Hochtaunus. Um unvergessliche Begegnungen mit Tieren ging es in unserer diesjährigen Ferienserie „Tierisch unterwegs“. Die Sommerferien sind zwar mittlerweile Vergangenheit, Gelegenheiten, Tieren ganz nahe zu kommen, gibt es aber auch im Alltag oder an den Wochenenden jede Menge. Und oftmals muss man dafür noch nicht einmal weit fahren. Unsere tierischen Protagonisten in diesem Bericht sind im Taunus zu Hause – und zwar auf dem Bad Homburger Platzenberg.
Ziegen müssen nicht zicken. Vor allem nicht, wenn es ihnen so gut geht wie auf dem Platzenberg. Prinzessin Lillifee sonnt sich. Elvis knabbert am Busch. Zippi kratzt sich am Zaun, und Oskar lässt sich genüsslich kraulen. Beim Anblick der Vierbeiner können sich Besucher kaum vorstellen, dass hier vor acht Jahren noch fünf vereinsamte Ziegen auf einem verlassenen Grundstück wohnten.
19 Ziegen beherbergt und pflegt der Verein „Ziegen am Platzenberg“. Sie sind neugierig, lassen sich streicheln, stoßen einen aber auch mal an oder knabbern am Pullover. Um ihre Schützlinge unterscheiden zu können, orientiert sich Ingrid Staab an deren Merkmalen. Ob ein schwarzer Fleck am Bein, der an eine Socke erinnert, zotteliges oder kurzes Fell, lange oder kurze Hörner – keine Ziege sieht gleich aus. „Zippi ist unsere jüngste“, erzählt Ingrid. Trotzdem hat sie schon einiges erlebt. Mit rosa Schleife um den Hals durfte sie ein frisch vermähltes Paar vor der Kirche empfangen. „Oskar ist ein Oldie. Mit seinem zotteligen Fell und den langen Hörnern ist er unübersehbar“, sagt Ingrid. Mandy wird wegen ihrem verlorenen Horn auch „Eineinhalb-Horn-Mandy“ genannt. Über das Aussehen hinaus unterscheiden sich die Ziegen auch durch ihr Verhalten. Oskar ist gemütlich und lässt sich gerne streicheln. Steffi ist neugierig, und Krawallos Name ist kein Zufall. „Viele der Namen bekamen die Ziegen von ihren Paten.“ Dabei haben die meisten Namen eine Erklärung. Ein Beispiel: In der Nacht von Blitzis Geburt habe es gewittert.
Auch andere Tiere leben auf dem Hof. Die Eingewöhnungsphase der drei Katzen Stummelchen, Tigerle und Eulchen wird bald rum sein. Dann dürfen die drei frei auf dem Gelände herumlaufen und das tun, was Katzen besonders gut tun: Mäuse jagen. Auch die Katzen rettete Ingrid vor dem Tierheim. Sie wurden in einer Metallfabrik gefunden.
„Ich habe nie geplant, Ziegen zu übernehmen“, erzählt Ingrid Staab. Als sie vor acht Jahren das verlassene Grundstück mit fünf vereinsamten Ziegen entdeckte, konnte sie dem Besitzer die Tiere mit Hilfe des Tierschutzvereins abkaufen und das Grundstück pachten. Es folgte die Vereinsgründung „Ziegen am Platzenberg“. Nach und nach kamen mehr Ziegen hinzu, die der Verein aus schlechter Haltung übernahm. Zudem kam es zu unerwartetem Nachwuchs. Einige der Ziegen zog Ingrid mit der Flasche groß. „Heute sind sie in die Herde intergriert“, sagt sie. Am Anfang ging es also nur um den Tierschutz. „Dass sich daraus so viel entwickelt, damit haben wir nicht gerechnet“, merkt sie an.
