Ein Käfig für den Abgeordneten Lutz

Oberursel (js). Alle haben es gewusst, alle wurden in einem Schreiben von Stadtverordnetenvorsteher Gerd Krämer darüber informiert. Alle Parlamentarier, alle Mitglieder des Magistrats, alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die Zuschauer wussten es spätestens nach der Eingangskontrolle. Die „Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (CoKo-Bev)“ in gültiger Fassung war Grundlage für Krämer, angesichts der weiter stetig steigenden und „dramatisch hohen“ Infektionszahlen vom Hausrecht des Stadtverordnetenvorstehers Gebrauch zu machen und die Maske anzuordnen. Für alle, im Foyer und im Saal der Stadthalle, während der gesamten Sitzung des Stadtparlaments. Zur Gesundheitsvorsorge und zur Sicherheit aller. Alle haben sich daran gehalten, nur einer nicht, der AfD-Abgeordnete Peter Lutz.

Lutz, der kürzlich angekündigt hat, Bürgermeister werden zu wollen, hat dem Stadtverordnetenvorsteher keine ärztliche Bescheinigung zur Befreiung vom Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung vorgelegt. Er will das einfach nicht, er weigert sich aus Prinzip, die Maske passt nicht in sein Konzept. Sein Kreistagsmandat hat er im Streit darüber schon zurückgegeben, im Bau- und Umweltausschuss haben sie ihm aufgrund seiner Weigerung letztens eine Art Käfig auf den Tisch gestellt, einen großen Kasten aus einem Holzrahmen mit transparenter Folie. Es war mehr als ein Grummeln, das da durch die Stadthalle brummte, als der AfD-Fraktionssprecher sich auch auf Aufforderung durch Parlamentschef Gerd Krämer weigerte, Mund und Nase zu bedecken. „Unglaublich“, rief einer, „Pfui, schämen Sie sich“, ein anderer, die Empörung ob der Ignoranz des AfD-Mannes gegenüber der Anordnung und ob des verweigerten Gesundheitsschutzes gegenüber den restlichen Frauen und Männern im Parlament und im Zuschauerraum führte noch vor Beginn der Sitzung knapp am Eklat und am Rausschmiss des Abgeordneten Peter Lutz vorbei. „Noch unkollegialer als Sie sich verhalten, geht es kaum“, rief ein Abgeordneter, der frisch operiert erstmals wieder mit dabei war. „Schämen Sie sich!“

Gerd Krämer hatte da bereits versucht, den Widerspenstigen zur Ordnung zu rufen und an dessen „Anstand“ appelliert. Ein bisschen davon solle doch „auch bei ihm noch sein“. Den daraufhin verordneten Schutzkäfig aus Holz und Plexiglas auf dem Tisch in der ersten Reihe duldete Lutz nur während einer Gedenkminute für die Opfer der jüngsten Terroranschläge, danach stellte er ihn wieder eigenmächtig auf den Boden und widersetzte sich damit zum zweiten Mal einer Anordnung des Stadtverordnetenvorstehers. Der Sturm der Entrüstung im hohen Haus schwoll an und es fiel Gerd Krämer sichtlich schwer, nicht die „Rote Karte“ zu ziehen, die sich der Abgeordnete Lutz inzwischen redlich verdient hatte, weil auch er verpflichtet ist, sich an die Spielregeln zu halten. Auch wenn ihn das Grundgesetz als Mandatsträger mehr schützt als etwa einen Pressevertreter oder Zuschauer im Raum, die einfacher des Saales zu verweisen sind. Für alle hatte Krämer virensichere FFP-2-Masken bereitlegen lassen, alle außer Lutz haben sich an die Spielregeln gehalten. Das eigenhändige Zurückstellen des Käfigs auf den Tisch hat ihn vor dem Eklat bewahrt, denn „ungebührliches Verhalten ist zu sanktionieren“, so Krämer. Danach hat Herr Lutz demonstrativ erstmal eine Weile Zeitung gelesen.



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