Ein Stück Würde im Einkaufskorb – Tafel eröffnet Zweigstelle in Kelkheim

Robert Hofmann führte die zahlreichen Spender und ehrenamtlichen Helfer durch die neuen Räume der Tafel, die sich in der ehemaligen Fahrschule in der Hornauer Straße befinden. Durch den Hintereingang kommt man auch barrierefrei in den Geschäftsraum. Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – Ein freundliches Lächeln, ein gefüllter Einkaufskorb und ein herzliches Wort am Rande – für viele Menschen in Kelkheim bedeutet der Besuch bei der Tafel mehr als nur Lebensmittel. Es ist ein Stück Würde, das sie hier erfahren. Nach fünf Wochen im Probebetrieb wurde nun die dritte Ausgabestelle der Hattersheimer-Hofheimer Tafel offiziell in Kelkheim eröffnet – getragen von rund 70 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, unterstützt von der Caritas, lokalen Geschäften und Organisationen.

Hilfe für rund 100 Familien

„Wir wollen den Menschen nicht nur Lebensmittel in die Hand drücken, sondern ihnen ein Einkaufserlebnis ermöglichen“, erklärt Koordinator Robert Hofmann. Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukte werden sorgfältig ausgelegt, Bedürftige können gegen einen symbolischen Betrag selbst auswählen. „Das Gefühl, entscheiden zu können, was man mitnimmt, ist wichtig für die Würde.“

Rund 100 Familien können in Kelkheim auf diese Weise unterstützt werden. „Die Zahl der Bedürftigen steigt stetig – wir sind froh, dass wir nun eine weitere Anlaufstelle anbieten können“, so Hofmann.

Wachsende Not, steigender Bedarf

Die Zahlen sprechen für sich: 273 Menschen in Kelkheim beziehen Sozialhilfe, davon sind 60 Prozent über 65 Jahre alt. Allein 153 Personen gehören zu den Gruppen, die besonders auf die Tafel angewiesen sind. Für viele ältere Menschen, die mit schmaler Rente leben, ist das Angebot unverzichtbar.

„Lebensmittel sind in den letzten drei Jahren um 30 Prozent teurer geworden“, betont Bürgermeister Albrecht Kündiger. „Auch in einer wohlhabenden Stadt wie Kelkheim gibt es Menschen, die an ihre Grenzen geraten. Die Tafel ist da ein Rettungsanker.“ Es sei ein guter Tag für Kelkheim, trotzdem sei es sein Bestreben, dass man eine Einrichtung wie die Tafel eigentlich gar nicht mehr braucht. „Wir sollten uns nicht daran gewöhnen, sondern wir sollten daran arbeiten, ein System zu schaffen, dass solche Einrichtungen überflüssig macht“, plädierte das Stadtoberhaupt für nachhaltige Lösungen.

Für Markus Barthel, Einrichtungsleiter der Tafel Hattersheim-Hofheim, ist dieser Tag eher kein Grund zu feiern. „Ich bin da Pragmatiker und den Tag, an dem wir die Tafel nicht mehr benötigen, werde ich wohl nicht mehr erleben“, resümiert er. Nichtsdestotrotz sieht er in der Eröffnung der Kelkheimer Tafel einen wichtigen und richtigen Schritt, um die Versorgung der Menschen, die es nötig haben, flächendeckend zu ermöglichen. „Wir sehen uns als Schnittstelle, wir können hier vor Ort unsere Stärken einbringen und gezielt Hilfe anbieten“, erklärte er und spielte damit auch darauf an, dass Teile der administrativen Arbeit in die Kelkheimer Geschäftsstelle verlegt werden. Man sei gerade dabei, das technische Know-how einzurichten, um vor Ort die Bezieher zu registrieren und ihnen ihre Bezugskarte auszustellen.