Heute besuchen Radfahrer und Spaziergänger auf ihrem Weg den Ziegenhof, setzen sich auf die Bank und beobachten die Tiere. Wenn Ingrid Staab gerade da ist, was sie oft ist, dürfen Erwachsene auch reinkommen. „Ich freue mich immer, wenn jemand kommt, und die Ziegen freuen sich auch.“
Sie erzählt von einem Radrennfahrer, der auf seinen Touren den Hof regelmäßig als Zwischenstopp einplant. „Diese Pause nennt er ‚Entschleunigung‘. Das liegt an der Harmonie und Ruhe hier bei den Ziegen“, erläutert Ingrid. Kinder sollen nicht zum Streicheln aufs Gelände. „Die Hörner sind schließlich direkt auf Augenhöhe“, erklärt sie. Regelmäßig bekommen die Ziegen trotzdem Besuch von Kindergarten- und Hortgruppen, die die Tiere durch den Zaun füttern. Ingrid freut sich darüber, dass häufig auch ältere Besucher vorbeikommen, denen die Ziegen eine Abwechslung im Alltag bieten können. Um es ihnen gemütlicher zu machen ist eine neue Anschaffung geplant: ein großer Schirm. „Damit man bei Regen im Trockenen und bei Sonne im Schatten sitzen kann.“
„Durch all die Besucher und viele helfende Hände hat sich der Hof zu dem entwickelt. was er ist“, fügt Ingrid hinzu. Am Platzenberg ist eine Community entstanden. Ingrid ist offen für neue Ideen. So kann jeder etwas beitragen und sich bei der Gestaltung ein wenig austoben. Bunte Figuren und Steine zieren das Gelände. „Außerdem helfen wir uns gegenseitig, nicht nur, wenn es um Ziegen geht.“
Auch für Ingrid Staab ist der Hof ein Glücksfall. Obwohl sie ländlich aufwuchs, hat sie erst durch den Ziegenhof wieder zurück in die Natur gefunden. In Oberhessen geboren, wurde sie auf einem Hof groß. Als Jugendliche zog sie es zunächst in die Stadt, nach Frankfurt. Dort arbeitete sie als Industriekauffrau. Ihr Fokus lag auf Beruf, Karriere und Stadtleben. Ihren Job empfand sie als abwechslungsreich und nie als langweilig. Sie organisierte Veranstaltungen und lernte viele Menschen kennen. „Erst im Nachhinein merkte ich, wieviel Zeit ich im Büro verbracht hatte“, merkt sie an. Jetzt verbringt sie beinahe jeden Tag auf dem Ziegenhof. Sie erklärt: „Ich genieße die Natur. Hier draußen zu sein bedeutet für mich auch, frei zu sein.“
Fertig ist der Hof noch nicht und wird es wahrscheinlich auch nie sein. Immer wieder kommen neue Ideen und Anpassungen hinzu. Neue Hecken, eine Kiesfläche, Sitzecken, der große Schirm, all das ist noch in Arbeit. Auch das Dach des Futterstalls muss erneuert werden. Finanzielle Unterstützung erhält der Hof durch private Spenden und Organisationen. Die Emmy-Wolff-Stiftung ermöglichte die ersten Schritte: Ziegenhütte, Futterlager und Zaun. Der Baumdienst Wolf spendete den Transport der vielen Kiessteine, auf denen die Ziegen herumklettern. Mit Hilfe der Maria und Hans-H.-Schmid-Hayn-Stiftung konnten 30 Obstbäume auf dem Gelände gepflanzt werden. Private Spenden und Patenschaften finanzieren zudem die Pacht für das Grundstück, Futter, Wasser und Tierarztbesuche. 365 Heuballen werden im Jahr verfüttert. Da es keinen Wasseranschluss auf dem Gelände gibt, muss dieses transportiert werden. „Außerdem brauchen die Paarhufer regelmäßig Pedi- und Maniküre“, erzählt Ingrid. Und natürlich auch Streicheleinheiten.
!Der Verein „Ziegen am Platzenberg“ befindet sich am Bommersheimer Weg 85 und freut sich über jede Unterstützung. Wer helfen möchte, kann spenden oder einfach vorbeikommen. Mit einer Spende von zehn Euro im Monat kann man Futterpate werden und die Heu-Grundversorgung einer Ziege abdecken.