Leitstellen in Hessen sichern schnelle Hilfe: Feuerwehrverband verteidigt bewährte Systeme

Der Landesfeuerwehrverband warnt vor einem Prüfbericht der Krankenkassen und Ersatzkassen, der die bestehende Leitstellenstruktur infrage stellt: Das bestehende System sei hoch funktional und bewährt.Foto: LFV Hessen

Hochtaunus (kw) – Die Diskussion über die Organisation von Notfallversorgung und Rettungsdienst in Hessen hat mit der Vorstellung eines neuen Prüfberichts durch die Verbände der Krankenkassen und Ersatzkassen an Fahrt aufgenommen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz am 8. Juli hatten die Verbände ihre Analyse zur Leitstellenstruktur in Hessen vorgestellt. Ihre zentralen Forderungen: eine tiefgreifende Reform, die unter anderem die Bildung zentraler Gesundheits- und Rettungsleitstellen und eine Vereinheitlichung von Notrufabfragen vorsieht. Der Prüfbericht, der ohne Beteiligung der kommunalen Träger oder der Leitstellen entstanden ist, stellt die bestehenden 25 Integrierten Leitstellen in Hessen grundsätzlich infrage.

Aus Sicht des Landesfeuerwehrverbandes Hessen verkennt der Bericht die Realität vor Ort. Die Integrierten Leitstellen in Hessen sind hochmodern, vernetzt, personell qualifiziert besetzt und haben sich in der täglichen Arbeit ebenso bewährt wie in Großschadens- und Krisenlagen. Sie sind ein zentrales Element der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Ihre Strukturen dürfen nicht geschwächt werden. Eine Zentralisierung birgt Risiken, ohne einen belegbaren Mehrwert zu bieten.

In Hessen übernehmen die 25 Zentralen Leitstellen die Steuerung und Koordination aller Einsätze im Rettungsdienst, der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes. Sie sind flächendeckend in allen Landkreisen und kreisfreien Städten verankert. Das Land Hessen hat in den vergangenen Jahren erhebliche Mittel in die technische Ausstattung investiert. Alle Leitstellen arbeiten mit einem einheitlichen Einsatzleitsystem, verfügen über die gleiche Kommunikationstechnik und sind über ein Flottenmanagement sowie gemeinsame Serverlösungen miteinander vernetzt. So können jederzeit benachbarte Leitstellen unterstützend einspringen.

In sogenannten Vertretungsgruppen arbeiten jeweils drei Leitstellen eng zusammen. Damit ist eine vollständige Redundanz gewährleistet, ein Vorteil, den zentrale Großstrukturen kaum bieten können. „Unsere Leitstellen arbeiten längst als Verbund. Sie sind technisch einheitlich ausgestattet und können im Bedarfsfall nahtlos füreinander einspringen. Wir brauchen keine neuen zentralen Call-Center. Wir haben ein bewährtes Netz aus erfahrenen, leistungsstarken Einsatzkoordinatoren“, erklärt Norbert Fischer, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Hessen.

Ortskenntnis und Nähe retten Leben

Ein zentraler Vorteil der bestehenden Struktur ist die Ortsnähe. Die Disponentinnen und Disponenten kennen die örtlichen Gegebenheiten, sie wissen, wo entlegene Straßen liegen, wie sich die Verkehrslage zu gewissen Uhrzeiten verhält, wie Krankenhäuser ausgelastet sind und welche Rettungsmittel am schnellsten verfügbar sind. Diese Ortskenntnis spart wertvolle Zeit, gerade wenn sich der Anrufer in Stress befindet und nicht in der Lage ist, seinen Standort exakt zu beschreiben.

Die europaweit gültige Notrufnummer 112 verbindet Menschen in Hessen direkt mit den regional zuständigen Leitstellen, sie ist ein entscheidender Faktor für die Qualität der Hilfe. In medizinischen Notfällen oder bei Bränden zählt jede Sekunde. Lange Nachfragen oder Orientierungslosigkeit durch zentrale Vermittlung führen zu Verzögerungen, die Menschenleben kosten können.

