Kein Brunnenfest, kein Orscheler Sommer

Bei „Yoga im Park“ zeigt sich der Orscheler Sommer von seiner sportiv-meditativen Seite. Ein absoluter Renner war der Newcomer im vergangenen Jahr, schon zur ersten von vier Sessions mit fachkundiger Anleitung kamen rund 70 Yoga-Fans in den Rushmoor-Park. Foto: js

Oberursel (js/ow). Die Oberurseler feiern gern. Sie feiern mit Tausenden von Gästen aus der Umgebung beim Brunnenfest ebenso gern wie eher unter sich bei den vielfältigen kleineren Anlässen im Rahmen des Orscheler Sommers. Beides fällt der Corona-Krise zum Opfer, wie es scheint. Der Virus bestimmt wohl noch länger das öffentliche und gesellschaftliche Leben. Zum Leidwesen von Geschäftsleuten, Künstlern, Gastronomen, Vereinen und allen Menschen.

„Wir hoffen, aber wir können wenig versprechen.“ Ein klares Nein, eine deutliche Absage wie der Kurdirektor in der Nachbarstadt Bad Homburg muss Dirk Müller-Kästner (noch) nicht formulieren. „Wir wollen unbedingt, wir können auch spontan, aber wir werden nichts machen, was nicht durch ein ‚Go‘ von oben freigegeben ist“. Das ist der Vorteil des „Orscheler Sommers“, er kann zur Not auch mit Einzelveranstaltungen daherkommen, als geplantes improvisiertes Freispiel sozusagen. Dirk Müller-Kästner, als Vorsitzender des veranstaltenden Vereins „Kunstgriff“ qua Amt verantwortlich für das beliebte Sommer-Kultur-Spektakel, ist mit seinen Gefolgsleuten und den Partnern aus vielen Vereinen und Institutionen offen für jede Variante. Besser ein „Sommer“ mit kleinem Programm und spontanen Events als mit gar keinem Programm.

Natürlich hat die Spontaneität auch beim nachgewiesen improvisationstauglichen „Kunstgriff“ Grenzen. Alle machen das zum Spaß und haben neben der Planung, Organisation und Durchführung der zahlreichen Veranstaltungen des „Orscheler Sommers“ vom traditionellen Fischerstechen im Juni bis zum abschließenden Friedensfest im September noch ein anderes Leben. „Wir sind dabei, das Programm zu entwerfen, wir verfolgen das, aber wenn’s nicht geht, dann geht’s eben nicht“, sagt Dirk Müller-Kästner. So ist das halt, scheinbar relativ unkompliziert, es steckt kein Kurstadt-Etat hinter dem Projekt, weniger teure Verträge mit Künstlern, die Logistik ist zumindest bei einigen geplanten Veranstaltungen auch spontan zu bewältigen.

Alternative „Orscheler Winter“

Wäre halt im Einzelfall zu klären, welche Vorgaben einzuhalten sind, sollte es zu einer Lockerung des derzeit angesagten „Social Distancing“ kommen. Aber nichts ohne Absprache mit der Stadt, keine noch so kleine Veranstaltung mit Gesundheitsgefährdung, „und bei einer Begrenzung der Besucheranzahl lassen wir es lieber“, so Müller-Kästner. Auch ein „zeitlich gestreckter Rahmen für das Sommerprogramm ist keine Option“. Die kürzlich lancierte Meldung, man könne aus dem „Orscheler Sommer“ ja notfalls auch einen „Orscheler Winter“ machen, sei nur ein Spaß gewesen.

Ein gedrucktes Programm gibt es noch nicht, gefahren wird auf Sicht, wie es heute überall heißt. Noch steht das traditionelle Fischerstechen auf dem Maasgrundweiher als Eröffnungsveranstaltung am 20. Juni auf dem Plan, ob es dazu kommt, wer weiß das heute schon. Das vorgesehene „Begegnungsfest“ der Kulturen in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Verein Windrose eine Woche danach, Rock-Konzerte und Zauberabend im Rush-moor-Park, ein Nachtkonzert mit der Musikschule und Chören und Sinfoniekonzert auf der Bleiche – alles ist noch in der Schwebe. Auch ein neues Highlight im Programm, eine Nachtwanderung auf den Altkönig, um dort, beseelt vom alten Keltengeist, den Sonnenaufgang zu erleben, kann nicht wirklich verbindlich angekündigt werden. Für den 12. Juli ist die Pilgertour geplant, neuer Partner im Kunstgriff-Planungsboot ist der Verein zur Förderung der Oberurseler Städtepartnerschaften (VFOS).

Nahezu ohne Genehmigung könnte indes der Kunstgriff das traditionelle Pre-Opening am Tag vor dem Fischerstechen inszenieren. Beim Stelzenlauf zur Verteilung der Programme durch die Innenstadt könnten die Akteure leicht in doppelter Hinsicht Abstand halten. Zwei Meter in der Höhe und zwei Meter in der Tiefe – natürlich mit Mundschutz.

