Steinbach. Die Novemberabende sind lang, die Kälte draußen kriecht selbst durch die dicken Mauern der Steinbacher St. Georgskirche – und doch herrschte im Inneren für einen Moment eine besondere Wärme. Am Sonntag, 23. November, lud die St. Georgsgemeinde erneut zur beliebten Konzertreihe „Musik für alle“ ein und schenkte dem Totensonntag eine Klangfarbe zwischen Besinnung und Hoffnung: Unter dem Titel „Schattenlichter“ erlebte das Publikum ein andächtiges musikalisches und geistliches Zusammenspiel ganz eigener Art.
Pfarrer Herbert Lüdtke eröffnete den Abend mit nachdenklichen Worten über den November, über Dunkelheit und Licht, über das Aushalten von Kälte, Trauer und Tod – Themen, die an Totensonntag aktueller kaum erscheinen könnten. „Totensonntag – das klingt nach einem fürchterlich kalten Tag, nach Dunkelheit. Doch diese Dunkelheit gehört zum Leben dazu,“ sagte Lüdtke, der dann noch an ein Zitat von Albert Einstein erinnerte: „Das Böse ist genauso wenig Teil von Gottes Schöpfung, wie die Kälte und die Dunkelheit. Gott hat weder Kälte noch Dunkelheit geschaffen, sondern das Licht. Kälte und Dunkelheit sind nur die Abwesenheit von Wärme und Licht und das Böse nur die Abwesenheit von Gott.“
Sehnsucht nach Frieden
Musikalisch entfalteten Ellen Breitsprecher (Klavier/Orgel), Beate Ibielski (Blockflöte) sowie Clemens Mohr und Basile Orth (Violoncello), unterstützt von mehreren Vokalensembles, einen eindrucksvollen Bogen: Werke von Vivaldi, Jenkins, traditionelle irische, schwedische und auch besondere ukrainische Melodien sowie verschiedene „Dona nobis pacem“-Vertonungen vereinten Melancholie und Trost zu einer ganz besonderen Atmosphäre. Besonders in den ukrainischen Liedern klangen aktuelle Themen an, schwebte die Sehnsucht nach Frieden mit. Auch zu diesem Thema gab Pfarrer Lüdtke einen Denkanstoß – manchmal gebe es nur einen gestifteten, gezwungenen oder sogar erpressten Frieden. „Mehr geht manchmal nicht“, meinte Lüdtke in Anspielung auf die aktuelle politische Lage in und mit der Ukraine.
In Kooperation mit dem ökumenischen Kirchenchor aus Stierstadt-Weißkirchen zeigte sich: Gemeinschaft wird dort erlebbar, wo Menschen ihre Stimmen verbinden. Auch gab es dabei einen psychologischen Blickwinkel: Lüdtke bezog sich auf Carl Gustav Jung, dem Schweizer Psychiater, der das Konzept des Schattens entwickelte – die unbewussten, verdrängten oder abgelehnten Aspekte der Persönlichkeit. Jung sah die Integration des Schattens als zentral für psychologisches Wachstum und innere Ganzwerdung an. Lüdtke umriss diese „Schattenarbeit“ – Licht und Frieden können entstehen, wenn wir uns auch den inneren Schatten zuwenden. Und so klingt der November in Steinbach nach: leise, tröstlich, aber voller Kraft. Während draußen der erste Schnee fiel, strahlte im Kirchenraum das Licht zwischen den Schatten besonders hell – und mit ihm Hoffnung auf Frieden, der frei ist wie eine Taube: nicht festhaltbar, sondern ein Geschenk. Der Eintritt zu dem Abend war frei, Spenden wurden freudig entgegengenommen.
Pfarrer Herbert Lüdtke gibt zwischen den musikalischen Eindrücken von der Kanzel herunter einige Denkanstöße zu vielen aktuellen Themen.Foto: nel
Anastasiia Bosenko, Marion Then und Sabine Baumgart (Gesang) musizieren gemeinsam mit Ellen Breitsprecher (Klavier). Sie präsentieren einen traditionellen, irischen Titel mit Namen „,Danny Boy“.Foto: privat