„Menschen reagieren im Notfall mit Instinkt. Sie erwarten Hilfe von der Stelle, die ihnen vertraut ist. Die Stimme in der Leitstelle muss nicht nur geschult sein, sondern auch verstehen, wovon die Betroffenen sprechen. Dafür braucht es Ortskenntnis und keine Anonymität“, sagt Friedrich Schmidt, Sozialreferent des Landesfeuerwehrverbandes Hessen.

Gleiche Ausbildung, gleiche Systeme

Die Kritik, es fehle an einheitlichen Standards, trifft auf die Realität in Hessen nicht zu. Alle Disponenten werden zentral an der Hessischen Landesfeuerwehrschule in Kassel aus- und fortgebildet. Sie lernen, mit der gleichen Technik zu arbeiten, die in allen Leitstellen installiert ist.

„In Hessen sprechen alle Leitstellen dieselbe Sprache, im technischen wie im fachlichen Sinn. Diese Einheitlichkeit ist kein Zukunftsziel, sie ist längst Realität“, betont Präsident Fischer.

Bewährt in der Krise

Die Leitstellen haben sich nicht nur im Alltag bewährt. In zahlreichen Krisen der vergangenen Jahre waren sie das Rückgrat der Einsatzkoordination: bei der Flüchtlingshilfe 2015, während der Corona-Pandemie, bei den Vorbereitungen auf eine mögliche Energiekrise oder bei der Bewältigung von Unwettern und Flutkatastrophen.

In solchen Lagen sind regionale Strukturen besonders wichtig. Die Leitstellen arbeiten eng mit Gesundheitsämtern, Kliniken, Krisenstäben und kommunalen Behörden zusammen. Sie übernehmen Sonderaufgaben, koordinieren Versorgungsmaßnahmen, führen Lagebilder und unterstützen Führungsstäbe. All dies ist nur durch die enge Einbindung vor Ort möglich.

Überregionale Leitstellen könnten diese Funktion kaum übernehmen. Ihnen fehlen nicht nur die örtliche Einbindung, sondern auch die Kapazitäten, um gleichzeitig Routineeinsätze und Sonderlagen regional angemessen zu steuern. Auch etablierte Systeme wie der Organisatorische Leiter Rettungsdienst (OrgL), der Leitende Notarzt (LNA) oder die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) sind eng mit den Leitstellen abgestimmt. Eine Trennung dieser Verbindungen wäre riskant.

Ergänzen statt ersetzen!

Der Landesfeuerwehrverband begrüßt technische Weiterentwicklungen, die sie sinnvoll ergänzen. Aktuell laufen im Main-Kinzig-Kreis und im Landkreis Marburg-Biedenkopf Pilotprojekte zum Telenotarzt. Diese Konzepte können perspektivisch die Versorgung ergänzen, dürfen aber bestehende Strukturen nicht ersetzen.

Telemedizinische Angebote müssen dort ansetzen, wo sie einen Mehrwert schaffen, etwa bei der Entlastung des Notarztsystems oder in schwer erreichbaren Regionen. Ihre Integration in das bestehende System erfordert jedoch Erfahrung, Technik, klare Standards und rechtliche Grundlagen. Eine Zentralisierung allein löst keine Versorgungsprobleme.

Fazit: Funktionierende Strukturen müssen erhalten werden!

„Das hessische Leitstellensystem ist kein Flickenteppich, sondern ein starkes Netz mit festen Knotenpunkten in allen Regionen. Eine Auflösung dieser Struktur gefährdet das, was heute zuverlässig funktioniert“, warnt Norbert Fischer. Der Landesfeuerwehrverband Hessen appelliert an alle Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung: „Vertrauen Sie auf das, was sich bewährt hat. Prüfen Sie, wie Sie Bestehendes stärken und weiterentwickeln können. Die Sicherheit der Menschen in Hessen darf nicht wirtschaftlichen Erwägungen oder technischen Idealvorstellungen geopfert werden. Was zählt, ist schnelle, ortsnahe und koordinierte Hilfe und dafür steht die aktuelle Leitstellenorganisation in Hessen.“



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