Bad Homburg (ba). Die Band „Nighthawks“ wurde bei ihrem Konzert im Speicher ihrem Namen gerecht. Die „Nachteulen“ begannen um halb zehn abends und spielten bis nach Mitternacht. Ihre Stilrichtung zu beschreiben, ist kein einfaches Unterfangen: Einflüsse aus dem Jazzrock, Fusion, NuJazz, Progrock, Chill-Out und einige Impulse aus dem Ethno-Bereich sind auszumachen.
In der Gruppe sind fünf sehr unterschiedliche Musiker am Werk, die in vielen verschiedenen Genres zu Hause sind. Sie bringen das Beste daraus in ihrer jeweils ganz individuellen Art und Weise in das gemeinsame Projekt ein. Die Musik von „Nighthawks“ verfügt über eine gewisse Magie, die nur entstehen kann, wenn Persönlichkeiten zusammenspielen, die Musik über alles lieben und die bereit sind, sich zu öffnen für das, was erst in der Gemeinschaft entstehen kann. Die Klänge, die sich daraus entwickeln, sind beseelt, energetisch, gefühlvoll, zart und stark gleichzeitig. Manche Stücke verführen zum Träumen, sind geradezu meditativ und lassen die Zuhörer in einer angenehmen Trance entspannen. Andere sind durch einen vorwärtstreibenden Rhythmus so aufgeladen mit Energie, dass man kaum ruhig sitzen bleiben kann und gerne dazu tanzen würde.
Die Gründer von „Nighthawks“ sind Dal Martino (Bass, Gitarre, Keyboard, Gesang) und Reiner Winterschladen (Trompete und Flügelhorn), die schon seit etwa 30 Jahren zusammenspielen. Dazu kamen im Lauf der Zeit der Keyboarder Jürgen Dahmen, der Schlagzeuger Thomas Alkier und der Gitarrist Jörg Lehnardt. Die Musiker, die auf der Bühne nicht nur mit ihren Instrumenten kommunizieren, sondern auch mit Mimik und Gesten, strahlen viel Spielfreude und Harmonie aus. Beim Konzert lächelten sie sich oft zu, und ihr achtsamer Umgang miteinander wirkte sehr harmonisch. Sie spielten unter anderem einige Songs aus ihrem letzten Studioalbum „707“, dessen Titel auf den Flugzeugtyp anspielt, der Passagiere – darunter natürlich auch viele Musiker – in den späten 50er-Jahren erstmals nonstop über den Atlantik brachte und damit die kulturelle Entwicklung sehr förderte. Das Kernstück, die viersätzige 707 Suite, begeisterte die Zuhörer sehr. Und das als „Sommerlied“ angekündigte Stück „Camel Eyes“ präsentierte Reggae-Rhythmen zusammen mit chilligen Klängen des Flügelhorns – eine wirklich originelle Kombination.
Die Band „Nighthawks“ kreiert laut eigener Aussage „Musik für Reisende“. Es sind oft geradezu schwebende Melodien, manchmal vermixt mit originellen Zitaten und O-Tönen. Die Musiker wissen Technikeffekte sehr wirkungsvoll einzusetzen. Viele Rhythmuswechsel und virtuose Soli verwöhnen auch anspruchsvolle Hörer, die komplexe Musik schätzen. Dazwischen gibt es immer wieder überraschende Momente, zum Beispiel Hardrock-Rhythmen, die an Deep Purple erinnern, dann wieder Jazz-Anklänge an Miles Davis. Die oft gedämpfte Trompete erzeugt mit Hall-Effekten sehnsuchtsvolle, ja fast transzendente, sphärische Klänge. Es gibt viel Raum für Improvisationen, und jeder einzelne Musiker kann auch in Solo-Passagen sein Können und seine Individualität zeigen.
Auf die Frage, ob der Bandname „Nighthawks“ eventuell vom Militärjet F117 oder von Edward Hoppers gleichnamigem weltberühmten Bild abstammt, erzählt Dal Martino: „Wir haben früher aus Kostengründen oft erst nachts im Studio gearbeitet, da hatten wir irgendwann den Spitznamen Nighthawks – also Nachteulen – weg.“ Der charismatische Musiker ist weit gereist, und hat auch einige Zeit im Ausland gelebt. Man spürt die Weltoffenheit auch in seinen Songs. Das Publikum genoss ein überaus inspirierendes Konzert und applaudierte am Schluss mit stehenden Ovationen. Es ist zu wünschen, dass die „Nighthawks“ bald wieder nach Bad Homburg kommen – mit ihrer Musik, die einfach glücklich macht.