Frust und Verzweiflung im hessischen Gastgewerbe

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind für das Gastgewerbe in Hessen verheerend: Das geht aus einer Mitteilung des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA hervor und betrifft damit auch die Kelkheimer Gastronomie- und Hotelbetriebe und wurde jetzt durch die Beschlüsse der Bund-Länderkonferenz verstärkt. Allein für den Lockdown-Monat November 2020 verzeichnen die Betriebe aus Hotellerie und Gastronomie ein Umsatzminus von über 69 Prozent.

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung und der schleppend laufenden Hilfszahlungen für die Betriebe wachsen Frust und Verzweiflung bei den über 15.000 Betreibern von Restaurants, Hotels, Cafés, Bistros, Cateringunternehmen, Clubs und Diskotheken und vielen weiteren Dienstleistern des Gastgewerbes.

Die späten Hilfszahlungen, die große Verunsicherung und schließlich nackte Existenznot belasteten die Unternehmerinnen und Unternehmer schwer. Die Mehrheit der Unternehmen habe gerade mal die versprochenen Novemberhilfen erhalten – „im Februar 2021“ – die Dezemberhilfen liefen gerade erst an, und für die aktuellen Monate dieses Jahres könnten noch nicht einmal Anträge gestellt werden. Es würden Rechnungen, Sozialversicherungsbeiträge, Steuervorauszahlungen und stehende Verpflichtungen gestundet, wo es nur ginge. Dadurch türme sich ein Berg an Lasten auf. Clubs und Diskotheken seien mittlerweile sogar schon zwölf Monate geschlossen. Rücklagen seien nicht mehr vorhanden, die Betriebe stünden mit dem Rücken zur Wand. Insgesamt gibt es inzwischen sechs Monate der Schließung seit März 2020.

Auch in Kelkheim zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche das Thema der schleppenden Auszahlungen.

Hier Beispiele aus der Kelkheimer Gastronomie:

Gasthof zum Taunus,

Schäfer-Jakob

Heinz Bender: „Wir sind arbeitswillig, aber wir leiden darunter, dass wir keine Gäste haben“. Und wenn man antippt: Das ist doch ein Familienbetrieb im eigenen Haus: „Die Ziegel auf dem Dach, die liegen da, also die Unterhaltung der Gebäude muss auch bezahlt werden“. Und wenn man fragt, wovon wir leben, dann lautet die Antwort: „Wir haben im Prinzip schon die Altersversorgung angeknappst mit der Begründung, wir kommen da durch“.

Überbrückungsgeld ist natürlich beantragt und zum Teil bekommen. Die Auszahlungen entsprechen nicht den Bescheiden. Bekommen sollten wir 25.500 Euro, bekommen haben wir 16.000, und das im sechsten Monat ohne Einkommen.

„Trotzdem haben wir das Personal (Anmerkung der Redaktion: Beim Schäfer-Jakob fühlt man sich wie eine Familie) behalten, es ist hundertprozentig in Kurzarbeit, die Mitarbeiter sind kreuzunglücklich und wissen nichts mit sich anzufangen. Der Küchenchef, der aus Polen kommt und nicht nach Hause kann, setzt sich aufs Fahrrad und fährt immer um den Taunus herum“.

Dann jedoch kommt das Gespräch auf den Frühling und auf Apfelland. Er sei gerade draußen gewesen und habe den Knospenansatz kontrolliert. „Und da war ich wieder frohen Mutes, Junge, es geht aufwärts. Die Natur schafft ihre Arbeit. Wir hoffen auf gute Blüte und Ernte im Herbst. Denn das Apfelland ist im letzten Jahr super gelaufen. Es war eine echtes Standbein, wenn wir das nicht gehabt hätten, würden wir vielleicht nicht mehr bestehen“. Nun kümmert man sich jetzt auch um Sachen, die sonst liegenbleiben. Ein junger Mann arbeitet gerade an einer neuen Homepage, das kostet auch Geld, wir renovieren auch. Es gibt auch Veranstaltungsbesprechungen, in der Hoffnung, dass wir im Sommer wieder arbeiten können. Wir hoffen ja, dass es bald wieder weitergeht“.

Zum Alten Rathaus, Münster

„Wir leben aus der Reserve“, beantwortet Bernd Geis unsere Frage nach seiner Gastronomie in den Corona-Monaten. Die Türen des Alten Rathauses sind geschlossen und Bernd Geis, dem die Pacht von der Stadt im Moment gestundet wird, schaut täglich kurz rein, um die Heizung zu kontrollieren und nachzuschauen, „ob noch alle Stühle da sind“. Zum Thema Pacht erwähnt er, dass Liederbach und Eppstein den Pächtern die Pacht ganz erlassen haben.

Er hat gar keinen Umsatz wie andere Kollegen. Von der Überbrückungshilfe hat er für den November und Dezember bisher nur die Hälfte gesehen. „Wenn einer nicht gespart hat, dann ist das echt schwierig“, sagt er.

„Wir sitzen zu Hause und warten“.

