Eppenhain als Spiegel der Geschichte: Historikerin entdeckt vergessene Schätze in Archivbeständen

Historikerin Helma Brunck mit einem Teil der ArchivfundeFotos: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – Die Historikerin Helma Brunck hat in bisher unbekannten Archivbeständen von Eppenhain, dem kleinsten Stadtteil von Kelkheim, beeindruckende historische Erkenntnisse entdeckt. Mit ihrem Engagement und ihrer Expertise hat sie bedeutende Dokumente aus verschiedenen Epochen deutscher Geschichte zutage gefördert. Ihre Arbeit ist ein außergewöhnlicher Beitrag zur Aufarbeitung und Dokumentation lokaler Geschichte, der auf vielfältige Weise zum Verständnis größerer historischer Zusammenhänge beiträgt.

Einblick in historische Lebensrealitäten

Ein faszinierendes Beispiel ihrer Entdeckungen ist ein Aufruf der Regierung von 1915, in dem Bauern aufgefordert wurden, Stallmist und Jauche sorgfältig zu pflegen. Dies zeigt eindrücklich, wie die Herausforderungen des Ersten Weltkriegs – insbesondere die eingeschränkte Versorgung mit Rohstoffen – das Leben der Menschen prägten. Ebenso ein Aufruf zur sorgsamen Lagerung von Kartoffeln spiegelt die damalige Versorgungsnot wider.

Engagement und Zusammenarbeit

Im Rahmen einer engen Kooperation mit dem Stadtarchiv und dem Museumsverein von Kelkheim durchforstete Brunck über ein halbes Jahr lang rund 50 Kisten mit historischen Unterlagen. Stadtarchivar Julian Wirth bezeichnet diese Arbeit als einen „wichtigen Lückenschluss“ in der Geschichte Eppenhains, während Beate Matuschek, die Vorsitzende des Museumsvereins, Bruncks Expertise als „großen Gewinn“ hervorhebt. Die Mühen der Archivarbeit, darunter die Säuberung alter Dokumente, sind ein Zeugnis für das Engagement aller Beteiligten.

Wertvolle historische Dokumente

Unter den von Brunck bearbeiteten Dokumenten befinden sich viele bedeutsame Fundstücke:

• Das älteste Dokument ist ein Ein- und Ausgabenbuch der Gemeinde Eppenhain von 1820 bis 1829, das auf eine konsequente Fürsorge für Bedürftige hinweist.

• Aus der NS-Zeit fand sie eine Fülle von Belegen, darunter ein Schreiben von 1938, in dem die Stadt Frankfurt den Kauf der Villa Hochschild bestätigte, um sie als SA-Führerschule umzubauen. Dieser Vorgang wirft ein Licht auf die problematische Geschichte des Besitzes und mögliche offene Fragen zur Entschädigung der Nachfahren. Die Villa überstand das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg. In ihr war später das Kinderheim der Stadt Frankfurt beherbergt. Die Stadt Frankfurt hatte das Gut zu überaus günstigen Konditionen während der NS-Diktatur erworben. Nach Kenntnisstand der Stadt Kelkheim wurde die Familie Hochschild nicht in irgendeiner Weise entschädigt.

• Auch persönliche Dokumente, wie die Kennkarte einer Meta Ungeheuer oder ein Zwangsgeldbescheid aus dem Jahr 1944, erzählen von den Eingriffen des Regimes in das Leben der Bewohner.

Eindrücke nach 1945

Die Nachkriegszeit spiegelt sich in Vermisstenlisten, Berichten über die Situation von Kindern in Heimen und einer Liste von ehemaligen Nazis, die in Villen oder Einfamilienhäusern in Eppenhain lebten. Auch das Leben von Migranten und Gastarbeitern wird greifbar: Ein spanischer Gastarbeiter aus Madrid erhielt 1960 eine Legitimationskarte, und in den 1950er-Jahren suchten die Bergdörfer Eppenhain und Ruppertshain öffentlich einen Arzt.

Kleiner Ort mit großer Geschichte

Bruncks Forschung zeigt, dass selbst ein kleiner Ort wie Eppenhain als „Mikrokosmos“ für die großen historischen Ereignisse dienen kann. Von den Herausforderungen des Ersten Weltkriegs über die düstere Zeit des Nationalsozialismus bis hin zur Nachkriegsordnung und der Integration von Flüchtlingen: Die Geschichte Eppenhains bietet ein breites Spektrum an Einblicken. Insgesamt kann man also die wichtigsten Epochen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert und vor allem damit verbunden die menschlichen Schicksale der damaligen Generationen allein anhand dieser Archivalien aus Eppenhain nachvollziehen.

Vision für die Zukunft

Die Ergebnisse der Archivarbeit sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, unter anderem über die Homepage der Stadt. Julian Wirth kann sich zudem Ausstellungen, Führungen und Begleitkataloge vorstellen, um die spannende Geschichte des Ortes lebendig zu halten. Dabei betont er, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass Adolf Hitler jemals in Eppenhain war, auch wenn dies immer wieder gefragt werde.

Fazit

Helma Bruncks Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, lokale Geschichte zu erforschen, um ein besseres Verständnis für größere historische Zusammenhänge zu gewinnen. Ihre Funde sind ein Schatz für die Region und eine Einladung, sich intensiver mit der Geschichte zu beschäftigen – sei es durch Ausstellungen, Führungen oder die Erkundung der Archivbestände, die weiterhin jeden Mittwoch und Freitag zugänglich sind.

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