Allison aus Lima und die kleinen Löwen

Kita-Leiter Christopher Denfeld im Gespräch mit Erzieherin Allison Alarcón Rojas aus Lima in Peru, die seit fünf Monaten das Erzieherteam in der Kita Leimenkaut verstärkt. Foto: fch

Bad Homburg(fch). Deutschland geht die Arbeit nicht aus, wie vor ein paar Jahren wegen Automation und Digitalisierung befürchtet wurde. Im Gegenteil: Es fehlen die Menschen, die all die vorhandenen Aufgaben erledigen könnten. Offene Stellen gibt es in vielen Bereichen, überall fehlt der Nachwuchs. Auch in den Kindertagesstätten. In Bad Homburg geht man jetzt neue Wege und wirbt auch im Ausland um Erzieher.

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen in Deutschland bis 2030 rund 230 000 Erzieher. Die wirtschaftlichen Folgen sind hoch. Der Fachkräftemangel kostet Deutschland nach Expertenmeinung zwischen 40 und 90 Milliarden Euro Wachstum – jedes Jahr. Um die angespannte Personalsituation in den städtischen Kitas abzufedern, die sich mit Eintritt der nach und nach in Rente gehenden geburtenstarken Jahrgänge weiter verschärfen dürfte, beschreitet die Stadt Bad Homburg seit drei Jahren neue Wege. Neue Erzieher werden nicht mehr allein im Inland und bei Zeitarbeitsfirmen gesucht, sondern mit Hilfe von Personaldienstleistern auch im Ausland.

Inzwischen arbeiten durch Vermittlung des Personaldienstleisters Helmeca acht spanische Erzieherinnen in den städtischen Kitas, die alle inzwischen mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag ausgestattet sind. Einzig eine dieser Erzieherinnen hat der Liebe wegen inzwischen die Stadt und Hessen verlassen und das Bundesland gewechselt. Ermutigt von diesem Erfolg will die Stadt auch künftig pro Jahr zwei spanische Erzieher in die städtischen Strukturen integrieren. Da sich der Fachkräftemangel bei Erziehern nicht allein durch die spanischen Kräfte noch durch eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten schließen lässt, da Berufsschullehrkräfte fehlen und es auch nicht genügend Quereinsteiger gibt, sind weitere Schritte erforderlich. Vor allem, weil sich für die Kitas die Lage zusätzlich dadurch verschärft, dass bereits heute nicht alle Kommunen den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erfüllen können. „Aktuell arbeiten in den städtischen Kitas rund 360 Fachkräfte. Aufgrund einer permanenten Fluktuation sind immer noch einige freie Stellen zu besetzen, auch kurzfristig“, sagt Eva Jethon, Fachbereichsleiterin für die städtischen Kitas.

Lateinamerika, Afrika, Asien

Um diese besetzen zu können und den weiteren Personalbedarf durch neue in absehbarer Zeit hinzukommende Kitas decken zu können, arbeitet die Stadt jetzt auch mit dem Frankfurter Personaldienstleister TalentOrange zusammen. Der akquiriert Fachkräfte in Lateinamerika, Afrika (Namibia) und Asien. Bisher hat das Unternehmen der Stadt drei qualifizierte Erzieher im November 2022 vermittelt, die vierte tritt ihren Dienst Ende März an. Bei den Erziehern handelt es sich um Allison Alarcón Rojas, die in der Kita Leimenkaut in Ober-Eschbach die Kinder in der Löwengruppe betreut, und um Carmen Medrano Mondragón, die in der Kita Hausmannspark beschäftigt ist. Beide kommen aus Peru. Aus Kolumbien kommen Alejandra Santoyo Aléman in der Krippe Oberste Gärten und Katering Monsalve Mejia, die ab Ende März das Team in der Kita Ober-Erlenbach verstärkt. Begeistert ist die Fachbereichsleiterin von den guten Deutschkenntnissen der neuen Mitarbeiterinnen aus Südamerika und deren fachlicher Qualifikation.

Allison ist 25 Jahre jung, hat in ihrer Heimat fünf Jahre lang Erziehungswissenschaften studiert und mit dem Bachelor (B. A.) abgeschlossen. Zudem verfügt sie über drei Jahre Berufserfahrung. Mit dem Wechsel nach Bad Homburg erfüllte sich Allison den Wunsch in einem fremden Land zu arbeiten und die Welt kennenzulernen sowie eine bessere und gesicherte Bezahlung. Das Erziehergehalt liegt in Deutschland durchschnittlich bei rund 3058 Euro brutto monatlich und in Lateinamerika bei 400 bis 500 Euro im Monat bei ähnlich hohen Lebenshaltungskosten wie in Deutschland. Das hat zur Folge, dass viele einen Zweitjob brauchen und lange zu Hause wohnen bleiben müssen. Bereits im „Anerkennungsjahr“ erhalten Allison und ihre Kolleginnen 1600 Euro brutto monatlich.

Inzwischen hat sich die junge Frau in Bad Homburg eingelebt, in Burgholzhausen eine Wohnung mit Unterstützung von TalentOrange gefunden und neue Freunde durch einen Frankfurter Instagram-Freund kennengelernt. Die Arbeit in einer deutschen Kita unterscheide sich sehr von der in einer peruanischen. In ihrer Heimat sei der Kita-Aufenthalt stärker verschult, es werde weniger gespielt. Und die Erzieher würden mehr Dienstleistungen für die Kinder übernehmen, berichtete Allison. „In Deutschland steht die Erziehung zur Selbstständigkeit im Vordergrund, Kinder erlernen demokratische Prozesse. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der Kinder“, sagte Kita-Leiter Christopher Denfeld. Probleme mit den 99 Kita-Kindern oder deren Eltern hatte Allison keine. Allison lernt von den Kinder Deutsch und diese von ihr Spanisch. „Kinder sind die besten Integrationshelfer, die man haben kann“, sagt der Kita-Leiter.

Allison sei für das Team eine Bereicherung. Sie freut sich auf den Sommer in Deutschland, auf Wärme und Helligkeit. Zudem kommen sie ihre Eltern und die beiden größeren Geschwister besuchen. Und sie hat ein neues Lieblingsgericht entdeckt: Schnitzel mit Pommes frites und Soße.



X