Nach 32 Jahren kommt für die „Bücherstube“ das Aus

Ende Juni schließt Sabine Kuhlmann ihre 18 Quadratmeter große Bücherstube. Foto: js

Bad Homburg (js). Für die Stammkunden ist die „Homburger Bücherstube“ in all den Jahren immer mehr als ein Buchladen gewesen. Sie können es kaum glauben, dass die gelbe, etwas antiquiert wirkende Markise über dem kleinen Laden in der Haingasse ihnen nicht mehr als Wegweiser dienen wird. Redakteure etwa, die in den vergangenen Jahrzehnten in Redaktionsstuben in direkter Nachbarschaft gearbeitet haben. Literaturfreunde ebenso, denn die Bücherstube ist auch Partnerbuchhandlung der Büchergilde Gutenberg. Auch Leser, die persönliche Beratung mögen. Man könnte vorbeigehen an der schlichten Fensterfront, wenn da nicht die gelbe Markise wäre und meist ein kleiner Büchertisch mit Sonderangeboten. Dahinter 18 Quadratmeter Buchwelt ohne Kaffeeküche, die Toilette im Hof. Sabine Kuhlmanns Welt seit 32 Jahren, Ende Juni wird diese kleine besondere Welt geschlossen. Ab 2. Juni bittet Sabine Kuhlmann zum Räumungseinkauf. Dankbar wäre sie, wenn viele das auch als Unterstützung in harten Zeiten verstehen würden. Lager räumen, alles muss raus, hier wird etwas beendet.

So krachend gelb wie die Markise und die Decke im Laden über dem roten Teppichboden ist der kurze Brief zum langen Abschied, den Sabine Kuhlmann den rund 400 Stammkunden geschickt hat, deren Namen sie alle kennt. Ein paar werden es geahnt haben, man spricht ja viel miteinander im Laden. Nicht nur über Bücher. Es gab auch Tränen, Entsetzen, „man will’s nicht wahrhaben“, sagt eine ältere Dame kopfschüttelnd, die einen kleinen Stapel schön verpackter Bücher abholt. Auch sie über 70 Jahre alt, die treuen Bücherseelen, die ein Gespräch beim Einkauf dem anonymen Online-Handel vorziehen, werden älter und weniger. „Leider bricht jedes Jahr ein Jahrgang weg“, hat Sabine Kuhlmann schon beim 25. Jahrestag einer Chronistin geflüstert. Es ist kein plötzlicher Tod, den die Buchhändlerin mit dem schwäbischen Arbeitsethos im Brief und auf gelben Zetteln verkündet, die im Laden ausliegen. Es ist der Schlusspunkt unter einer nur in den Geschäftszahlen aufgeschriebenen Chronik eines angekündigten Todes. Sabine Kuhlmann aus Heilbronn hat ihren Beruf lange als Berufung gelebt und geliebt. Hat den Miniladen übernommen, der einst von einem Lehrer und der späteren Ehefrau von Ex-Oberbürgermeister Michael Korwisi gegründet wurde, als es sie nach Bad Homburg verschlug. Mit Liebe zum Buch, Freude am Austausch über die Bücher, die über den schmalen Ladentisch in der bescheiden eingerichteten Stube gehen. Platz nur für einen kleinen Tisch, zwei Sessel und etwa 4000 Bücher im Rundum-Regal. Die Sessel nur für die Kunden, „man muss doch sitzen und seine Taschen ablegen können“, sagt Kuhlmann.

Nein, Corona ist nicht der Killer einer verlöschenden Welt, wie sie in der Bücherstube gelebt wurde. Allenfalls der Schlusspunkt. „Nach 32 Jahren muss ich meine Buchhandlung leider aus finanziellen Gründen schließen.“ Der erste Satz im Abschiedsbrief von Sabine Kuhlmann sagt alles, was zu sagen ist. Viele Jahre hat der Laden die Bücherfrau recht ernährt, später schlecht, zuletzt nicht mehr. Vor allem die letzten zwei Jahre waren keine Spaßjahre mehr. Immer verfügbar sein, immer funktionieren müssen, steter Druck als Einzelkämpferin und darüber das ewige „Damoklesschwert, ich darf nicht krank werden“. Der Druck hat sie ausgelaugt, erschöpft bis in Grenzbereiche. Bis 2008 lief das Geschäft noch normal, seitdem zeigt die Kurve stetig bergab. Der Feind sitzt in veränderten und vor allem größeren digitalisierten Buchwelten. Demnächst wird Sabine Kuhlmann 60 Jahre alt, es ist Zeit, die Reißleine zu ziehen. Der Räumungsverkauf auf ihren knapp 18 Qua-dratmetern in Zeiten des Abstandhaltens wird unter erschwerten Bedingungen zur letzten Herausforderung.

Ab 2. Juni können Literaturfreunde Sabine Kuhlmann beim Aufräumen in der „Bücherstube“, Haingasse 16, helfen. Jede Menge gute Bücher suchen neue Freunde, auf alle gibt es 30 Prozent Rabatt. Bei Karten beträgt der Nachlass 50 Prozent.



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