„Wir sind mittendrin und nicht nur dabei“

Sie wohnen am Marktplatz und sie lieben ihren Marktplatz (v. l.): Antje und Klaus Winkler, Petra und Michael Ruppel, Edeltraud Lintelow und Wolfgang Wahls sowie Yvonn und Patrick Volz mit ihrem Sohn. Foto: js

Oberursel (js). Der Marktplatz ist das Herz von Alt-Orschel. Für Sonntagsreden und Lippenbekenntnisse taugt diese Einstellung immer. Aber wo sind Ideen zu seiner Weiterentwicklung? Was könnte man noch aus dem immer noch mittelalterlich anmutenden Platz in der Neuzeit machen? Was würde ihm gut zu Gesicht stehen, den Status Quo positiv verändern? Bewohner des Marktplatzes und Menschen aus seinem Umfeld haben dazu die Männer und eine Frau befragt, die am 14. März Bürgermeister Hans-Georg Brum beerben wollen. Live und in einem ganz besonderen Ambiente und einem ungewöhnlichen Format, im Friseursalon von Michael und Petra Ruppel direkt am Puls des Platzes. Jürgen Streicher hat im Nachgang mit den Initiatoren geredet.

Sie haben den Herren und der Dame, die das Bürgermeisteramt übernehmen wollen, ordentlich den Kopf gewaschen. Haben alle den Härtetest im Kreuzverhör mit „Wohlfühlpaket“ gut überstanden und auch bestanden?

Edeltraud Lintelow: Wir waren schon positiv überrascht, dass die Kandidat sich auf dieses ungewöhnliche Format eingelassen haben. Es war natürlich kein Härtetest und kein Kreuzverhör. Das hätte nicht unserer Vorstellung von Politik entsprochen. Es ging nicht darum, jemanden fertig zu machen, sondern vielmehr darum, über unsere Anliegen ins Gespräch zu kommen. Alle, die sich eingelassen haben, haben somit bestanden. Wer sich allerdings nicht an das explizit vom Gesundheitsamt genehmigte Hygienekonzept halten mochte, konnte seine Interessen hier bei uns eben nicht vertreten.

Wo schüttet man sein Herz aus? Beim Friseur. Das war die Annahme. Plaudern in trotz Maske angenehmer Atmosphäre, authentisch und ungeschminkt. Haben die anderen Kandidaten außer dem Verweigerer im Friseursalon denn ihr Herz geöffnet?

Michael Ruppel: Es war deutlich zu sehen, dass alle sich wohl gefühlt haben. Wir haben, wie immer bei mir im Salon, geschwätzt, gelacht und sind nicht immer einer Meinung gewesen. Nett war es. Und für einige war es die letzte Gelegenheit, zum Friseur zu kommen vor dem erneuten Lockdown. War da überhaupt eine Kamera und ein Mikrofon?

Nun ja, der Friseur war an keine Schweigepflicht gebunden, die wichtigste Regel also aufgehoben. Schlimmer noch, beim Projekt „Mittendrin statt nur dabei“ können alle zuhören und zusehen. Alles ist öffentlich im Netz. Wie haben die Kandidaten diese besondere Situation gemeistert?

Michael Ruppel: Das war überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil wurde das Format von einigen auch auf der eigenen Website eingebunden und geteilt. Das persönliche Gespräch fehlt uns doch allen im Moment. Umso besser also, dass wir das anbieten konnten.

Im Gespräch ging es eindeutig und klar formuliert um fokussierte Interessen der Bewohner des Quartiers rund um den Marktplatz. Überwiegen nach den Gesprächen die Gemeinsamkeiten?

Edeltraud Lintelow: Das war besonders interessant. Alle Kandidaten haben eine Beziehung zum Marktplatz. Da wurden die netten, immer positiv besetzten Geschichten aus der Kindheit geteilt, etwa die auf dem Weg zur Schule Mitte, vom Tütchen Sahne, das man bei Milch-Nüchter gekauft hat. Aber gleichzeitig hat mich erstaunt, dass es noch keinem aufgefallen ist, dass das Pflaster für alle alten Menschen zu allen Tageszeiten schwierig ist. Da sind andere Städte nicht nur mit Konzepten, auch mit der Umsetzung weiter.

Patrick Volz: Auf heute bezogen hatten wir alle das Gefühl, dass der Marktplatz von allen als die Mitte der Stadt erkannt wird, aber nicht immer klar ist, was dies denn eigentlich bedeutet. Definitiv also Gemeinsamkeiten.

Klaus Winkler: Allen Kandidaten scheint es klar, dass die Pflege des Marktplatzes notwendig ist. Kein Abnutzen, sondern eine stetige Weiterentwicklung. Trotzdem hatte das keiner auf dem Radar und erst recht kein Konzept dafür. Und wie und wo weitere Plätze in der Altstadt mit Aufenthaltsqualität geschaffen werden können, etwa in der Strackgasse, war keinem wirklich bewusst.

