scheer, der auch unter mehreren Pseudonymen veröffentlichte, gehörte zusammen mit Walter Ernsting zu den Verfassern der ersten Bände von „Perry Rhodan“, der größten Heftromanserie der Welt.

Bei seiner Suche auf den Friedhöfen Europas begegnete der Autor anderen Besuchern, Gärtnern, einem Mainzer Totengräber, der „30 000 Leute unter die Erde gebracht“ hat, einem auf dem Akkordeon spielenden Professor, einem Orgelsachverständigen und dem Träger eines großen Namens. Bei ihm handelte es sich um Silver Hesse, den Enkel von Hermann Hesse. Dem Architekten aus Zürich begegnete Leonhard Hieronymi an der Donau in Rumänien an der Grenze zu Bulgarien. Mit vollem Mund teilte er ihm mit, dass er nicht so gerne esse und den „furchtbaren Kult ums Essen und Kochen“ für völlig überbewertet halte.

In Oberursel litt der Autor augenscheinlich unter einem akuten Flüssigkeitsmangel, den er fortwährend zwischen Zitaten und Passagen aus seinem Buch stillte. Er illustrierte das Gesagte mit zahlreichen Fotos und eingespielten Audiodateien. Den Besuchern der Lesung hätte ein Konzept das Zuhören wesentlich erleichtert, da der Autor nicht im heimischen Wohnzimmer las, sondern auf einer Bühne.

Verschwinden ist Luxus

Anlass für seine Reise und seine Spurensuche entlang der Grabsteine Europas, um herauszufinden „wie nahe man dem Verschwinden wirklich kommen“ kann, war ein Lachanfall in den Katakomben von Rom. Dort, in der Kallistus-Katakombe schließt sich ein Kreis im Roman wieder. In einem Brief, aus dem Leonhard Hieronymi zitiert, sagt Harry Rowohlt zu Karl-Otto Saur: „Nichts geht verloren, fast jeder Kreis schließt sich.“ Am Ende seiner Reise, die reich an verrückten Begegnungen und Begebenheiten ist, kommt Leonhard Hieronymi zum Schluss „Verschwinden ist Luxus“.



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