Kelkheim (nd) – Roter Trierer, Kaiser Wilhelm, Prinz Albrecht von Preußen – das sind nur einige Namen der zehn Apfelbäume, die am vergangenen Samstag von der „Bürgerinitiative gegen Hornau-West“ auf dem Hühnerberg gepflanzt wurden. Das Besondere an den klangvollen Namen ist, dass sich dahinter historische Apfelsorten verbergen. Unter dem Motto „Anpflanzen statt Abholzen“ luden die Mitglieder der Initiative interessierte Bürger zu der gemeinsamen Aktion, um auf die Pläne der Stadt Kelkheim aufmerksam zu machen. Bei heißem „Ebbelwoi“ und Schmalzbroten wurden die Bäumchen in die Erde gebracht.
Streitpunkt Hornau-West
Das Gebiet Hornau-West ist schon lange ein Streitpunkt. Vor allem aber, seit die Stadtverordnetenversammlung im vergangenen April die Bebauung des Gebietes endgültig beschlossen hatte. Laut Plan soll dann die sogenannte Gagernspange den Gagernring und die Kelkheimer Straße verbinden. Zusätzlich sollen ein Kindergarten, eine Seniorenresidenz und Geschosswohnbauten entstehen. Fünfzig Prozent des Bauplans sehen Einfamilienhäuser vor. Schon im April waren zahlreiche Bürger zur Parlamentssitzung gekommen, denn der mögliche Wegfall des Naherholungsgebietes erhitzt die Gemüter.
Laut der Initiative würde sich das Verkehrsaufkommen in Fischbach stark erhöhen. „Ganz Fischbach müsste aufstehen“, findet Peter Münker, der seit Beginn des Widerstands der Sprecher der Bürgerinitiative ist. Den meisten Fischbacher Bürgern sei noch gar nicht richtig klar, was auf sie zukomme. Er frage sich auch, wie die Baumaßnahmen bezahlt werden sollen. Allein für die Gagernspange sind 18 Millionen Euro veranschlagt; die Unterführung unter der Bahnlinie würde mit rund 25 Millionen Euro zu Buche schlagen. Bei diesen insgesamt 43 Millionen Euro ist dementsprechend noch nicht der Bau von Gebäuden einberechnet. „Die Stadt Kelkheim ist doch, drastisch gesagt, pleite“, so Münker.
„Warum die Natur zerstören, warum noch mehr Fläche versiegeln, wo wir doch so viel Leerstand haben?“, so Claudia Ungeheuer, Mitglied der Bürgerinitiative. Es seien genug Wohnungen vorhanden, und wenn man zusätzlich die Aufstockung von niedrigen Gebäuden erlauben würde, sei ohnehin kein Wohnungsmangel mehr gegeben. Man frage sich, warum man ein Gebiet bebauen würde, nur, um Menschen aus den Städten wie Frankfurt oder Mainz anzulocken.
Das Land, das bebaut werden soll, gehört der Stadt bisher nicht. Wenn die Eigentümer ihr Land nicht verkaufen, könnte Enteignung drohen. Fraglich, ob man wirklich so weit gehen würde. „Es gibt einige, die nicht verkaufen wollen – ich kann nur jedem raten, nicht zu verkaufen“, merkte Sascha Kessler, zertifizierter Streuobstbauer, an. Auch Uwe Struck, selbst Obstbauer, kann die Baupläne der Stadt nicht nachvollziehen. Struck verkauft samstagvormittags seine leckeren Bioäpfel „Auf der Herrenmauer 11“ – die Äpfel stammen von Streuobstwiesen. Er sieht ein großes Problem im Wegfall von diesen extensiv bewirtschafteten Flächen. „Es werden immer weniger“, so Struck.
Siedlungsgeschichte und Naturraum
Zuerst soll die Gagernspange gebaut werden. Sie würde sich mitten durch das Gebiet Hornau-West ziehen, durch Streuobstwiesen und Felder. In diesem Naturraum findet man viele geschützte Tierarten wie Igel, Blindschleichen und Fledermäuse. Auch Gartenschläfer wurden dort schon von Spaziergängern gesichtet. Der possierliche nachtaktive Kleinsäuger zählt zu den „Bilchen“ und wird auf der Roten Liste in Deutschland als stark gefährdet eingestuft. Für all diese Tiere würde der Lebensraum, der ohnehin immer kleiner wird, wegfallen.
Hinzu kommt, dass sich am Hühnerberg wahrscheinlich eine archäologische Stätte befindet. Dort wurden anhand von Bodenuntersuchungen Strukturen entdeckt, die höchstwahrscheinlich Überreste von Langhäusern sind. Diese wurden vor 7.500 Jahren von den jungsteinzeitlichen „Bandkeramikern“ erbaut. Sollte am Hühnerberg nun neu gebaut werden, müssten aufwendige Ausgrabungen stattfinden. Das würde den Bau nicht nur verzögern, sondern auch die Kosten enorm in die Höhe treiben. Der womöglich älteste Siedlungsort in Kelkheim würde unwiederbringlich zerstört werden.
„Die Bauherren könnten Überraschungen erwarten; unter dem Gebiet wurde auch schonmal Bergbau betrieben“, so Sascha Kessler.
Landesregierung will Bürgerbegehren einschränken
„Unsere letzte Möglichkeit könnte ein Bürgerbegehren sein“, so Peter Münker. Dieses bräuchte 2.300 Unterzeichner. Sollte die aktuelle Landesregierung jedoch ihre Pläne umsetzen, würde das allerdings schwierig werden. Schon im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wurde festgeschrieben, dass „Bürgerbegehren wichtige Infrastrukturprojekte in ihrer zügigen Realisierung nicht gefährden“ sollen. Kommunen sollen künftig Bürgerbegehren einschränken können. Sollte dieses direkte Mittel der Demokratie wirklich abgeschafft oder eingeschränkt werden, könnten Kommunen Bauprojekte wirklich schneller umsetzen – auch gegen den Willen der Bürger. Während die Oppositionsparteien im Landtag strikt gegen die Erschwernis von Bürgerbegehren sind, soll das Vorhaben laut der Bürgerinitiative Anklang bei Mitgliedern des Stadtparlaments finden. Bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung diese Pläne nicht umsetzen wird, damit das Volk weiterhin die Herrschaft hat und Demokratie gelebt wird.
Großer Zusammenhalt
Trotz viel Verdruss sei der Zusammenhalt unter den Gegnern der Bebauung von Hornau-West groß. „Das ist nicht gewöhnlich – der Zusammenhalt ist sehr wichtig“, erklärte Peter Münker. Seit der Gründung der Bürgerinitiative vor fünf Jahren sei diese im Kern erhalten. „Das ist eine Herzenssache für mich“, bestätigte Claudia Ungeheuer. Auch finanzielle Unterstützung können die Mitglieder der Bürgerinitiative brauchen, um die Unkosten zu decken – beispielsweise für die gesetzten Bäume. Im kommenden Jahr sollen erneut Obstbäume gesetzt werden. „Das Interesse ist groß, darf aber durchaus noch wachsen“, so Münker.