Kelkheim (ju) – Es war ein gewöhnlicher Abend in Kelkheim. Ein Mann genoss gerade sein Abendessen, als er plötzlich zusammensackte. Seine Frau erkannte sofort den Ernst der Lage und wählte panisch die 112. Während sie mit zitternden Händen den Notruf absetzte, wusste sie nicht, dass in diesem Moment ein Netzwerk von Lebensrettern aktiviert wurde.
Der stellvertretende Stadtbrandinspektor Patrick Schütz erinnert sich genau an diesen Abend: Er saß mit seiner Familie beim Essen in einem Restaurant in Münster, als sein Handy vibrierte. Den Ton konnte er nicht so richtig zuordnen, aber dann wird im klar: Hier erfolgt gerade eine Alarmierung über die „Region der Lebensretter“-App. Er wusste sofort: Irgendwo in der Nähe braucht ein Mensch dringend Hilfe. Ohne zu zögern, sprang er auf und eilte zum Einsatzort, zwei Häuser weiter. Als ausgebildeter Ersthelfer konnte er lebensrettende Maßnahmen einleiten – noch bevor der Rettungsdienst eintraf. Gleichzeitig waren auch drei weitere Kameraden, die sich in unmittelbarer Nähe befanden alarmiert – sie eilten ebenfalls zur Hilfe. Schnell konnte der Mann ins Leben zurückgeholt werden – Dank Herz-Druck-Massage und der schnellen Hilfe durch die App.
Persönliche Übergabe
Damit die freiwilligen Lebensretter optimal auf ihren Einsatz vorbereitet sind, hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Main-Taunus-Kreis die 63 für Kelkheim registrierten Ersthelfer jetzt mit speziellen Notfallrucksäcken (sogenannten Rollbacks) ausgestattet. Diese enthalten unter anderem einen Beatmungsbeutel, Kniepolster zum Einsatz auf schwierigem Untergrund, Handschuhe und Verbandsmaterial – alles, was nötig ist, um in den ersten Minuten nach einem Herzstillstand effektiv helfen zu können.
Sabine Mushake, Geschäftsführerin des DRK Main-Taunus, erklärt: „Wir möchten, dass unsere Helfer nicht nur alarmiert werden, sondern auch sicher und professionell handeln können. Die richtige Ausrüstung gibt ihnen das nötige Vertrauen, um in einer stressigen Situation schnell und entschlossen zu reagieren.“
Bürgermeister Albrecht Kündiger ist voll des Lobes für die vielen ehrenamtlichen Lebensretter. Ist doch auch in diesem Bereich die Stadt Vorreiter im MTK. „Hinzu kommt, dass die Zusammenarbeit in Kelkheim zwischen den Feuerwehren und dem DRK hervorragend ist. Man arbeitet Hand in Hand und kann somit Menschenleben retten“, lobt der Rathauschef. Davon zeigt sich auch der stellvertretende Bereitschaftsleiter des DRK Kelkheim, Leonard Faber, beeindruckt. Doch man möchte in Zukunft nicht nur medizinisch ausgebildete Retter einsetzen, sondern dafür sorgen, dass eigentlich jeder helfen kann. In naher Zukunft soll es auch spezielle Ausbildungskurse für medizinische Laien geben. Faber wird die Entwicklung auf jeden Fall wissenschaftlich begleiten. Im Rahmen seiner Promotion im Bereich Medizin, wird er evaluieren, in wie fern die Lebensretter-App die Lebensrettung beeinflusst.
System kann Leben retten
Denn dieses System kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Im Main-Taunus-Kreis wurde die App bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt, und immer mehr Helfer schließen sich der Initiative an. Derzeit gibt es im MTK 489 registrierte Lebensretter, die seit Inbetriebnahme der App im Dezember letzten Jahres 45 Einsätze hatten. Rein statistisch gesehen brauchen die Ersthelfer im Schnitt 2.50 Minuten, um am Einsatzort zu sein. Die alarmierte Rettung kann im besten Fall erst in 8 bis 10 Minuten da sein. Doch es braucht noch mehr engagierte Bürger, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten - mindestens 900 sollten es sein.
Warum ist das System so wichtig?
