Radfahrer haben das Nachsehen

Für Radfahrer muss mehr in der Stadt getan werden. Foto: Freepik

Oberursel (ow). Beim elften Durchgang des ADFC-Fahrradklima-Tests schafften es Oberursel und Steinbach erneut nur ins Mittelfeld. Oberursel liegt mit einer Gesamtnote von 3,76 um 0,1 Note schlechter als vor zwei Jahren, Steinbach mit 3,65 minimal besser (+0,01). Damit liegen die beiden Städte leicht über dem bundesweiten Durchschnitt von 3,92. Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2024 zum elften Mal statt. Rund 213.000 Radfahrer haben bei diesem Durchgang abgestimmt, 21 Prozent davon ADFC-Mitglieder. Insgesamt1.047 Städte kamen in die Wertung. Bei den 27 Fragen ging es darum, ob man sich auf dem Rad sicher fühlt, wie gut die Radwege sind und wie man das Miteinander im Verkehr empfindet. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden, müssen pro Kommune mindestens 50, bei größeren Städten mindestens 75 beziehungsweise 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern.

Im bundesweiten Ranking hat Steinbach hat seine Position im Wesentlichen gehalten mit Platz 117 von 423 Orten unter 20 000 Einwohnern. In Hessen erreichte Steinbach Rang 15 von 69 Orten. Oberursel dagegen ist abgerutscht und erreichte in der Größenklasse 20 000 bis 50 000 Einwohner den Rangplatz 130 von 429, gegenüber 78 von 447 vor zwei Jahren. In Hessen verschlechterte sich Oberursels Ranking um sieben Plätze von 7 auf 14 bei der fast gleichen Anzahl von Kommunen. Teilgenommen haben im Herbst letzten Jahres an der bundesweiten Befragung in Oberursel und Steinbach fast genauso viele Menschen wie 2022.

Noch Entwicklungspotenzial

Ulrike Heitzer-Priem, Sprecherin der Ortsgruppe Oberursel/Steinbach sagt: „Eine fahrradfreundliche Stadt ist ein Gewinn für alle, denn Radfahren reduziert den Stau, fördert die Gesundheit und schont das Klima. Unsere beiden Städte haben hier noch einiges Entwicklungspotenzial.“ Im Vergleich zu den Befragungen 2020 und 2022 zeigt sich in Steinbach eine deutliche Verbesserung beim Zugang zu öffentlichen Fahrrädern um 1,1 Punkte. Dies dürfte auf die beiden Pedelcs zurückzuführen sein, die der ADFC gespendet bekam und kostenlos an Steinbacher Bürger verleiht. In Oberursel gibt es dagegen kein Angebot an öffentlichen Rädern, was zur Note 4,1 führte, allerdings ist dieser Punkt für die Oberurseler weniger wichtig.

Kritik an der Untätigkeit der Stadt

Die meisten Teilnehmenden ergänzten ihre Antworten mit Kommentaren. Für Oberursel wird immer wieder bemängelt, dass die Stadt in den letzten Jahren wenig für die spürbare Verbesserung des Radverkehrs getan hat. „Die Politik in Oberursel redet viel und macht nur Minimaßnahmen für Radfahrer“, heißt es in einem Kommentar. Das Radverkehrskonzept von 2016 ist nur bruchstückhaft umgesetzt, vom Zielnetz 2025 ist Oberursel weit entfernt.

In ihren Kommentaren legten die Teilnehmer den Finger in die bekannten Wunden: das Fehlen durchgängiger Radnetze, zu wenige sichere, ausreichend breite Radwege, getrennt vom übrigen Verkehr. Der fehlende Radweg an der Frankfurter Landstraße und die unbefriedigende Situation mit den schmalen Radstreifen in der Hohmarkstraße wurden sehr oft genannt. Besonders die beiden schrägen Kreuzungen der U-Bahn-Gleise bewerten die Teilnehmenden als unzureichend sicher. Aber auch die Oberhöchstadter Straße empfingen die Radfahrenden als unsicher: Keine Radwege, aber eine starke Steigung, was auf- wie abwärts für Radelnde gefährlich ist im Mischverkehr mit Autos und Bussen. Der Zustand von Radwegen, beispielweise zwischen Stierstadt und Innenstadt entlang der S-Bahn wird als mangelhaft bewertet. Auch dass Radwege plötzlich enden, kritisieren die Befragten. Den kurzen Weg an der Nassauer Straße nannte ein Teilnehmender „fast schon einen Witz“. Lange Wartezeiten an Ampeln wurden zehn Mal genannt. Dabei hat die Stadt an der neuen Querung des Zimmermühlenwegs in Höhe des Stierstädter Bahnhofs gezeigt, wie es gehen kann.

