„Das soziale Engagement dieser Frau ist einfach so groß – da mussten wir sie mit einem Geburstagsständchen ehren. Das ist eine Selbstverständlichkeit, zumal sie auch in der Euterpe Mitglied ist“, sagte der Vorsitzende der Euterpe, Michael Foeller, nachdem der letzte Ton der Lieder im Pfarrzentrum St. Dionysius verklungen war, in das Dr. Hildegard Bonczkowitz anlässlich ihres 70. Geburtstages eingeladen hatte. Zusammengefunden hatten sich hier Mitglieder der drei Gesangvereine Euterpe, Liederkranz Kelkheim und Liederkranz Münster. Und der Posaunenchor der Evangelischen Kirchen sah es genau so. Ein Bläser-Ständchen also für die Kelkheimerin, die an diesem Tag nicht nur die Familie mit allen Enkeln, sondern auch viele Freunde und Bekannte um sich gesammelt hatte. Unter ihnen auch den Radiologen Dr. Hanw Tjung Go, ein Indonesier, der mit ihrer Gruppe ins Examen stieg und den sie 44 Jahre lang nicht gesehen hatte. Er kam aus Aachen, um die Kommilitonin von damals wiederzusehen.
Es gab an diesem Tag noch so manches andere, das sich zunächst nicht auf das soziale Engagement der Ärztin bezog. Wie zum Beispiel der „Nachhilfeunterricht“ für viele der Nichtkelkheimer durch die als Frankfurterin verkostümierte Christa Wittekind. Die wissen nun, was um die vorletzten Jahrhundertwende in Kelkheim ein Büfett war, eine Anrichte, ein Schrank, und dann der Blick auf das heutige Büfett, beispielsweise angerichtet vom Löwen in Münster.
Und dann noch die Erinnerungen des Bruders an den 12. April 1945, als Hildegard in dem kleinen ländlichen Dorf weiter westlich von hier im Hochsauerland zur Welt kam.
Alles war knapp. Aber vorsorglich hatte die Familie etwas Seife gehortet, damit Klein Hildegard nicht mit schlimmer Kriegsseife, sondern mit etwas Edlerem gebadet wurde. Und die Familie ging so sparsam mit dem seltenen Gut um, dass Reste in eine Truhe auf dem Dachboden wanderten, vom Bruder vor Kurzem „ausgegraben“, als er nach Dokumenten suchte. Und von diesem Schatz brachte er der Schwester als Geburtstagsgeschenk ein Stück mit. Wird das beim Waschen oder Duschen ein freudiges Wiedererkennen geben?
Wenn von einem Wiedererkennen die Rede ist, dann sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass Dr. Hildegard Bonczkowitz schon vor Jahren mit der Verdienst-Medaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde. Sie ist Initiatorin und Leiterin des „Fördervereins für Gera und Crimmitschau“, der bereits vor der Wiedervereinigung Deutschlands gegründet wurde. Die Hautklinik Gera und das Kreiskrankenhaus in Crimmitschau erhielten Unterstützung in Form von medizinischen Ausrüstungen und Hilfsmitteln, Medikamenten und Spritzen bis hin zum Fotokopierer.
Es ist schwierig, die Liste zu verlängern, ohne zu erwähnen, dass sie so manches im Verborgenen bewirkt, ohne dass davon groß geredet wird. „Das will ich auch nicht“, sagt die Ärztin, die eigentlich Missionsärztin in Lambarene werden wollte, angeregt damals durch Dr. Albert Schweitzer.
Ihre Hilfe für andere reicht bis nach Russland, Südamerika und zur Zeit Rumänien. Sie spendete Geld für Einrichtungen in Afrika. Das hat sich inzwischen verlagert. „Afrikaner kommen heute zu uns“, sagt sie. „Und da müssen wir helfen.“ So gilt augenblicklich ihr persönlicher und finanzieller Einsatz der Bürgerstiftung auch den Flüchtlingen. Wenig bekannt ist, wie viel Geld als Hilfe an den Runden Tisch fließt, Geld aus der Kasse der Bürgerstiftung. Und hier sind wir bei einem neuen Thema angekommen, der Bürgerstiftung. Unermüdlich und ohne Pause erinnert sie an diese Einrichtung, die inzwischen auch eine Hilfe für Kelkheimer Schulen geworden ist. Keine Geschenke bitte, hatte sie in der Einladung unterstrichen, lieber eine Spende für die Bürgerstiftung.
Bleibt noch ein weiteres Thema, sicherlich haben wir damit nicht alles erfasst: Dr. Hildegard Bonczkowitz als Kunstmäzenin. Ihrem finanziellen Engagement ist es zu verdanken, dass auf der Skulpturenwiese am Gagernring „Das Kelkheimer Tor“ von Christian Hack und „Die Welle“ von Claudia Pense stehen. Zudem unterstützt sie großzügig das Museum für Möbelhandwerk und Stadtgeschichte. Dazu kommt die Finanzierung der Gedenktafel Staufenschwur auf dem Staufen wie die Max-von-Gagern-Gedenktafel. Nicht nur das: Die Gagern-Steine. Sie steht nach wie vor zu ihrer Einstellung, ihrer Auffassung der Bedeutung der Familie von Gagern nicht nur für Kelkheim, sondern für die heutige Bundesrepublik. Und dies vor allem aus der Geschichts-Kenntnis zur Wiedervereinigung und zur Bedeutung des Wortes Freiheit in der heutigen Zeit.
Das Bild oben: Michael Foeller und die Mitglieder der Gesangvereine gratulieren, dann musikalische Glückwünsche auch vom Posaunenchor, das Wiedersehen mit dem indonesischen Kollegen und schließlich: Seife mehr als siebzig Jahre alt.