Hochtaunus (agl). Freitagabend. An einem kleinen Flecken im Camp King brennt noch Licht. Da versammeln sich all die, die Krimis verschlingen. Martina Bollinger hat sie gerufen und alle sind gekommen, sind dem Aufruf gefolgt, eine kriminalistische Kurzgeschichte zu schreiben. Knapp 50 Debütautoren haben sich beworben, und zehn von ihnen wurden ausgewählt von einer Jury von wiederum zehn Lesebegeisterten. An diesem Abend durften die Auserwählten ein paar Seiten aus ihrem Mini-Werk zum Besten geben. Zwei bequeme Sessel standen bereit für die Vorleser. Die Büchertische waren zur Seite geschoben und Klappstühle für die Zuhörer auf den wenigen freien Quadratzentimetern der Buchhandlung bereit gestellt. So ergab sich ein gemütliches Ambiente, in dem alle bei einem Glas Wein in der Pause miteinander ins Gespräch kamen oder interessiert durch die Bücher blätterten.
Unter den Preisträgern ist Sabine Muchow, 62, der es schwerfiel, mit anzusehen, wie in der Nachbarschaft zwei Bäume gefällt wurden. Doch dahinter kam ein Haus zum Vorschein, das ihre Phantasie und ihre kriminalistische Energie beflügelte. Oder der Mathematiker Jürgen Völger, 59, gepflegte Erscheinung, im richtigen Leben mit Zahlen und sehr Vorhersehbarem beschäftigt. Er wollte schon seit Studientagen schreiben. Nun hat er es in die Tat umgesetzt. In seiner Freizeit beschäftigt er sich auf dem Papier mit Mord und Totschlag.
Jung-Autoren von 28 bis 75
Oder Dorothee Kremer, 46, die als freie Lektorin ohnehin schon viel mit Satzbau und Textkorrektur zu tun hat und, statt sich um fremde Texte zu kümmern, endlich mal selber schreiben wollte. Mit 75 Jahren die älteste unter den Jungschriftstellern ist Karola Liney. Sie hat früher als Verkäuferin gearbeitet. Ihr Talent zum Schreiben fiel vor über 50 Jahren schon der Redaktion der Bild-Zeitung auf. Als sie dort ein Gedicht auf einen verregneten Sommer einreichte, gewann sie einen ordentlich hohen Geldbetrag, der es ihr ermöglichte, sich eine erste Flugreise zu gönnen.
Brigitte Oswald-Mazurek war im früheren Leben Studienrätin für Deutsch und Geschichte. So wählte sie sich ein historisches Thema aus, das Grundlage ihrer Ideen für ihren Krimi wurde. Seit vielen Jahren blickt sie von ihrem Fenster aus auf die Königsteiner Burg und siedelte ihre Figuren auch dort an. Aufwändig recherchiert und mit Akribie zu Papier gebracht. Das zeichnet sie aus. Doch auch die anderen zehn Besten sind mit Leidenschaft und Herzblut dabei. So auch Ursula Aierstock, die Tierheilpraktikerin. Sie liebt die „Eberhofer-Krimis“ von Rita Falk, die einen bayerischen Polizisten bei seiner Arbeit beschreibt. Die Idee zur eigenen Story kam ihr spontan auf ihrer Couch.
Holger Beirant hatte schon Schreiberfahrung. Zuvor erschienen unter seinem Namen zwei Kinderbücher. Flott war er in zwei Stunden fertig mit seiner Geschichte, nachdem er einmal begonnen hatte zu schreiben, flossen die Ideen und die Figuren rasend schnell aus seinen Gedanken aufs Blatt. Die Jüngste unter all den Schreibwütigen ist die Referendarin für Latein und PoWi, Julia Liesegang. Mit ihren 28 Jahren war sie sich eigentlich recht sicher, dass das Krimigenre nicht so ihr Ding ist. Doch als sie im Internet nach Schreib-Wettbewerben Ausschau hielt und auf den Martina-Bollinger-Wettbewerb aufmerksam wurde, kam ihr sofort eine Idee, und sie konstruierte und schuf innerhalb eines Abends ihre Geschichte.
Das zeichnet Martina Bollinger aus. Ihr gelingt es scheinbar mühelos, durch immer wieder neue Events und Veranstaltungen ein Publikum zu gewinnen, das noch nicht vollends im Seriendschungel das Lesen vergessen hat. Ihre mit Auszeichnung dekorierte Buchhandlung in Oberursel – eine weitere hat sie vor ein paar Jahren auch in Bad Homburg übernommen, die Supp’sche Buchhandlung – ist ein Ort für hochkarätige Lesungen und seit einem Jahr auch für den Krimi-Schreib-Wettbewerb. Ein schwieriges Unterfangen, das sich nur ins Leben rufen lässt mit viel Engagement und Sinn für neue kulturelle Belebung in der Region. Das Preisgeld war eine edle kleine Schokotorte aus einer der feinsten Konditoreien der Stadt.
!Alle Gewinner-Krimigeschichten sind in einem Band zusammengefasst, der den Titel „Taunus Kriminell. Die 10 besten Krimidebüts des 2. Krimiherbsts Oberursel“ trägt, erhältlich in der Buchhandlung Bollinger in Oberursel oder in der Supp’schen Buchhandlung in Bad Homburg für 12,80 Euro.