Einen Abholservice kann er nicht einrichten. Einmal sei die Küche zu klein, zum anderen sei die relativ steile Treppe ein Hinderungsgrund. „Es ist schwer, so Kunden anzulocken“.

Vor allem fehlen die Geburtstage, die Hochzeiten, die anderen Feste, die vor Corona viel Umsatz gebracht haben. Und so ganz optimistisch schaut er auch nicht in die Zukunft. „Wenn wir wieder öffnen, wird der Umsatz zunächst wohl nur bei 40 Prozent hängen bleiben“.

Gimbacher Hof

Im Augenblick sehen wir keine Zukunft, sagte Margarethe Schiela. Öffnung vielleicht wieder in April? Zu Ostern. Wir können nur hoffen. Nein, finanzielle Reserven hat sie noch nicht angreifen müssen; ich hoffe, dass wir auch so über die Runden kommen. Natürlich, Überbrückungshilfe hat sie beantragt. Gekommen ist nur ein kleiner Teil vom November, vom Dezember noch gar kein Cent.

Die laufenden Einkünfte fehlen. Das Essen to go über die Feiertage hat geklappt, hat sich aber nicht unbedingt gerechnet.

Positiv: Das Personal konnte gehalten werden, allerdings auf der Basis von Kurzarbeit. „Und ich hoffe, dass wir auch alle behalten können, bis wir wieder öffnen können.“

Und abgesehen einmal vom rein Geschäftlichen: „Mir fehlt vor allem das Leben rundherum“. Immerhin, auch das sagt sie, es handelt sich um einen eigenen Betrieb, sie braucht keine Pacht bezahlen. Und so verweist sie auf die durchaus schlechter gestellten Kollegen, die das Problem Pachtzahlung jeden Monat vor Augen haben.

Zum Goldenen Löwen, Münster Von Frust und Verzweiflung war die Rede im Manuskript der DEHOGA. Von Verzweiflung ist bei Carsten Lehner vom Goldenen Löwen in Münster nicht zu reden, dafür treibt ihm Vieles die Zornesröte ins Gesicht, wenn er an manche Entwicklungen denkt. Sicher, auch er hat für die Monate November und Dezember eine Überbrückungshilfe beantragt. Sie wurde auch ausgezahlt, allerdings nur zu je fünfzig Prozent. Das waren allerdings zunächst in der Anweisung amerikanische Dollars. Nein, nicht falsch verstanden, amerikanische Dollars, wie Carsten Lehner wiederholt. Und: „Ich bin froh, dass ich den Altmaier nicht als Mitarbeiter einstellen muss, einen solchen Mitarbeiter könnten wir uns gar nicht leisten“. Damit greift er die immer wechselnden Verfügungen auf, vor allem für das Hotel („Eine Katastrophe“), das auf ganz kleiner Flamme geführt werden muss, weil die Touristen fehlen. Lediglich für Handwerker und Vertreter wird offengehalten. Und natürlich erwähnt er die vielen Politiker-Versprechungen, die es in den Talkshows gebe.

Eingekauft wird nur noch, was dringend nötig ist, um das Essen to go aufrechtzuerhalten. So hat er auch die Verluste Anderer vermieden, die zu viel gelagertes Bier wegschütten müssen. „Ich bin im eigenen Haus pachtfrei, trotzdem ist das alles eine Bürde“. Die natürlich auch im Hinblick darauf, Personal durch Kurzarbeit zu halten, das eher an einer Öffnung zweifelt als er selbst. „Das Personal wollen wir halten, damit wir ohne Schwierigkeiten wieder anfahren können“.

Die „stille Zeit“ wird hier für Renovierungsarbeiten in der Gaststätte genutzt, die einen neuen Boden und einen freundlichen Anstrich erhielt. „Dann könnten wir im April wieder öffnen, aber wenn ich auf die Corona-Mutationen blicke....“ Und noch eine bittere Bemerkung: „Tradition hin und her – da kommen ein paar Politiker und machen einem die Bude zu.“

Schöne Aussicht, Ruppertshain Ein Kelkheimer Gastronom, den der Lockdown der Corona-Epidemizeit nicht so hart trifft, ist Roland Keller mit seiner Gastwirtschaft Zur Schönen Aussicht an der Robert-Koch-Straße. Das verdankt er seinem hochgerühmten Schnitzel, seinen Stammkunden, die sogar aus Eppenhain zu ihm kommen. „Die Stammgäste unterstützen uns“, sagt der Vorsitzende des Gesangvereins Alemania Concordia, um in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass es dem Verein natürlich in diesen Tagen nicht so gut geht. Neue Probestunden im Juni? Im Juli? Er hofft jedenfalls, dass es hier bald einen Neubeginn gibt.

Als Gastwirt in Ruppertshain sagt er: „Wir kommen durch. Der Umsatz ist natürlich nicht so hoch, als wenn der Gastraum geöffnet wäre, wir haben ungefähr die Hälfte eingebüßt, aber es ist zu schaffen.“

Auch er stellte Anträge auf Überbrückungs- Hilfen. Und im Gegensatz zu anderen sind Abschlagzahlungen für November und Dezember schon bei ihm eingegangen.