Brunnenstadt ohne Heimatfest

Grübelt man im Verein Kunstgriff noch über die Durchführbarkeit einzelner Veranstaltungen, so scheint das Schicksal des größten Fests im Orscheler Jahreslauf, des vom Vereinsring Oberursel veranstalteten Brunnenfests, bereits besiegelt zu sein. „Aufgrund der rasanten Entwicklung im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 empfiehlt die Bundes- und Landesregierung, vorerst alle Veranstaltungen bis auf Weiteres abzusagen. Daher müssen wir schweren Herzens das Brunnenfest Anfang Juni ausfallen lassen – zum Wohl und Schutz der Bevölkerung“, heißt es in einer Mitteilung des Vereinsrings, die außer dem Vorsitzenden Ludwig Reuscher auch der Chef des Brunnenfest-Ausschusses Thomas Förder und Bürgermeister Hans-Georg Brum unterzeichnet haben. Natürlich sei im Vereinsring die Frage gestellt worden, ob das Brunnenfest nicht auch im Spätsommer stattfinden könne.

„Zum derzeitigen Zeitpunkt fehlt uns die Planungssicherheit – niemand kann vorhersehen, wie lange die Epidemie andauert, wie lange die derzeitigen Beschränkungen unsere Bewegungsfreiheit einschränken werden“, so Förder. Reuscher will nicht ausschließen, dass im Falle einer Lockerung der Beschränkungen zum Beginn der Sommermonate „ein alternatives Brunnenfest“ diskutiert werden könne. Dies setze allerdings voraus, dass ein geeigneter Wochenendtermin zu finden sei. Denn wenn die Beschränkungen aufgehoben werden, sei damit zu rechnen, dass „sicherlich jedes Wochenende geplante wie auch nachgeholte Veranstaltungen“ stattfinden. Wenn überhaupt, sei nur an „ein abgespecktes Brunnenfest rund um den Marktplatz, vielleicht nur unter Beteiligung der Vereine“ zu denken. Da vor dem Ausbruch der Epidemie nur wenige Standbetreiber die Standmiete bereits überwiesen hatten – dieses Geld wird zeitnah zurücküberwiesen – hält sich die Rückabwicklung für den Vereinsring noch in vertretbaren Grenzen.

Königin zeigt Größe

Hauptleidtragende ist Verena Schmidt, die als designierte Brunnenkönigin Verena I. schon in den Startlöchern stand. Mit dem für 21. März geplanten Krönungsball wäre die Amtszeit der amtierenden Brunnenkönigin Pia I. zu Ende gegangen, und Verena I. hätte die Aufgaben das Amt nahtlos übernehmen können, erklärt die stellvertretende Vereinsring-Vorsitzende und langjährige Betreuerin der Brunnenkönigin, Christine Förder. Doch diese Veranstaltung wurde schon aufgrund der Epidemie abgesagt. „Ich hatte mich sehr auf die kommenden Monate gefreut, auf all die Feste und Veranstaltungen, die ich als Brunnenkönigin besucht hätte“, sagt Verena und fährt fort: „Aber da in absehbarer Zeit keine Termine für die Brunnenkönigin anstehen werden, da alles aufgrund der Epidemie abgesagt oder verschoben ist, besteht auch kein konkreter Handlungsbedarf für eine Brunnenkönigin.“

Das Brunnenfest jetzt abzusagen, sei richtig: „Der Schutz der Bevölkerung geht vor. Vom Vereinsring habe ich schon die Zusage bekommen, dass meine Amtszeit um ein Jahr verlängert wird. Ich werde dann erst in 2021 mein Amt ausfüllen, und darauf freue ich mich jetzt schon.“ Reuscher verspricht: „Sobald es die allgemeine Situation zulässt, werden wir in einem kleinen Kreis die Inthronisation nachholen. Aus unserer Sicht ist Verena I bereits unsere amtierende Brunnenkönigin, auch ohne offizielle Übergabe der Insignien.“ Auch die Weihe des Alfred-Delp-Brunnens müsse abgesagt werden, aber dies sei sicherlich ebenfalls nur aufgeschoben.

„Das jährliche Brunnenfest ist das gesellschaftliche Highlight in unserer Brunnenstadt, viele Menschen freuen sich auf diese Veranstaltung. Aber alles andere als eine Absage wäre in der derzeitigen Situation unverantwortlich“, sagt Bürgermeister Hans-Georg Brum hierzu. Das Brunnenfest jetzt abzusagen, schaffe klare Verhältnisse für alle Standbetreiber, für die Gastronomie und für die Schausteller und vermeide unnötige Kosten, die während der Planung angefallen wären. „Die Entscheidung vom Vereinsring Oberursel ist nachvollziehbar und wird im vollen Umfang von der Stadt Oberursel unterstützt.“

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