Apokalyptische Szenarien beim Blick in den Wald

Klaus Ohlenschläger zeigt, wie sich Betrachter von der Detailaufnahme mit Hilfe des QR-Codes Panoramabilder des Standorts anzeigen lassen können. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Fotografieren und Mountainbiken sind zwei Leidenschaften des Bad Homburgers Klaus Ohlenschläger. Immer dabei hat der freie Fotograf eine Kamera. Auch, wenn er mit dem Mountainbike im Wald unterwegs ist. Die Ausbeute seiner sportlichen Tour durch die Natur zeigt er in der Fotoausstellung „Transformationen“ in der Stadtbibliothek. Eingefangen hat er die Auswirkungen der Klimakatastrophe im Taunus auf 20 ausdrucksstarken Fotografien.

Der Kreislauf der Natur ist dem Fotografen durch seinen Sport bestens vertraut, hat seinen Blick für Veränderungen geschärft. „Auch im Taunus sind die Folgen des Klimawandels gravierend und sorgen für tiefgreifende Veränderungen. Hitze, Trockenheit, Sturm und Schädlingsbefall haben dem Wald sehr zugesetzt.“ Das Ausmaß der Schäden ist in einigen Waldgebieten groß. Der Blick in den Wald kommt teils apokalyptischen Szenarien gleich. Großflächig liegen Baumstämme von Stürmen entwurzelt wild durcheinander oder ragen Galgen gleich anklagend in den Himmel. Abgestorbene Wurzeln, dürre oder verkümmerte Äste und verdorrte Früchte ziehen Betrachter ebenso in ihren Bann wie geheimnisvolle Hieroglyphen auf Baumrinden.

Die in vielen Teilen des Waldes zu sehenden Schäden sind Metaphern für eine Natur im dramatischen Umbruch. Sie regten den Fotografen zu seinem durch Stipendien der Hessischen Kulturstiftung geförderten Fotoprojekt „Transformationen“ an. Mit seiner Nikon hat er diese Transformationen in seiner ersten dem Wald gewidmeten Serie dokumentiert. Dabei stellt er oft Details in den Fokus. Und lenkt vom „Schönen im Kleinen, so grausig es auch sein mag, den Blick auf den Zusammenhang“. Dazu hat er QR-Codes neben den Fotografien angebracht. So kann jeder Besucher sich auf seinem Smartphone verlinkte 360-Grad-Panoramaaufnahmen anzeigen lassen. Mit Hilfe der „Totale“ wird das Ausmaß der Schäden an den Aufnahmestandorten der Fotos sichtbar. Sie wie auch Panoramaaufnahmen sind ebenfalls verlinkt und können über Google Maps angezeigt werden. „Alle Teile der hybriden Ausstellung sind über eine eigene Projektseite im Internet erreichbar.“ Im Taunus fotografiert hat Ohlenschläger für sein Projekt zwischen März 2020 und Januar 2021. Aufnahmeorten waren im Hochtaunus rund um Feldberg und Sandplacken zwischen Fuchstanz, Altkönig und Oberursel Hohemark, Schmitten, Neu-Anspach, Hessenpark, Saalburg und Bad Homburg. „Die schlimmsten Schäden sind rund um den Sandplacken.“ Eng zusammenstehende Fichtenmonokulturen behindern die Bäume in ihrem Wachstum. Sie haben wenig Platz, kaum Licht, keine Äste, keine Nadeln, gleichen Gerippen. Großflächige Abholzungen der Fichtenbestände infolge von Stürmen hinterließen einen Kahlschlag. „Erst haben Stürme in den Fichten-monokulturen ihre Spuren hinterlassen und Stämme reihenweise umgeworfen. Dann kamen die Schädlinge.“ Allen voran Borkenkäfer wie Buchdrucker und Kupferstecher. Buchdrucker befallen den Stammbereich von mittelalten bis alten Fichtenbeständen (ab 50 bis 60 Jahre). Der Kupferstecher bevorzugt dünnborkige Stammteile im Kronenbereich älterer Fichten sowie Jungpflanzen. Kupferstecher reagieren auf Duftsignale geschädigter Bäume. Sie bevorzugen Schwachholz und Kronen.

Vor allem Bäume mit fortgeschrittenen Trockenschäden sind vom Borkenkäferbefall betroffen. Alle Borkenkäferarten legen unter der Rinde ihre Eier ab. Die schlüpfenden Larven fressen die wichtigsten Schichten des Baumstammes unter der Rinde und zerstören die Lebensadern des Baumes. Ist der Saftfluss in die Krone vollständig zerstört, ist der Baum nicht mehr zu retten. Zudem übertragen die Borkenkäfer auch Pilze von Baum zu Baum. Pilze wachsen aus den Fraßgängen der Käfer ins Holz, wo sie die Wasserleitungsgefässe verstopfen. Die Pilze bringen die Bäume zum Absterben, verfärben zudem das Holz blau. Die facettenreichen Spuren der Käfer in den Baumrinden und Stämmen, die filigranen Kunstwerken gleichen, hat Klaus Ohlenschläger im Detail festgehalten. Er versteht „seine Arbeiten als ästhetische, künstlerische Annäherung an stetigen Wandel im Spannungsfeld zwischen Natur und Zivilisation“.

Bibliotheksleiter Klaus Strohmenger sagt: „Es ist zwar keine positive Ausstellung, aber sie kann helfen, Besucher zum Umdenken und damit zur Rettung von Bäumen anzuregen.“

!Die Stadtbibliothek ist bis 18. April für den Publikumsverkehr geschlossen. Klaus Ohlenschläger zeigt seine Bilder samt QR-Codes entlang der Fensterfront auf der Rückseite der Stadtbibliothek. Geplant ist Ende Mai zudem eine Midissage im Freien. Die Fotoausstellung „Transformationen“ soll bis zum 10. Juli gezeigt werden.

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