Bei einem plötzlichen Herzstillstand zählt jede Minute. Bereits nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoffzufuhr beginnen die ersten Gehirnzellen abzusterben. Die Überlebenschancen sinken mit jeder verstrichenen Minute drastisch. Doch oft dauert es länger, bis ein Rettungswagen eintrifft. Hier kommt die „Region der Lebensretter“ ins Spiel: Registrierte Ersthelfer, die sich zufällig in der Nähe befinden, werden per App alarmiert und können sofort zur Stelle sein.
Die Zahlen sprechen für sich:
• Über 350 Menschen im Main-Taunus-Kreis erleiden jährlich einen Herzstillstand.
• In den ersten vier Wochen nach Einführung der App gab es bereits 25 Alarmierungen, davon wurden 17 von Helfern angenommen.
• In acht Fällen kam ein Automatisierter Externer Defibrillator (AED) zum Einsatz.
Dieses Gerät analysiert den Herzrhythmus und kann bei Bedarf einen lebensrettenden Elektroschock abgeben, um das Herz wieder in einen normalen Rhythmus zu bringen. Ungefähr ein Viertel der Menschen, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb eines Krankenhauses erleiden, profitieren vom Einsatz eines AED.
In Kelkheim gibt es derzeit zehn registrierte AED von denen nur einer 24/7 frei zugänglich ist – der am Sportplatz der TuS Hornau. „Auch hier ist es wichtig, weitere Geräte registrieren zu lassen und am besten dafür Sorge zu tragen, dass man immer ran kann“, wünscht sich Leonard Faber. Natürlich ist es schön, dass wie zum Beispiel im Toom-Baumarkt einen Defibrillator vorhanden ist, aber wenn der Markt um 20 Uhr schließt, dann ist er sozusagen außer Betrieb. Für die Ersthelfer ist die Registrierung der AED wichtig, denn die Standorte werden in die App eingespielt und können eventuell das Zünglein an der Waage sein.
Mehr Ersthelfer gesucht
Die Bereitschaft, Leben zu retten, ist groß. Doch um wirklich jeden Notfall in der Region abdecken zu können, braucht es mehr freiwillige Helfer. Besonders junge Menschen (ab 18 Jahren), aber auch alle, die eine medizinische Grundausbildung haben oder sich zutrauen, Erste Hilfe zu leisten, können sich registrieren.
Für viele ist die Motivation klar: „Es könnte meine Großeltern treffen. Oder meine Eltern. Oder mich selbst“, sagt ein Teilnehmer. Diese App macht aus normalen Bürgern echte Lebensretter – und sorgt dafür, dass im entscheidenden Moment Hilfe da ist.
Die Zukunft der Ersten Hilfe
Mit modernen Technologien wie der „Region der Lebensretter“-App kann das Rettungssystem revolutioniert werden. Die Kombination aus engagierten Ersthelfern, schneller Alarmierung und dem gezielten Einsatz von Defibrillatoren rettet nachweislich Leben.
Doch das System funktioniert nur, wenn genug Menschen mitmachen. Wer sich als Ersthelfer registriert, übernimmt Verantwortung – für seine Nachbarn, für seine Stadt, für das Leben.
Denn im Notfall zählt jede Sekunde. Und manchmal reicht ein einziger Klick auf dem Smartphone, um ein Menschenleben zu retten.
1. Eingehender Notruf über die Notrufnummer
Die Person, die zuerst am Ort des Geschehens ist, ruft unter der 112 bei der Notrufzentrale an.
2. Alarmierung von Einsatzkräften
Rettungswagen und Notarzt werden alarmiert. Parallel dazu: Lokalisierung und Alarmierung der nächstgelegenen registrierten Ersthelfer über ihr Smartphone.
3. Einsatzbestätigung der Lebensretterinnen und Lebensretter
Einsatzbestätigung der alarmierten Ersthelfer über ihr Smartphone. Auswahl der vier nächststehenden verfügbaren Hilfskräfte, die per App zum Notfallort beziehungsweise zum nächstgelegenen Defibrillator navigiert werden.
4. Rollenzuteilung der Ersthelfer
Nr. 1 führt am Patienten die Herzdruckmassage durch.
Nr. 2 löst Nr. 1 bei der Herzdruckmassage ab.
Nr. 3 bringt den nächstgelegenen Defibrillator zum Patienten.