Oberursel (bg). Ein historischer Moment für den Verein „Windrose“. Die Mitglieder trafen sich zu ihrer ersten Hauptversammlung in ihrem neuen Domizil im Kulturcafe Windrose. Endlich sind sie in der Mitte der Stadt angekommen. „Da, wo ich früher meine Schrauben gekauft habe“, bemerkte ein Mitglied schmunzelnd. Seit der Eröffnung im Oktober ist im früheren Geschäftshaus Alberti immer etwas los.
Der Weg dahin war lang und beschwerlich. Daran erinnerten Vorsitzender Reinhard Dunger und sein Vize Michael Behrent. Dungers Herzensanliegen war es, sich zu allererst bei Behrent für seinen schier unglaublichen, unermüdlichen Einsatz, ob auf der Baustelle, im Übergangscafe Macondo oder bei allen anderen Aktivitäten des Vereins zu bedanken. Er unterstrich die Worte mit einer symbolischen Geste: „Es ist das erste Mal, dass ich einem Mann Blumen überreiche, aber das musste jetzt wirklich sein!“
Veränderungen scheuen die Vereinsmitglieder und die gewählte Spitze nicht. Seit 2017 waren sie auf der Suche nach einem Ersatz für das alte Vereinslokal in der Neutoralle. Sämtliche Knüppel, die ihnen dabei in den Weg geworfen werden haben sie beharrlich aus dem Weg geräumt und sich nicht beirren lassen. „Im vorigen Jahr haben wir wieder kolossale Veränderungen erlebt“, begann Dunger seine Ausführungen. „Nach 27 Jahren mussten wir unseren Windrose-Garten aufgeben. Es war eine unglaubliche Kraftanstrengung bis alles ausgeräumt und der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt war. Aber zuvor wurde in echter Windrosen-Manier noch ein rauschendes Abschiedsfest gefeiert.“ Als Ersatz für den legendären Garten hatte sich der Verein für das Brunnenfest probeweise „die Oase am Urselbach“, ausgeguckt. Durch seine Nähe zum neuen Café konnte auch ordentlich gefeiert werden.
„Zu den Herausforderungen unter schwierigen Bedingungen gehört auch der Umzug der Fahrradschrauber, die mit ihrem „Flickwerk“ unter der Leitung von Michael Steinmetz vom Haus in der Oberen Hainstraße in die Hohemarkstraße 77 umgezogen sind. Das Bahnwärterhäuschen musste auch aufgegeben werden, Ersatz hat der Verein im Clubhaus des Schwimmclubs Oberursel am Sandweg gefunden“, so Dunger. Stolz sei der Verein auch auf das „Computer-Flickwerk“, das im Kulturcafe Windrose jeden Mittwoch von 17 bis 19 Uhr geöffnet hat. Unter der Leitung von Thomas Kelly konnten inzwischen 270 Notebooks an junge Migranten vermittelt werden – nicht zuletzt dank einer kürzlich erfolgten großzügigen Spende.
„Im Fallen das Fliegen lernen“, mit diesen drastischen Worten leitete Michael Behrent seinen Part zum Jahresbericht 2021 ein. Er erinnerte an die Kernprojekte des Vereins, der bereits 1976 gegründet wurde und damit einer der ältesten Integrationsvereine in Deutschland ist. Er ist Träger der freien Jugendhilfe und als gemeinnützig anerkannt. Eine besondere Belastung war seit geraumer Zeit die Beschaffung von Ausweichquartieren. Die Gute Nachricht, die Schatzmeister Wolfgang Dörnbach in seinem Kassenbericht ausführlich darlegte: Finanziell ist die Vereinsarbeit mittelfristig abgesichert. Ohne Förderer und Sponsoren, die mit ihrer Unterstützung die Arbeit des Vereins stärken und zahlreiche Projekte ermöglichen, wäre das nicht möglich. Dazu zählte von Anfang an die Vereinsgaststätte als Treffpunkt für in- und ausländische Mitbürger sowie ein Schulprojekt an der Integrierten Gesamtschule Stierstadt (IGS), bei dem Schüler mit Migrationshintergrund seit 2002 gefördert werden. Leiterin ist Vildan Milani. 2012 wurde die Flüchtlingsfamilienhilfe Oberursel (FFHO) in die Windrose aufgenommen.
In der Vereinsarbeit haben sich inzwischen vier Projektbereiche herausgebildet: Die Kinder- und Familienpatenschaften, Schülerhilfe und Lernbegleitung, Freizeitpädagogik, Sprachkurse und Selbsthilfe und ein ganz wichtiges Feld: Veranstaltungen und Kultur. Im Bereich Schülerhilfe/Lernbegleitung beschäftigt der Verein aktuell drei hauptamtliche Kräfte, dazu eine große Anzahl von mehr als 30 ehrenamtlichen Helfern, und ist stets auf der Suche nach Lernbegleitern, die die zahlreichen Projekte unterstützen. Dazu gehören unter anderem die freie Schülerhilfe und Lernbegleitung auch von Auszubildenden, das Ausflugsprogramm „Yalla“, ein Deutschkurs mit Kinderbetreuung, der Mädchenclub oder die Fahrrad-Mitmach-Werkstatt „Flickwerk“, die ebenfalls rein ehrenamtlich organisiert und betrieben wird.
Auf der Tagesordnung stand neben der Beratung und Aussprache über das vergangene Jahr auch der Kassenbericht, den Wolfgang Dörnbach gab. Der Verein hat gut gewirtschaftet. Durch die Pandemie konnten manche Projekte nicht wie geplant stattfinden, das hat die Kassenlage entspannt. Gleichzeitig bescheinigten die Kassenprüfer dem Kassierer vorbildliche Arbeit, alle Fördermittel wurden sachgerecht verwendet, das Finanzamt hat dem Verein für weitere Jahre die Gemeinnützigkeit anerkannt. Dem Verein gehören derzeit über 500 Mitglieder an, zur Versammlung waren 45 gekommen.
Der Vorstand blickt optimistisch nach vorn. Das neue Kulturcafe findet großen Zuspruch. Seit dem offiziellen Start am 2. Oktober hatte es schon 2500 Besucher, steigenden Zahlen gab es auch im November. Unter Verschiedenes gab der langjährige Vorsitzende Reinhard Dunger bekannt, dass er bei den anstehenden Neuwahlen im Jahr 2023 wie angekündigt nicht mehr antreten werde. Der Verein ist auch auf der Suche nach einem neuen Schriftführer, da Payam Milani aus beruflichen Gründen sein Amt niederlegen muss.