Oberursel. Nachdem die Veranstaltung „Jazz meets Mühle“ coronabedingt in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen war, kehrte sie in diesem Jahr am Deutschen Mühlentag größer denn je mit zwei neuen Standorten zum Jubiläum zurück. Vor zehn Jahren hat „Jazz meets Mühle“ erstmals stattgefunden.
Der Bereich vor dem Naturfreundehaus am Bachpfädchen, einst die Schuckardtsmühle, füllte sich kurz vor 11 Uhr am Pfingstmontag, bevor der Vorsitzende des Kultur- und Sportfördervereins Oberursel (KSfO), Bernd Lienhard, das Publikum begrüßte und das Programm erklärte. Zur Verbindung zwischen Jazz und Mühlen meinte er mit Blick auf das Kinderlied „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“, er sehe eine Verbindung zwischen dem Rhythmus des Lieds und die wichtige Rolle des Rhythmus beim Jazz. „Jazz lebt auch vom Flow“, so sein zweites Argument, genauso wie das Wasser im Bach fließt.
Bürgermeisterin Antje Runge bedankte sich beim KSfO und bei den Sponsoren. Mit Blick auf die Rolle der 16 Wassermühlen die einst in Oberursel Energie produzierten, stellte sie fest, dass das Wasserrad am Naturfreundehaus nicht zur Produktion von Energie verwendet werde, sondern sogar Energie verbrauche. Dem wolle sie nachgehen und versuchen, das zu ändern. Auch Brunnenkönigin Verena I. und Brunnenmeister Andreas waren bei der Eröffnung dabei und Verena überreichte an den stellvertretenden Vorsitzenden der Naturfreunde, Achim Schewe, ihren Bembel.
Musikalisch fing der Tag an der Schuckardtsmühle mit dem „Duo Clarino“ an. Zur Einstimmung spielte es ein Stück vom „berühmtesten Müller allerzeiten“ – Glenn Millers „In the Mood“ –, bevor sie mit ihrem Dixieland-Jazz-Repertoire weitermachten. Außer Bratwürsten servierten die Mitglieder der Naturfreunde Brezeln und Spundekäs, solange der Vorrat reichte.
In diesem Jahr fingen die Bands an allen sieben Standorten um 11 Uhr und um 14 Uhr an zu spielen. In der Herrenmühle an der Bleiche machten die „Passion Friends“ mit Mitja Skoberne den Anfang mit entspannten Standards, während dem Publikum „Pulled Turkey“, ungarische Gulaschsuppe und indonesische Linsen-Curry-Suppe serviert wurde. Vor den Toren hatte Sehad Cobic seinen mobilen T-Shirt-Laden mit „Jazz meets Mühle“ T-Shirts aufgebaut. Um die Ecke im schattigen Sommergarten des Gastshauses „Zum Schwanen“ ging es französisch zur Sache mit der Gruppe „Gare du Jazz Francfort“, begleitet von „Ursel-Hot-Dogs“ und Handkäse. Die Gaststätte nahm zum zweiten Mal in diesem Jahr an der Veranstaltung teil.
Im Hof des Vortaunusmuseums spielte den ganzen Tag „The Organic Soul Trio“ mit Wolfgang Roggenkamp, Quincy Kline & Gäste. Roggenkamm, der morgens aus Bremen angereist war, hatte unter anderem den Oberurseler Jan Weiling als Gast-Saxophonisten dabei. Zu den Soul-Klängen bot der „Ratskeller“ Ochsenbäckchen-Burger, Fish and Chips, sowie Couscous mit mediterranem Grillkäse an. Der Hof an der Hospitalkirche mag nicht auf dem ersten Blick als Mühlenstandort zu erkennen sein, dennoch stand gegenüber früher die Lohmühle Baldes, auch Brauns Walkmühle genannt, und das Wasser floss im offenen Mühlengraben. 1962 wurde das Gebäude abgerissen, um Platz für das damals neue Alberti Gebäude zu machen. Während Mitglieder des Seniorentreffs Bratwürste und Waffeln an die Besucher des vollen Hofes verkauften, spielten die „New Orleans Joymakers“ ihren „Blues“.
Als neuer Standort in diesem Jahr war der Rathausplatz dabei. Bis 1936 war dort die Götz-Mühle im Einsatz, eine Mahlmühle. Als der Werkgraben 1966 verrohrt wurde, entfernte die Stadt das Wasserrad, 1981 wurden schließlich alle Gebäude abgerissen, um Platz für die Stadthalle zu machen. Hier spielte vormittags das „Powerhaus Swingtett“. Ebenfalls als neuer Standort dabei war die Aumühle, unter anderem um das neue Wohnprojekt einzuweihen. Im Hof vor dem Gebäude hatte Jürgen Ochs ein Zelt aufgebaut mit Apfelwein, Apfelsaft und seinen „Öchsle“. Nebenan gab es Grüne Soße mit Eiern und Kartoffeln sowie Handkäse. Auf der Bühne spielte die Gruppe „Interplay“ ein Repertoire aus bekannten und weniger bekannten Modern-Jazz-Standards, Bossa-Nova-Klassikern, Eigenkompositionen sowie italienischen Canzoni der 60er-Jahre.Am Nachmittag in der zweiten Runde spielte dort die Gruppe „Tiefenrausch Klangkombinat“ ihr Symbiose unterschiedlicher Elemente aus Funk, Jazz, Pop und Worldmusic.
Zurück am Rathausplatz war das Publikum in Tanzstimmung, als die Gruppe „Huepa jazz latino“ mit ihrer Sängerin Cary Cuellar aus Kuba Stücke aus Lateinamerika spielte, darunter „What a Difference a Day Makes“ als Bolero. Im Hof der Hospitalkirche kehrte – passend zum dortigen Denkmal – jüdische Stimmung ein mit der „Roman Kuperschmidt Klezmer Band“, während im Sommergarten an der Gaststätte „Zum Schwanen“ am Nachmittag das „Duo Yannick Monot und Held Oncale“ spielte. An der Herrenmühle betrat als zweite Band die „Karma Jazz Group“ mit Natalya Karmazin die Bühne mit ihrem klassischen Jazzstil. Wer dann die ganze Strecke zurück zur Schuckardtsmühle schaffte, war nicht nur etwa acht Kilometer gelaufen, sondern wurde von Weitem durch die Töne der „Georg Boessner Vier“ und ihrer Musik im elektronischen Stil der 70er-Jahre begrüßt – und von der Nachricht, dass der beliebte Spundekäse ausverkauft war.
Alle sieben Standorte waren gut besucht, das Wetter spielte mit, und das Orscheler Volk konnte sich endlich bei Musik und gutem Essen wieder draußen treffen. Ex-Bürgermeister Gerd Krämer kommentierte auf Facebook: „Das Brunnenfest kann kommen – unsere Majestät ist bereit.“ Und alle anderen auch.