Rassismus, Schubladendenken und eine echte Freundschaft

Auf den Schrecken jetzt schnell ein Gläschen. „Miss Daisy (Doris Kunstmann) und ihr Sohn Boolie (Benjamin Kernen) müssen den Totalschaden des Wagens verdauen. Foto: csc

Steinbach (csc). Das Stück beginnt mit einem lauten Scheppern. Es ist jene Art von Geräusch, dass alles sagt. Und es sagt: Totalschaden. Die letzten Optimisten im Saal des Bürgerhauses, die gehofft hatten, dass das Auto von Miss Daisy die Karambolage mit dem Geräteschuppen überlebt haben könnte, wurden mit dem Auftritt der alten Dame und ihres Sohnes Boolie eine Minute später eines Besseren belehrt.

Apropos belehren, gegen sowas ist Miss Daisy, gespielt von Doris Kunstmann, absolut immun und so verwundert es nicht, dass sich die resolute 72-Jährige vehement gegen die Einstellung eines Fahrers wehrt, den Boolie, verkörpert von Benjamin Kernen, einstellen will. „Das fehlt mir noch, dass sich so ein Chaufeur in meiner Küche rumfläzt“, schimpft die resolute Lady aus Atlanta Georgia. Doch Boolie setzt sich durch und engagiert den schwarzen Hoke, dargestellt von Ron Williams. „Ihr Boss bin ich, das ist der springende Punkt“, betont Boolie gegenüber Hoke. „Sie wird ihnen das leben zur Hölle machen, aber feuern kann sie Sie nicht.“

So nimmt das Stück „Miss Daisy und ihr Chauffeur“, nach einem Schauspiel von Alfred Uhry, seinen Lauf. Die beliebte Schauspielerin Doris Kunstmann spielt die kratzbürstige, zuweilen etwas grobe aber dennoch liebenswerte Miss Daisy perfekt. Aber auch Ron Williams geht in seiner Rolle als einfacher, lebenskluger Chauffeur voll auf. Vielleicht auch deshalb, weil der 1942 in Kalifornien geborene Amerikaner Musik im Blut hat und mit seinen Gospel-Einlagen das Drama auflockert und so die Zuschauer in die Südstaaten des Jahres 1948 mitnimmt. Denn ja, auch wenn die verbalen Schlachten, die sich Miss Daisy und ihr Chauffeur liefern auch das Steinbacher Publikum oft zum Lachen brachte, so hat das Stück einen ernsten Hintergrund, der heute noch genauso aktuell ist, wie bei seiner Uraufführung im Jahr 1988. Es geht bei „Driving Miss Daisy“, so der Originaltitel, nicht nur um eine skurrile Fahrgemeinschaft zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sondern auch um Rassismus, Schubladendenken und echte Freundschaft über alle Konventionen hinweg. Auch, wenn beide sich nur langsam einander annähern und es vieler Fahrten – sei es zum Piggly-Wiggly-Einkaufszentrum oder zum jüdischen Tempel – bedarf, erwächst aus der anfänglichen Ablehnung tiefer Respekt füreinander. Dies spiegelt sich eindrucksvoll in der Abschlussszene von Regisseur Frank Matthus wieder, als ein selbst in die Jahre gekommener Hoke die an den Rollstuhl gefesselte über 90 Jahre alte Miss Daisy füttert.

Nach dem großen Abschlussapplaus überraschte Ron Williams die Zuschauer noch mit einer weiteren musikalischen Zugabe von „Georgia on my mind“. „Ich denke, dass wir mit unserer Musik trotz aller Widrigkeiten Amerika eine Seele gegeben haben“, betont Williams, der im Laufe seiner Militärlaufbahn nach Deutschland kam und beim legendären Radiosender AFN seine Medienkarriere begann. „Ich kam Ende der 60er Jahre als junger Soldat nach Georgia und habe dort selbst das hässliche Gesicht der Rassentrennung kennengelernt.“

Mit diesen Worten und den Klängen des Songs von Ray Charles im Kopf, zog das Publikum schließlich nach Hause.



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