Solidarität in Aktion

Ohne das Engagement der Ehrenamtlichen wäre dieses Projekt nicht denkbar. 70 Helferinnen und Helfer investieren rund 55 Stunden pro Woche, um Lebensmittel abzuholen, zu sortieren und an die Bedürftigen weiterzugeben. „Es ist ein unglaubliches Miteinander“, sagt eine Helferin, die seit Jahren dabei ist. „Wir lachen zusammen, wir packen an, und wir wissen: Unsere Arbeit macht einen Unterschied.“

Auch die Politik zeigte Rückhalt. Kreisbeigeordneter und Sozialdezernent Johannes Baron überreichte bei der Eröffnung einen Scheck im Namen des Main-Taunus-Kreises. „Die Tafel ist gelebte Solidarität – und sie braucht unsere Unterstützung, damit sie diese wichtige Arbeit fortführen kann“, richtete er seine Worte an Ludger Engelhardt-Zuehlsdorff und Eugenie Riffel, die Vorstände des Caritasverbandes Taunus e.V.. Er würde es liebend gern sehen, wenn die Politik in der Lage wäre, den ein oder anderen aus der Hilfe rauszubekommen.

Doch nicht nur die Politik hat sich mit Geldspenden und die Stadt mit der Bereitstellung des Gebäudes und der Übernahme der laufenden Kosten beteiligt. Das bürgerschaftliche Engagement für die Tafel kommt von der Bürgerstiftung, den Lions und den Rotariern, die mit Geldspenden für die Anschaffung des Mobiliars und eines großen Kühlschranks gesorgt haben. Der Sängerkreis Main-Taunus beteiligte sich ebenfalls an den Spenden und übergab Markus Barthel vor Ort einen Scheck über 900 Euro, die die Vereinigung bei einem geistlichen Konzert in der Kirche St. Dionysius in Münster gesammelt hatte. Der Vorsitzende Hans-Joachim Schmidt lobte die ehrenamtlichen Helfer und meinte mit einem Augenzwinkern in Richtung Johannes Baron: „Kleinvieh macht auch Mist.“

Mehr als nur Lebensmittel

Doch die Tafel ist weit mehr als eine reine Versorgungsstelle. „Sie ist auch ein sozialer Treffpunkt, ein Ort, an dem Menschen ins Gespräch kommen und spüren, dass sie nicht allein sind“, erklärt Pfarrer Klaus Waldeck, der die neuen Räume segnete. In seiner Rede auf dem Vorplatz der Stadthalle wies er auf die solidarische Bedeutung der Tafel hin und „dass Teilen Freude macht“. Er bezog dabei den Apostel Paulus mit ein, dem das biblische Zitat „Einer trage des anderen Last“ zugeordnet wird. „Sie alle zeigen hier, dass man die Sorgen und Belastungen anderer Menschen wahrnimmt und aktiv hilft, diese zu tragen, was die Liebe zum Nächsten praktisch umsetzt“, lobte er die Spender und vielen ehrenamtlichen Helfer.

Für viele, die kommen, ist dieser Aspekt genauso wichtig wie die Lebensmittel selbst. Eine ältere Besucherin sagte: „Hier bekomme ich nicht nur etwas zu essen, sondern auch ein freundliches Wort. Das tut fast noch mehr gut.“ Und die Kunden geben auch etwas zurück, wie Robert Hofmann mit einem Schmunzeln beim Blick auf die Uhr, die im Geschäftsraum hängt, erzählt. „Die Uhr stand, seit sie an der Wand war und eines Tages kam einer unserer Kunden, deutete darauf, verschwand wieder und kam fünf Minuten später mit Batterien, tauschte sie aus und siehe da – sie läuft seitdem.“ Es seien einfach die kleinen Dinge des Lebens, die bei all den Nöten, die die Menschen haben, für ein Lächeln sorgen.

Dringlichkeit bleibt hoch

So erfolgreich die Eröffnung war, so klar ist auch die Botschaft: Die Not wird nicht kleiner, sondern größer. Immer mehr Familien, Rentnerinnen und Rentner sowie Alleinerziehende kämpfen mit steigenden Preisen. „Wir können nicht wegsehen“, fasst Hofmann zusammen. „Die Tafel ist in Kelkheim keine Randerscheinung mehr, sondern eine feste und notwendige Größe.“



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