Bad Homburg (nl). Ein neuer Fall für Bruno, Chef de Police – und ein neuer Frühling in der Buchhandlung Supp. Zum 17. Mal eröffnete der britische Schriftsteller Martin Walker seine Deutschland-Lesereise bei Martina Bollinger in der charmanten kleinen Buchhandlung, in der zwischen Romanen und Regalen seit Jahren die Literatur Saisonstart feiert – immer mit Stil, immer mit Geschmack.
In diesem Jahr stellte Walker seinen neuen Roman „Déjà-vu“ vor – ein Titel, der neugierig macht. Und das zu Recht: In dem Buch verschwimmen Erinnerung und Gegenwart, ein lange verdrängtes Kapitel der Geschichte taucht plötzlich wieder auf. Bruno, wie immer besonnen, hungrig und charmant, muss sich nicht nur mit politischen Abgründen, sondern auch mit sehr persönlichen Fragen auseinandersetzen. Es ist einer von Walkers nachdenklichsten Romanen – getragen von seiner feinen Beobachtungsgabe und seiner Liebe zum südwestfranzösischen Lebensgefühl.
Doch bevor Walker zur Lesung ansetzte, wurde erst einmal serviert. Denn bei Martina Bollinger geht Literatur durch den Magen. Zwischen Regalen voller Neuerscheinungen und Klassikern wurden Klapptische aufgestellt, mit Papierservietten im Spargel-Design liebevoll eingedeckt. Es duftete nicht nach Buchdruckfarbe, sondern nach Gemüsebrühe, frischen Kräutern und Sauce Hollandaise.
Der kulinarische Auftakt: eine rote Spargelsuppe, die nicht nur optisch ein Ereignis war. Wie genau der Spargel zu dieser Farbe kam, blieb das Geheimnis der Gastgeberin. Das Publikum war begeistert – von der Suppe wie vom Rätsel. Es folgten kleine, kunstvoll angerichtete Gänge: grüne Soße und frischem Brot, dazu grüner Spargel, knackig auf den Punkt gegart, fein gewürzt, sparsam begleitet von ein paar Tropfen bestem Olivenöl.
Die Teller waren klein, die Begeisterung groß – und zu jedem Gang wurde angeregt diskutiert: über das Buch, über Frankreich, über gutes Essen. Dass sich Literaturveranstaltungen auch als Fest für alle Sinne inszenieren lassen, bewies dieser Abend eindrucksvoll.
Zum Dessert schließlich eine Mousse au Chocolat – luftig, nicht zu süß, schlichtweg perfekt. Und nein, diesmal ohne Spargel. „Ein Ausklang, wie er sein muss“, sagte eine Besucherin mit glücklichem Gesicht.
Ein Autor, der erzählen kann – auf jeder Ebene
Walker selbst wirkte völlig in seinem Element. Der frühere Journalist, der in Oxford Geschichte studierte und dann für die Washington Post unter anderem über den Kalten Krieg, Südafrika und die Sowjetunion berichtete, ist ein brillanter Erzähler – nicht nur auf dem Papier.
Mit leiser Stimme und trockenem Humor plauderte er über seine Recherchen in französischen Polizeibehörden, über die kulinarische Akribie seines Protagonisten und über das Schreiben in einem Land, das sich mit Genuss und Geduld dem Alltag widmet. Seine Romane sind das Gegenteil von Hochglanzkrimis: Sie sind warm, präzise, und sie nehmen sich Zeit – so wie der Autor selbst.
Und dann kam dieser Moment: Die Teller abgeräumt, der Applaus verklungen, die letzten Seiten gelesen – da stand Walker auf, ganz ruhig, und sagte: „Ich glaube, jetzt ist es Zeit für etwas Musik.“ Und sang. Jacques Brel. Leise, rau, ohne Mikrofon – einfach so. Die kleine Buchhandlung hielt den Atem an. Es war kein Auftritt, es war ein Geschenk. Ein Moment, den man nicht ins Programm schreibt, sondern im Herzen mitnimmt.
Ein Abend, der bleibt
Dass große Literatur nicht zwingend große Räume braucht, wurde an diesem Abend wieder deutlich. Zwischen Weinflaschen, Wörterbüchern und wunderbaren Menschen feierte ein Autor sein Buch, eine Buchhändlerin ihre Leidenschaft, und ein Publikum eine Tradition, die über Jahre gewachsen ist und nichts von ihrem Charme verloren hat.
Ob es nächstes Jahr weitergeht? Aber sicher. Die Fans von Bruno – und von Martina Bollinger – haben dieses Datum längst wieder im Kalender vorgemerkt.
Martina Bollinger und Martin Walker: Zwei, die seit 17 Jahren gemeinsam lachen – diesmal über Spargel, Chansons und literarische Déjà-vus. Foto: nl