Matthöfer-Haus feiert ein ganzes Jahr „100 Jahre Awo“

Ein Hingucker ist die Fassade des Hauptgebäudes. 2008 hat der spanische Künstler Rivera mit vier Malerkollegen ein bisschen Mathildenhöhe mit dem Eingangsturm gespielt und dem nüchternen Zweckbau des Matthöfer-Hauses Jugendstil-Flair verliehen.Foto: Streicher

Oberursel (js). Mit der Einweihung der „Gudd Stubb“ hat es das Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus sogar ins große 100-Jahre-Feier-Programm der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (Awo) mit zahlreichen Veranstaltungen im Jahreslauf geschafft. Die Eröffnung des „Erinnerungszimmers“ im Wohnbereich „Zum Fuchstanz“ im April war sozusagen der interne Auftakt im Jahr der Jubiläen. Vom „wundervollen Baustein in der Allianz gegen Demenz“ sprach da Sozialdezernent Christof Fink, die „Gudd Stubb“ ist ein Raum für Begegnungen und kleine Feste, ein Raum für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, und für ihre Angehörigen, ein Raum mit vielen „Erinnerungsankern“ im Mobiliar und der Ausstattung, der im Alten- und Pflegeheim sehr gut ankommt. Bis in den Advent bietet die Awo noch acht Veranstaltungen im Jubiläumsjahr, ein Höhepunkt soll der Empfang im Rathaus mit Bürgermeister Hans-Georg Brum, vielen geladenen Gästen und der Ausstellung „100 Jahre Awo“ im September werden.

Ein Doppeljubiläum annonciert die Oberurseler Awo im 100. Jahr der Arbeiterwohlfahrt, die 1919 gegründet wurde. Streng genommen stimmt das gar nicht, denn zwar feiert das Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus 45 Jahre nach der Eröffnung – damals noch als Georg-Stangel-Haus – ein etwas schräges Jubiläum, doch auf 100 Jahre kann sich der Awo-Ortsverein nicht berufen. Er besteht nachweislich erst seit 1931. Als Anfang 2012 der 80. Geburtstag der Organisation gefeiert wurde, hieß es schon, dass die Vorsitzende Elisabeth Knoth fast so alt ist wie der Ortsverein. Ungefähr ihr halbes Leben hat sie den Job an der Spitze gemacht, beim Sektempfang hat damals keiner laut „hier“ geschrien, als mal wieder darüber sinniert wurde, wer denn das Steuer bei der örtlichen Awo übernehmen könnte. Elisabeth Knoth, heute 86 Jahre alt, wird viel über dieses Thema erzählen können, wenn sie am Brunnenfestsonntag, 16. Juni, zum Interview auf der „Roten Couch“ Platz nehmen wird.

Natürlich hat Elisabeth Knoth weitergemacht, solange ihre Nachfolge ungeklärt war. Sie hat die Arbeit ja immer gern getan. Das ist ihr Verständnis, denn Arbeiterwohlfahrt hat mit Arbeit zu tun und ist mehr ein Stück Leben als ein Job. Dass sie so lange an der Spitze stand, ist Beleg für das Nachwuchsproblem bei der Aworbeiterwohlfahrt, die als Kind der Sozialdemokratie gegründet wurde, um bedürftigen und notleidenden Menschen ohne konfessionelle oder parteipolitische Bindung zu helfen. Das strukturelle Problem ist heute wie damals aktuell. Im Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus, wo die Menschen für ihren Dienst am Menschen bezahlt werden, versucht man dem Fachkräftemangel mit guten Arbeitsbedingungen, mit Tarifvertrag und Job-Ticket zu begegnen. Im Netzwerk Pflege ist das Heim vertreten, bei der Oberurseler „Ausbildungstour“ konnte laut Christiane Rink „viel Interesse erzeugt werden“. Mit Pflegedienstleiterin Leyla Saglam bildet die Diplom-Pädagogin Rink die „Kollegiale Zentrumsleitung“, wie sie es hier nennen.

Der Arbeiterwohlfahrt und ihrem liberalen Leitbild mit den zentralen Werten und Maximen von Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit fühlen sich im über die Jahre immer wieder modernisierten Heim alle verpflichtet. Fachlich kompetent, innovativ und verlässlich wollen sie sein, den geschichtlichen Hintergrund als Teil der Arbeiterbewegung nie verleugnen, soziale Dienstleistungen mit hoher Qualität anbieten. Auch in der „schweren Zeit des Umbaus, die wir hinter uns haben“, so Christiane Rink, die „Herausforderung“ Neubau und Altbausanierung in den vergangenen Jahren haben sie heil überstanden. Persönlicher Einsatz und persönliche Nähe wird groß geschrieben im „Matthöfer-Haus“, wie es der Einfachheit halber meist genannt wird. Mit 143 Betten gehört es zu den mittelgroßen Einrichtungen im Awo-Verbund. „Ich kenne noch immer die Namen aller Bewohner“, sagt Rink nicht ohne Stolz.

Die Arbeiterwohlfahrt indes ist für viele Menschen längst nicht mehr so bekannt wie sie das einst war. Rink: „Man weiß nicht mehr so genau, Awo, was ist das?“ Das stellen sie heute immer wieder fest. „Es wird Zeit, dass das mal wieder ins Licht gerückt wird.“ Als „offenes Haus“ versteht sich das Matthöfer-Haus, das den Namen des ehemaligen Bundesministers und seiner Frau nun auch schon zehn Jahre trägt, ohnehin. Im Jubiläumsjahr der Awo soll das durch zusätzliche Veranstaltungen außerhalb des Standardprogramms noch verstärkt nach außen getragen werden. Nach dem Interview-Vormittag auf dem „Roten Sofa“ etwa mit einem großen Sommerfest am 25. August unter dem Motto „45 Jahre Pflege mit dem roten Herzen“ mit Klezmermusik und zwei weiteren Bands, mit der Ausstellung „100 Jahre Awo“, einem Klavierkonzert im Oktober, mit einem Festakt zur Ehrung ehrenamtlicher Mitarbeiter von Beginn an, mit Oktoberfest und Weihnachtskonzert. Elisabeth Knoth wird eine derjenigen vom alten Schrot und Korn der Arbeiterwohlfahrt sein, die möglichst oft dabei ist.

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