Kelkheim (kez) – „Kultur ist kein Zuckerguss, den man obendrauf setzt, sondern etwas, das Identität stiftet und Menschen verbindet“, sagte Salome Korschinowski, Vorsitzende des Ausländerbeirats, in ihrer Begrüßung zur Feier des eritreischen Neujahrsfestes, die am vergangenen Samstag in der Gemeinschaftsunterkunft in Ruppertshain stattfand. „Das heutige Fest soll zeigen, dass Tradition nicht trennt, sondern Brücken schlägt.“
„Eritrea – Das Land des Tanzes und der alten Wurzeln“: Unter diesem Motto hatte der Verein Miteinander Leben in Kelkheim mit Unterstützung der Kulturgemeinde Kelkheim eingeladen. Die Eritreer feiern Kudus Yohannes, den Tag des heiligen Johannes, am Ende der Regenzeit und zu Beginn der Ernte am 11. und 12. September. Am Vorabend werden Feuer entzündet und man geht dreimal um das Feuer herum. Das soll Erneuerung und Glück bringen. Am Morgen ziehen Kinder von Haus zu Haus. Sie singen die Anfeuerung „Hoye Hoye“ und erhalten Brot oder Münzen als Zeichen des Segens mit dem Wunsch für Wohlstand und Glück. Danach wird gemeinsam gespeist, getanzt und gefeiert, um Friede und Freude zu teilen. Ein Feuer wurde zwar nicht entzündet vor der Gemeinschaftsunterkunft in der Robert-Koch-Straße – es wurde die herzliche Geselligkeit und das interkulturelle Miteinander gefeiert.
Kleines Land am Roten Meer
Eritrea ist ein Land im Nordosten von Afrika an der Küste des Roten Meeres. Es grenzt an Äthiopien, den Sudan und Dschibuti. Die Hauptstadt Asmara ist für ihre italienischen Kolonialbauten wie die Kirche Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz und ihre Art-déco-Bauwerke bekannt. Die italienische, ägyptische und türkische Architektur spiegelt die bewegte Geschichte der Hafenstadt Massaua wider. Zu den bemerkenswerten Gebäuden gehören hier die Kathedrale Enda Mariam und der Kaiserpalast. Eritrea hat nur 3,8 Millionen Einwohner. In der Fläche ist die Bundesrepublik Deutschland dreimal so groß wie Eritrea – das Land ist sehr dünn besiedelt.
Neun ethnische Gruppen
Etwa 75 Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt – es ist ein hartes Brot. Es müssen auch Nahrungsmittel importiert werden, weil während des Krieges mindestens 300.000 Personen zum Militärdienst eingezogen waren, die dann in der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen fehlten. Die Dürre, verbunden mit der wirtschaftspolitischen Inkompetenz der autoritären Regierung, führte zu schweren Hungersnöten.
Interessant ist die Bevölkerungsstruktur von Eritrea mit neun ethnischen Gruppen. Die größte Gruppe mit 57 Prozent sind die Tigriner, die im Hochland wohnen. Sie sind durch ihre Schultertänze bekannt, womit sie ihren Glauben mit Kaffeeritualen bei fröhlichen Festen vereinen. Die Wüstenbewohner der Afar wohnen am Roten Meer. Sie leben von Viehzucht und Fischfang. Sie sind augenfällig durch ihren buten Perlenschmuck. Im Raum Karen leben Christen und Muslime friedlich zusammen. Sie pflegen die Musik und die Webkunst. So lassen sich auch für die weiteren ethnischen Gruppierungen der Saho, der Beja, der Rashaida, der Nara und der Kunama ihre jeweiligen Profile beschreiben, nachzulesen in dem Flyer „Eritrea – Das Land des Tanzes und der alten Wurzeln“, der an alle Besucher verteilt wurde.
Eindrucksvoll war die Präsentation eines You-Tube-Films während der Feier, der den Titel „The 9 Biherat of Eritrea“ trägt. Eritreer sind sehr sportlich. Die meisten größeren Städte liegen im Hochland über 1.600 Meter über dem Meeresspiegel. Insofern ist der Radsport sehr verbreitet. Schlagzeilen machte Biniam Girmay, der als erster Afrikaner den Rad-Klassiker Gent-Wevelgem 2022 gewann. 2024 gewann er als erster Afrikaner die Punktewertung der Tour des France (das grüne Trikot für die Sprintwertung).
Reichhaltiges Buffet
Der Saal in der Gemeinschaftsunterkunft, dem ehemaligen Gasthaus Zur Rose, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Das begeisterte Publikum darf sich bei den vier Damen Lwam, Abeda, Fiori und Salome bedanken. Ein reichhaltiges Buffet lockte, eritreische Spezialitäten wurden angeboten: Zignie, ein Schmorgericht mit zartem Rindfleisch; Derho, ein geschmortes Hähnchengericht mit würziger Berbere-Sauce, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten; Kitfo, gehacktes Rindfleisch mit einer Chili-Gewürzmischung – es ist sehr intensiv, scharf und voller Aromen und wird kombiniert mit Injera und Gomen (gewürzter Blattspinat). Zu allem wurde Injera, ein weiches Fladenbrot aus Teff-Mehl, serviert.
Miteinander Leben in Kelkheim mit Salomé Korschinowski – die Kelkheimerin kommt selbst aus Ereitrea und ist in Asmara geboren – freut sich schon auf 2026, vielleicht beim Dorfplatz bei offenem Feuer.

