Mit purer Kraft und Körperbeherrschung

Felix Huwe zeigt, was im neuen Calisthenics-Park so alles möglich ist. Foto: Streicher

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Das erste Fitness-Studio unter freiem Himmel in der selbsternannten „Sportstadt Oberursel“ ist eröffnet. Der Eintritt ist frei, Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben, das Studio ist rund um die Uhr geöffnet und steht allen offen, die es gelüstet, ein wenig Körperarbeit an sich selbst zu leisten. Der „Calisthenics-Sportpark“ am südöstlichen Rand des Rushmoor-Parks im unteren Maasgrund soll dem Trend gerecht werden, dass sich Menschen „heute“ verstärkt sportliche Betätigungsfelder im öffentlichen Raum suchen.

Das jedenfalls sagt der Kultur- und Sportförderverein (KSfO), der das Projekt initiiert hat. Der lebende Beweis, dass man mit Calisthenics eine gute Figur formen kann, hing bei der Eröffnung am Samstag schon vor den Begrüßungsworten des KSfO-Vorsitzenden Bernd Lienhard als „Flagge“ an einer Stange des modernen Trimm-Geräts. So nennt die Szene es, wenn einer nur mit der Kraft der Arme den eigenen Körper waagrecht halten kann, also im rechten Winkel zu der Stange, an der er sich mit beiden Händen festhält. Und das mit 100 Kilogramm Lebendgewicht, wie Felix Huwe frei raus erzählt.

100 Kilogramm pure Kraft und Körperbeherrschung in acht Jahre lang perfekt dafür trainierten wohl definierten Muskeln. Ernährt „ausschließlich durch vegane Kost“, das muss auch gesagt werden. Ein leichtes Raunen und anerkennende Blicke bei der offiziellen Demo wenig später, was man an den Stangen in unterschiedlicher Höhe und Position so alles machen kann. Felix Huwe, seine Freundin Nadine Frey und noch ein weiterer bekennender Calistheniker dürften manchen in der Regel durch sich selbst verhinderten Sportsgeist zumindest kurzfristig unter mentalen Zugzwang gesetzt haben. Sie wissen schon, das mit den guten Vorsätzen.

Gut für Bauch, Beine, Po

Mindestens 50 Oberurseler wissen jetzt auch, was im gebräuchlichen „Kulturbegriff“ für die „Eigengewichtsübungen“ der modernen Trimm-Dich-Bewegung laut Wikipedia im Wortsinn steckt. Bernd Lienhard hat’s erforscht, die Begriffe „schön, gut und Kraft“ sind darin verpackt, ihr Ursprung liegt im Griechischen. Ein bisschen Eitelkeit darf auch dabei sein, deswegen trifft die Szene sich ja gerne in öffentlichen Calisthenics-Parks. Da kann man schön mit dem eigenen Körpergewicht Sport treiben, wann immer man will, wo immer und mit wem man will zu jeder Zeit.

Das so genannte „Street Workout“ baut Muskeln auf, jeder Muskel wird beansprucht, Bauch, Beine, Po bis runter in die Waden werden trainiert. In der Trimm-Dich-Bewegung waren das Liegestütze, Klimmzüge, Kniebeuge, Klappmesser und Sprungübungen mit und ohne Ball, nur an die Flagge kann sich kein erfahrener Sportler in der Runde erinnern.

Schon jetzt es gibt viele, die sich über das neue Sportangebot in der Stadt freuen. Dagmar Bertz etwa war schon am Tag vor der offiziellen Eröffnung mit Mann und Hund da. Die fitte Rentnerin ist begeistert, sie wird wieder kommen. Am Sonntagmorgen machten die ersten unabhängigen Sportler dem Begriff Frühsport alle Ehre, der Sportpark mit dem bunt besprayten markanten Container für zusätzliche Sportgeräte erregt Aufmerksamkeit, Neugierde und Interesse. „Sport und Fitness in der Natur sowie Bewegungsmöglichkeiten ohne feste Zeiten rücken immer mehr in den Mittelpunkt vieler Menschen“, weiß KSfO-Geschäftsführer, Udo Keidel-George. „Es wird zunehmend wichtiger, konzeptionell und qualitativ gute Lösungen für individuelle Bewegungsmöglichkeiten unter freiem Himmel außerhalb von Sportvereinen anzubieten.“ Der Calisthenics-Sportpark wird von den Initiatoren auch als „Begegnungsstätte zwischen Generationen und Kulturen“ verstanden. Die Vereine sind mit im Boot, das war bei der Eröffnung deutlich sichtbar. Sie werden dort erweiterte Programme anbieten, Kooperation statt Konkurrenzdenken.

Mit der Metallmanufaktur Velte aus Oberursel hat der KSfO einen Partner für den Bau der Anlage gefunden, wertvolle Tipps und Anregungen bei der Zusammenstellung der Geräte und ihrer Komposition im Ensemble hat Felix Huwe gegeben, seine eindrucksvolle Vorstellung dürfte letzte Zweifler am Konzept überzeugt haben.

Die Gesamtkosten für das Projekt beziffert der KSfO auf rund 62 000 Euro, die Rede ist von „großzügiger finanzieller Förderung“ durch Sponsoren. Darin sind die Kosten für die Herstellung der Geräte, für Fundamente, Container und dessen künstlerischer Gestaltung im Rahmen eines Graffitiprojekts von Jugendlichen unter Anleitung des Künstlers Jan-Malte Strijek, die Flächenherstellung mit Fallschutz durch jede Menge Hackschnitzel und bereits Honorare für Übungsleiter in Höhe von 12000 Euro in den nächsten drei Jahren enthalten.

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