Was die Stadt unternimmt, wird nicht honoriert. So hat Oberursel in den letzten Jahren zahlreiche zusätzlich Abstellanlagen errichtet, das schlägt sich aber nicht in der Bewertung nieder, die bleibt bei 3,6. Sogar bei Festen, wenn die Ständer abmontiert werden, schafft die Stadt inzwischen Ersatz, was der ADFC ausdrücklich begrüßt.

Winterdienst ist wichtig.

Mehr Miteinander

Die schlechteste Note unter den 27 Fragen vergaben die Steinbacher für den Winterdienst auf Radwegen mit einer 4,7. Die Reinigung der Radwege bewerteten sie mit 4,3. Diese beiden Themen haben in Steinbach eine deutlich höhere Relevanz als in Oberursel, vermutlich spielt hierbei eine Rolle, dass Steinbach über Landwirtschaftswege an die Nachbarorte angebunden ist. Die Wirtschaftswege sind zudem häufig im überregionalen Radverkehrsnetz oder im touristischen Netz ausgeschildert. Die Landwirte können sich nicht darauf berufen, es seien Wirtschaftswege, denn auch die müssen sie reinigen. Sie fordern mit Schildern und Aufdrucken auf den Wegen zu mehr Miteinander auf – das muss aber auf Gegenseitigkeit beruhen. „Verdreckte Radwege sind bei Feuchtigkeit rutschig, das Sturzrisiko für Radelnde hoch“, stellt Birgit Dettmar-Voerste fest. Steinbach, aber auch Oberursel muss hier aktiver werden und die Landwirte immer wieder auf ihre Pflichten hinweisen. Den Winterdienst müssen die Städte ernster nehmen, denn inzwischen fahren viele Pendler bei jedem Wetter mit dem Rad und wollen auch bei Schnee und Eis sicher ankommen.

Insgesamt vergeben die Steinbacher etwas bessere Bewertungen für das Fahrradklima und für den Stellwert des Radverkehrs als die Oberurseler Teilnehmenden. In beiden Orten wird kritisiert, dass in jüngster Zeit wenig für das Radfahren geworben wurde. Die Akzeptanz der Radfahrenden als Verkehrsteilnehmer leidet darunter, dass die Städte vor allem auf den Autoverkehr ausgerichtet sind. In einem Kommentar aus Steinbach wird vorgeschlagen, Parkplätze auf öffentlichen Straßen zugunsten sicherer Radwege aufzugeben. In Oberursel wurde gewünscht „[die] Innenstadt so [zu] gestalten, dass alle Verkehrsteilnehmer gesehen werden.“ Die Umgestaltung auf mehr Fußgänger, Fahrrad, ÖPNV würde das derzeit angespannte Klima entspannen, so der Kommentar.

„Ausreichend“ für das Miteinander im Verkehr

Unzufrieden sind Oberurseler und Steinbacher Radfahrer vor allem mit dem Miteinander im Verkehr, dafür vergaben sie ein „Ausreichend“ (4,5 bzw. 4,1) Besonders unzufrieden sind sie mit dem oft zu geringen Überholabstand. Knappes Vorbeifahren von Pkw oder Bussen gefährdet die Radfahrer, nicht nur in der Hohemarkstraße. Zu oft fahren Räder im Mischverkehr. Daher verwundert es wenig, dass sich 64 Prozent sich beim Radfahren in Oberursel nicht sicher fühlen. In Steinbach ist es knapp die Hälfte, die sich unsicher fühlt.

Die Kommentare spiegeln die schlechten Bewertungen: „Die Aggressivität der Verkehrsteilnehmer hat in den letzten Jahren massiv zugenommen.“ schrieb jemand. Etliche Kommentare beklagen das rücksichtslose Verhalten von Radfahrenden, das auch der ADFC scharf verurteilt. Allerdings ist sind die Konflikte zwischen Radfahrenden und Fußgänger deutlich seltener. Die Mehrheit sagt in beiden Städten, sie seien kein Problem.

Kein Sicherheitsabstand

Wesentlich häufiger sind die Konflikte mit Autos, wenn man dann noch die Werte für den fehlenden Sicherheitsabstand hinzunimmt, zeigt sich deutlich, wie problematisch das Miteinander von Fahrradfahrern und Autofahrern ist, wenn abgetrennte Radwege in ausreichender Breite fehlen.„Damit das Radfahren in Oberursel und Steinbach angenehm und sicher wird, müssen schnell die vorhandenen Lücken im Radwegenetz geschlossen werden – auch bei den Verbindungen in die Nachbarorte,“ so Bengt Köslich vom Sprecherteam des ADFC Oberursel/Steinbach und ergänzt: „Schon kleine Verbesserungen helfen: Konsequente Kontrollen von Falschparker auf Radwege, mehr Tempo 30 und eigene Lösungen für den Radverkehr an Baustellen.“ Die vollständigen Ergebnisse des Fahrradklima-Tests für Oberursel und Steinbach gibt es auf der Website des ADFC Oberursel/Steinbach https://oberursel.adfc.de/fahrradklima-test-2024.



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