Jetzt geht man in Steinbach wieder aus

Fast wie im Urlaub unter südlicher Sonne können sich die Gäste dieses Straßencafés in der Bahnstraße fühlen. Foto: Biedermann

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Die Sonnenschirme sind aufgespannt. Seit vergangenem Wochenende stehen sie nach zweimonatiger Zwangspause für den Neustart der Gastronomie in Corona-Zeiten. Es wird wieder palavert zwischen dem Servicepersonal und den Gästen. Doch nicht alle Betriebe haben bereits geöffnet.

Im Ile de Re in der Eschborner Straße kann Chefkoch und Inhaber Ahmed Lahner seit Freitag nach seinem Speisekartenbuch bruzzeln und garen. Vor allem am Sonntag saßen im sonnenüberfluteten Innenhof etliche Gäste und ließen sich wahlweise die französische und deutsche Küche schmecken. Die fünf Angestellten und die Aushilfen trugen Mund- und Nasenschutz. Auf einer Schiefertafel vor der Tür begrüßte das Team die Gäste mit „Hurra“. Wochenlang lieferte die Küche Speisen ausschließlich frei Haus, für die meist weniger als 100 Euro pro Tag erlöst wurden. In der guten alten Zeit vor Corona machte das Restaurant zehnmal so große Umsätze. Beim Vergleich der Zahlen wurde deutlich, dass die Öffnung keinen Tag zu früh erfolgte.

Der 58-jährige Pächter aus Marokko arbeitet seit knapp 30 Jahren in diesem Restaurant. Sein Rüstzeug hat er sich im Zentrum von Altsteinbach im Goldenen Stern am Freien Platz geholt, das von Gourmets in der gesamten Region geschätzt wird. Dort steht noch immer Klaus Vogt am Herd. Er schaut aus dem Fenster seines Fachwerkhauses und sagt, von 70 Plätzen könne er nur 20 besetzen. Der Chef hat wenig Zeit, denn am Abend erwartet er eine Gesellschaft. „Ich muss kochen.“ Schräg gegenüber war auch der Schwan einmal eine gefragte Adresse, doch die Gaststätte steht seit letztem Sommer leer. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten gibt es keinen Markt für derartige Immobilien.

Mediterranes Flair

Im Cafe Mint & Things hat Kimy endlich wieder Gelegenheit für gute Gespräche . Drinnen gibt es anstatt für 16 nur noch für ein Dutzend Gäste Platz. Auf dem Gehweg hat sie mit Holzmöbeln 14 Sitzgelegenheiten geschaffen. Obwohl die Bahnstraße keinen Boulevardcharakter hat, strahlt der Platz mediterranes Flair aus. Die Stammgäste, die sich Drinks und Kuchen bislang mit nach Hause genommen haben, werden wiederkommen – daran gibt es für die Cafehaus-Betreiberin keinen Zweifel. Auf Hygiene achtet sie peinlich und desinfiziert die Toilette alle drei Stunden.

Am anderen Ende der Bahnstraße, Ecke Berliner, werden in der Pizzeria Italia die Kirmesgarnituren unter dem Zeltdach in Beschlag genommen. Auf dem Hof sagen sich Bär und Fuchs gute Nacht. Nicht wirklich, denn es sind Plastikiere, die neben anderen den Geschmack von Tierfreund Salvatore Graci wiederspiegeln. Ihm gehört die Gaststätte seit 1988. Der aus Sizilien eingewanderte Gastronom berichtet, wegen Corona sei der Umsatz zur Hälfte weggebrochen.

In der Pizzeria Pisa managt eine indische Familie den Betrieb. Dort packen Eltern und Geschwister gemeinsam an. Von 80 Plätzen im Gastraum und auf dem Hof können nur noch 20 angeboten werden. Am Wochenende steigt Tochter Panesar voll ein, ansonsten erst nach der Rückkehr von der Uni in Frankfurt, an der sie Business studiert. Als Familienbetrieb habe man es leichter, durch die Krise zu kommen.

Alex und Carmen hätten im Pastis in der Obergasse vergangenen Freitag gerne den 24. Geburtstag ihres Lokals mit Gästen gefeiert. Doch die Tür bleibt weiter zu, denn auf der „kleinen Fläche“ ist die Einhaltung der Auflagen – ein Gast auf fünf Quadratmeter – nicht einfach. Man könne auch nicht richtig kommunizieren, lassen sie auf einem Zettel wissen. Als Gruß haben die beiden Frauen eine Blumenbank auf die Terrasse gestellt und mit einer Rolle Klopapier dekoriert. Das Café Windecker will in der Eschborner Straße ebenfalls auf eine Lockerung der Corona-Regeln warten und solange Kuchen nur im Hofladen verkaufen.

Gegenüber auf der anderen Straßenseite steht Stefanie Wolf hinter dem Tresen des Futterstübchens und erwartet Kundschaft. Sie ist Wirtin im kleinsten Lokal der Stadt, in dem sonntags schon ab 9 Uhr Frühschoppenzeit ist. Mehr als fünf Personen dürfen sich hier nicht gleichzeitig aufhalten, doch die Gäste sind vernünftig. Sie lieben das Lokal und wollen keine Probleme schaffen, sagt Wolf. Sie hat einen Desinfektionsspender für 97 Euro gekauft, aber davon profitiert, dass ihr die Betriebskosten für drei Monate von Staats wegen bezahlt werden. Im „Stübchen“ herrscht eine familäre Atmosphäre – man fährt sogar gemeinsam in den Urlaub.

Wer die indische Kühe mag, der schaut nunmehr wieder in der Ratsstube in der Gartenstraße vorbei, deren Biergarten mit weißen Schirmen komplett geschützt ist. Im Adler Place, dem Anlaufpunkt für Eintracht-Fans, ist ein überwiegend jüngeres Publikum zu Hause. Hier gehen die Lichter nunmehr um Mitternacht und nicht um 3 Uhr aus.



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