Auch mit Blick auf Handel und Gewerbe, die am Marktplatz eine wichtige Rolle spielen?

Michael Ruppel: Ganz einfach: Der Erzeugermarkt am Samstag gehört auf den Marktplatz. Jeden Samstag. Das brauchen wir als Gewerbetreibende in der gesamten Altstadt. Und das hat uns die Mehrheit im Gespräch auch klar bestätigt. Wir sind offen für einen Probelauf mit teilweiser Sperrung beziehungsweise Verkehrsberuhigung und Verweilmöglichkeiten auf der vergrößerten Fläche auf dem Marktplatz in naher Zukunft.

Und? Wer macht das Rennen, wen können Sie wählen? Gibt es Favoriten, die sich die meisten Pluspunkte verdient haben?

Edeltraud Lintelow: Na, das ist doch klar, dass wir diese Frage nicht beantworten werden. Wir sind erstaunt, dass einige Kandidaten nach wie vor glauben, dass sich in Oberursel-Mitte an jedem Samstag zwei Plätze gleichzeitig sinnvoll bespielen lassen. Das ist doch nichts Ganzes und nichts Halbes! Gewinner sind für uns die, die erkennen, dass Aufenthaltsqualität in der Stadt und natürlich auch auf dem Marktplatz, nicht an das Bestellen von Essen und Getränken gebunden sein muss. Das sehen wir doch zurzeit so schön: Wo eine Bank in der Altstadt ist, wird sie genutzt. So soll es sein!

Wie wichtig ist das Thema im Wahlkampf?

Klaus Winkler: Der Marktplatz ist das Herz von Orschel. Und da geht es nicht nur um den Markt am Samstag. Es geht um den pfleglichen Umgang mit dem, was wir schon haben und lieben. Es geht um Verkehrsentwicklung in der Stadt. Es geht um die Schaffung urbanen Lebens. Es geht darum, dass sich alle Menschen in unserer Stadt wohl fühlen können. Und das sind alles ziemlich wichtige Wahlkampfthemen für ganz Oberursel. Unser Motto passt doch: Wir sind mittendrin und nicht nur dabei!

Wissen Sie, wie viele Oberurseler den Kandidaten-Check im Netz wahrgenommen haben und wie die Aktion angekommen ist?

Klaus Winkler: Wir haben uns das auf unserer Website genau angeschaut. Es gab definitiv mehr Zugriffe als Bewohner am Marktplatz. Interessant fanden wir, dass es die nicht nur aus Oberursel, sondern aus dem ganzen Hochtaunuskreis gab und auch deutschlandweit, und sogar ein paar internationale. Insgesamt waren es bisher schon ein paar hundert Zugriffe pro Woche. Eine Wahlprognose können wir daraus nicht ableiten: Die sieben Interviews wurden ziemlich gleichmäßig verteilt angeschaut.

Hand aufs Herz und jetzt mal selbst ganz offen im Friseursalon: Was ist rausgekommen?

Patrick Volz: Wir hatten viel Spaß bei der Planung und mit der Umsetzung eines ganz neuen Formats in Orschel. Und mit einem Augenzwinkern haben wir dabei die Kandidaten und deren Vorstellungen rund um den Marktplatz und die Altstadt kennengelernt.

Edeltraud Lintelow: Bei unseren Vorbereitungen online im Marktplatz-Zoom am Sonntagabend ist so manches Glas Wein geleert worden. Beim nächsten Mal laden wir dann noch den Shanty-Chor ein, machen den Salon voll mit Menschen, wenn es dann wieder geht. Und eigentlich sind wir der Meinung, dass dieses Format Grimme-Preis-verdächtig ist. Es muss uns halt nur noch jemand entdecken.

Klaus Winkler: Vielleicht ist es uns ja sogar gelungen, allen mit auf den Weg zu geben, dass wir nicht immer noch mehr Konzepte und Studien brauchen, die irgendwo abgelegt werden, sondern dass es nötig ist, auch mal Dinge anzupacken, umzusetzen und auszuprobieren. Wir machen ja gerne mit, aber dazu müssen wir erstmal anfangen. Miteinander statt aneinander vorbei.

Was ist Ihnen aufgefallen, was schließen Sie daraus? Wen wird die „Marktplatz-Gang“ wählen?

Michael Ruppel: Es lohnt sich, sich für den Marktplatz und den Samstagsmarkt zu engagieren. Gemeinsam gestalten und nicht verhindern, miteinander reden. Dann finden wir auch gemeinsam mit den zuständigen Stellen gute Lösungen. Und wir wählen … Auf alle Fälle demokratisch und jeder für sich richtig!

!Alle Interviews können im Internet unter www.marktplatz-waschen-schneiden-reden.de nachverfolgt werden.



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