Symbiose aus Kunst, Kultur und Natur

Die Arbeit „Natural History of Colonization“ des spanischen Künstlers Fernando Sánchez Castillo direkt unterhalb des Schmuckplatzes, drei Fragmente real existierender Monumente, zieht viele Blicke auf sich. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Die 13. Ausgabe der Skulpturenbiennale „Blickachsen“ ist eröffnet. Der Schmuckplatz an der Kaiser-Friedrich-Promenade bot einmal mehr den passenden Ort für den Start in den Kultursommer 2023, in dem die Kunst mit der Natur kommunizieren soll und die Menschen im Kurpark und im Schlosspark am besten mit beiden. Es würde den Anspruch der Ausstellung im Freien erfüllen, nach vier Jahren Entzug sind die Blickachsen zurück in der Kurstadt. Bei der Eröffnung im lockeren Ambiente im Stehen und mit flotter Live-Musik trafen sich schon mal rund 250 kunstsinnige Menschen.

Der Schmuckplatz zeigt sich bestens geschmückt, mit dahergeflogenen Kastanienblüten und reichlich geordneten Blumenbeeten. „Ein schöner Rahmen, der passende Platz“, wird allseits geschwärmt, der richtige Ort, zu dem man kurz vor Mittag in lässigem Chic kommt. Die Stadtgesellschaft versammelt, politische Prominenz mit einem ehemaligen Ministerpräsidenten, die Kunstszene, wichtige Sponsoren, ohne die solch ein Projekt nicht gestemmt werden kann, die Macher im Hintergrund, und auch die Künstler sind komplett angetreten. Es wird eng auf dem kleinen Podest bei der Vorstellung durch „Mastermind“ Christian Scheffel, den Gründer und Kurator der „Blickachsen“, die seit 1997 normalerweise im Zwei-Jahres-Takt die Menschen erfreut. Aber es zeigt auch die Verbundenheit zwischen Künstlern und Organisatoren, es ist beiderseits eine Ehre, bei den „Blickachsen“ dabei zu sein.

Die Zeit des Wartens ist endlich vorbei, sie sind zurück. Und die Stoßseufzer der Erleichterung, man vermeinte sie vielfach zu vernehmen an diesem schönen Sonntagmorgen im Mai. Auf dem Schmuckplatz und im weitläufigen Parkgelände unterhalb zwischen Spielbank und Jubiläumspark. Bis hinauf gar zum Schlosspark, dem zweiten Bein der „Blickachsen“. Mehr sollte es dieses Jahr bei der Wiederbelebung nach Zwangspause nicht sein, „die Satelliten setzen aus“, so Scheffel. Die Beschränkung durchaus bewusst, zurück zum Kern der inzwischen auch international renommierten Biennale. „Konzentration auf zentrale lokale Flächen, die herrlichen Parklandschaften eine wunderbare Plattform“, sagt Stefan Quandt, der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Blickachsen.

Kurdirektor Holger Reuter hatte schon Tage zuvor von der Biennale als einem „Leuchtturm Hessens mit großer Strahlkraft“ geredet. Natürlich hat das auch Kulturstaatssekretär Manuel Lösel in seinem Grußwort betont, mit Erfolgen schmückt man sich auch in Wiesbaden gerne. Christian Scheffel hat nach guter Tradition wieder einen Partner mit im Kunst-Boot, es ist bei der 13. Auflage sein Wunschpartner geworden, die Stiftung Insel Hom-broich aus der Nähe von Neuss, in deren künstlerischen Konzept, die sinnliche Wahrnehmung von Kunst und Natur einen ebenso hohen Stellenwert hat wie auf der temporären Kunstinsel Bad Homburg.

Die Künstler, wie immer ein „Überraschungspaket“, nur das Duo Winter/Hoerbelt fast ein Stammgast mit seinen großen Installationen, die immer für eine sehr schöne Blickachse gut sind. Diesmal von der Wiese neben den Tennisplätzen hinauf zum Siamesischen Tempel. Die „Perlen des Alltags“, eine Konstruktion aus 398 roten Autorücklicht-Abdeckungen sind ein markanter Farbtupfer im Wiesengrün. „Die Landschaft schreit danach“, sagt eine Frau im Dialog mit ihrem Mann, meint nicht nur die Perlen des Alltags, meint das Gesamtkunstwerk Kunst und Natur von menschlicher Hand mitgestaltet. Zwei Dutzend Kunstschaffende sind eingeladen, sie präsentieren 30 Werke. Die Beschränkung auf zwei Standorte hat den Vorteil, sich die Blickachsen 13 an einem Tag anschauen zu können. Wer einmal die Idee der Achsen für sich inhaliert hat, weiß sofort, was die Frau meint, die vom Schrei der Landschaft danach spricht.

Je länger die Grußworte, desto mehr scharren die Füße auf dem Schmuckplatz. Bis der Weg zur Kunst unter freiem Himmel offiziell freigegeben wird und das ausgehungerte Publikum in Gruppen mit „Kunstguides“ loszieht oder sich allein, als Paar, mit der Familie auf den Weg macht, um seine eigene Blickachse zu entdecken. Schon vor der Eröffnung hat Christian Scheffel von bereits 80 gebuchten Führungen berichtet, so groß sind die „Entzugserscheinungen“ (Stefan Quandt), die in den vergangenen zwei Jahren durch kleine „Ersatztouren“ zu früheren Kunstwerken kompensiert werden mussten, die nun den öffentlichen Raum Bad Homburgs schmücken. Von einem erneuten städtischen Ankauf, einem Werk aus der Serie „Blickachsen 13“, war am Sonntagvormittag auf dem Schmuckplatz noch nicht die Rede.

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