Hochwasserschutz - Retentionsbecken sollen bei Starkregen für Entlastung in Liederbach sorgen

Kelkheim (ju) – Die Arbeiten schreiten zügig voran. Zwei große, knapp zwei bis drei Meter tiefe Becken sind schon erkennbar. In Kelkheim entsteht am Ortsausgang von Münster, neben der L3014, ein Retentionsbecken, ein sogenannter Polder oder Rückhaltebecken. Dieses Becken wird als Puffer für Spitzenabflüsse am Liederbach dienen und soll ein Volumen von rund 11.000 Kubikmetern haben.

Erstes Puzzleteil

Die Maßnahme ist Teil der städtischen Projekte und Planungen, um die Infrastruktur und den Hochwasserschutz in der Region zu verbessern. Es ist sozusagen das erste Puzzleteil von weiteren Hochwasserrückhaltemaßnahmen im Einzugsgebiet des Liederbachs.

Gerade der Liederbacher Bürgermeisterin Eva Söllner ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Bei einem Vor-Ort-Termin verschaffte sie sich gemeinsam mit Bürgermeister Albrecht Kündiger einen Eindruck vom Fortschreiten der Arbeiten. Denn hier an dieser Stelle wird demnächst der Hochwasserscheitel des Liederbachs gekappt, falls er sich bei einem Starkregenereignis mit soviel Wasser füllt, dass Überschwemmungen drohen. „Wir in Liederbach haben immer gesagt ‚den letzten beißen die Hunde‘ und so war es bisher auch. Der Liederbach hatte, bis er zu uns kam, schon soviel Wasser aufgenommen, dass wir nur tatenlos zuschauen konnten“, erinnert sich die Rathauschefin. Sie zeigt sich auch erleichtert darüber, dass dieser Polder nur der Anfang ist.

Vier Retentionsbecken geplant

Geplant sind vier Retentionsbecken die Hochwasserschutz an Schwarzbach, Liederbach und Sulzbach bieten sollen. Auch die Hor-nauer können dann vielleicht in naher Zukunft etwas aufatmen, wenn ein in die Natur eingepasstes Erd-Regenrückhaltebecken zwischen der „Roten Mühle“ und dem Weg ins Braubachtal, das vor allem auf Bad Sodener Fläche liegt, entsteht. Gerade in dem Einzugsgebiet des Liederbachs gehen Experten von einem Hochwasser mit 20-jähriger Wahrscheinlichkeit aus. Somit bekommt auch das jetzt in Münster entstehende Becken eine überregionale Wirkung, mindert sich somit auch die Überflutungsgefahr in Frankfurt.Laut Bürgermeisterin Söllner wird schon allein Liederbach bei Durchführung aller Maßnahmen um bis zu 70 Prozent entlastet.

Kündiger ist froh darum, dass endlich Bewegung in die Sache kommt. Als die Planung 2021 begann und auch der Abwasserverband die Zeichen der Zeit erkannte, konnten endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Wie die aussehen können, erkennt man an der naturnahen und landschaftsästhetischen Umsetzung des Projekts, dass auch noch in der CO2-Bilanz Pluspunkte sammelt. Bei den Aushubmaßnahmen kamen nämlich eine Menge Bachschotter (Taunusquarzit) zu Tage, die wohl dem ursprünglichen alten Bachlauf zuzuordnen sind. Diese können wiederverwendet werden, so dass ein Transport von benötigten Steinen wegfällt. Bei der Planung der Becken stand der ökologische Faktor immer im Mittelpunkt. So wenig Eingriff in die Natur wie nötig, so naturnah wie möglich. Das zeigt sich schon daran, dass eine warme Böschung am Nordhang nach Süden hin geplant wurde, die gerade für Insekten, aber auch gegebenenfalls für Uferschwalben interessant sein könnte. Offene steinige Flächen bieten Mikroklimate, Sonnenplätze und Versteckmöglichkeiten für Reptilien und Insekten – ähnlich dem Vorbild einer natürlichen Flutmulde.

Derzeit wird am nebenliegenden Radweg gearbeitet, der auf 30 Metern abgesenkt werden muss, damit das Hochwasser über einen Überlauf in Becken I strömen kann, sich dort aufstaut und dann in Becken II gelangt. Hier wird es ebenfalls zurückgehalten, bevor es gedrosselt dem Liederbach wieder zugeführt wird. Alles läuft nach Plan. Im Bauamt rechnet man damit, dass Ende Juli die Baumaßnahmen abgeschlossen sind, dann geht es an die Begrünung und lässt die Natur sich den Raum zurückerobern.

Hochwasserschutz

Doch warum müssen wir uns eigentlich vor Hochwasser schützen? Der Klimawandel hat erhebliche Auswirkungen auf Starkregenereignisse und Hochwasser, von denen auch Kelkheim in den letzten Jahren nicht verschont blieb.

Hier sind einige wichtige Punkte:

Zunahme von Starkregen: Durch die global steigenden Temperaturen können warme Luftmassen mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Wenn diese Luft abkühlt, kondensiert die Feuchtigkeit und es kommt zu heftigen Regenfällen. Treibhausgase, die durch menschliche Aktivitäten freigesetzt werden, wirken wie eine wärmende Decke über der Erde und führen zu vermehrtem Wasserdampf in der Atmosphäre. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Starkregen und Überschwemmungen.

Veränderung der Niederschlagsmuster: Der Klimawandel beeinflusst komplexe Wettermuster. Bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius, auf den die Erde zusteuert, werden Starkniederschläge 1,5-mal pro Jahrzehnt häufiger sein als vor der Industrialisierung.

Regionale Relevanz: Starkregenereignisse haben eine hohe regionale Bedeutung, da sie in kürzester Zeit zu Hochwasser und erheblichen Schäden führen können. Die steigenden Temperaturen machen es dringlicher, sich auf das veränderte Klima und seine Folgen vorzubereiten.

Hochwasserschutz ist aus mehreren Gründen entscheidend. Erstens kann er dazu beitragen, Leben und Eigentum zu schützen, indem er die Auswirkungen von Hochwasser verhindert oder mindert. Dadurch können Leben gerettet und die finanziellen Kosten von Überschwemmungen, die erheblich sein können, reduziert werden. Zweitens verhindert Hochwasserschutz Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen. Viele Menschen leben in der Nähe von Gewässern oder an anderen Orten, die durch Überschwemmungen betroffen sein könnten. Drittens trägt Hochwasserschutz dazu bei, die Umwelt zu bewahren, indem er die negativen Auswirkungen von Hochwasser auf natürliche Lebensräume minimiert. In Anbetracht des Klimawandels und zunehmender Risiken ist es wichtig, sich in allen Regionen besser auf solche Extremwetterereignisse einzustellen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Die Bürgermeister Eva Söllner (Liederbach) und Albrecht Kündiger (Mitte) zeigen sich auf der Baustelle optimistisch, den Hochwasserschutz schnell vorantreiben zu können.

Im Hintergrund ist eines der beiden Becken zu sehen, die durch einen Überlauf aus Beton miteinander verbunden sind. Ökologisch gesehen ein sehr innovatives Projekt, denn die Becken fügen sich in die Landschaft ein und werden nach Beendigung der Baumaßnahmen schnell von der Natur erobert werden.Fotos: Judith Ulbricht

Weitere Artikelbilder



X