R
omantik Hotel Schloss

Rettershof

Dollarzeichen in den Zuweisungs-Bescheiden nur in den Benachrichtigungen von Carsten Lehnert im Goldenen Löwen? Hans-Jürgen Laumeister, der zusammen mit Daniela Schwarz diesen wohl größten Kelkheimer Gastronomie- und Hotelbetrieb leitet, schüttelt gleichfalls den Kopf. Auch er fand das Dollarzeichen in einer Mail...

Von den Zahlungen der beantragten Überbrückungshilfe sind bisher auch nur Teile eingegangen. Die erste Novembercharge traf erst jetzt im Februar ein.

Nachdem das Schlosshotel in den vergangenen Jahren einen ungeahnten Aufschwung genommen hatte, hätte man von der „frisch melkenden Kuh“ für Kelkheim sprechen können. Daher die Frage an Hans-Jürgen Laumeister: Läuft die Pacht weiter? Eine Stundung habe man ihm angeboten, keine Reduzierung. Bei einer Stundung schiebe man die Kosten nur vor sich her, die immer höher werden, war seine Reaktion.

Und wieder zurück zur Politik: „Ich verstehe die Regierung nicht. Zuweilen denke ich, das darf nicht wahr sein, was da passiert. Und wenn da im Verband von Wut und Verzweiflung die Rede ist, kann ich das nur unterstreichen. 2.000-prozentig. Diese Branche lässt man am langen Hebel verhungern“.

Ja, auch er habe schweren Herzens zu Beginn der Restriktionen Personal entlassen müssen. Fünfzig Prozent haben wir halten können, weil wir auch den Liefermarkt to go am Laufen halten müssen. Wirtschaftlich rechne sich das nicht, man wolle einfach nur am Ball bleiben, um schnell wieder durchstarten zu können. Einstellungen? Liebend gern, aber bei den Unsicherheiten der nächsten Wochen wäre das wohl zu riskant, neue Kräfte auf die Gehaltsliste zu setzen.

Im Hotel gleicht es anderen auch, ein oder zwei Geschäftsreisende, das lohnt den Aufwand und die Arbeit nicht.

Romano Frankfurter Straße

Ja, er hat Überbrückungshilfen beantragt und die sind ausgezahlt. „Alles läuft ganz gut“. Es sei vor allem die Stammkundschaft, die der Pizzeria die Treue hält. Naja, meint Roberto Romano, vor Corona sei alles besser gelaufen, aber er sei im Vergleich zu Kollegen, denen es schlecht gehe, zufrieden. Es funktioniert der to go Service. Die Kunden bestellen telefonisch und holen dann Pizzen und Pasta-Gerichte ab. Er brauche nicht am Hungertuch zu nagen. Seine Aushilfen seien in Kurzarbeit, also nicht arbeitslos. Der Optimist schloss das Gespräch: „Es kann nur besser werden“.

Café am Zauberberg

Als besondere Belastung empfindet Selen Bozkurt im Café Zauberberg, dass die Stadt Kelkheim trotz der Krise Gewerbesteuer fordert. Und zwar hundertprozentig, wie sie sagt. „Ich habe kaum Einnahmen, habe aber Kosten und soll in voller Höhe die Gewerbesteuer bezahlen“. Das passe nicht zueinander, sagte sie. „Die wissen doch genau, dass ich keine Einnahmen habe“.

Ihr kleines Café hat sie drei Wochen lang geschlossen. Dann jedoch hat sie wieder begonnen, Kuchen zu backen, um diejenigen zu bedienen, die telefonisch bestellen oder auch nur mal eben bei einem Spaziergang vorbei kommen. „An normalen Tagen ist im Allgemeinen wenig los“, sagte sie, aber an Tagen wie am vergangen Wochenende kommen doch Kunden vorbei, auch Spaziergänger, die neben dem Kuchen auf der Hand auch einen Café to go mitnehmen oder auch kurz auf der Bank vor dem Eingang sitzenbleiben. Das ist natürlich im Vergleich zu den Zeiten, als sie das Café für Besucher offenhalten konnte, ein sehr geringes Einkommen. Der Vermieter komme ihr entgegen, berichtete sie, aber wenn die Miete aufgeschoben wird, türmt sich am Schluss eine große Summe auf, die getilgt werden muss. Sie mag gar nicht daran denken. „Mir tun die jungen Leute, die bei mir zur Aushilfe waren, die Studenten, leid, für die sie nun in der Coronazeit keine Arbeit haben. Überbückungsgeld? Ja, der Steuerberater ist gerade dabei, die Anträge zu stellen. Aber das verzögere sich ja bei den Anderen, wisse sie. Also abwarten und hoffen.

Da Calogero, Fischbach

Calogero Romano gehört zu den Gastronomen, die nicht in eigenen Räumen wirtschaften können, sondern Pacht bezahlen müssen. In diesem Fall an die Stadt Kelkheim. Und im Hintergrund der zögerlich fließenden Überbrückungszahlungen, die aber gegen

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