Königstein (as) – Vor 21 Jahren trat Polen der Europäischen Union bei, es war der entscheidende Schritt der Westintegration unseres östlichen Nachbarlandes. Und nur ein Jahr später war Königstein bereits zur Stelle, um die engere Verbindung auf institutioneller Ebene nach unten auf die kommunale und damit menschliche Ebene zu verlängern. Noch unter Bürgermeister Siegfried Fricke wurde im Juli 2005 die Städtepartnerschaft mit der Gemeinde Kórnik nahe Posen in der Region Großpolen auf den Weg gebracht – in der festen Überzeugung, dass Konfrontation nur durch Kooperation beendet werden kann und Demokratien niemals Kriege gegeneinander führen.
„Mit dieser Partnerschaft geben wir der Überzeugung Ausdruck, dass die Verständigung auf kommunaler Ebene ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zu einem friedvollen und vereinten Europa darstellt“, hieß es in der im Dezember 2005 unterzeichneten Partnerschaftsurkunde zwischen Königstein und Kórnik, die auf polnischer Seite Bürgermeister Jerzey Lechnerowski unterzeichnete.
Am vergangenen Wochenende war eine 25-köpfige Delegation aus Kórnik, angeführt von Lechnerowski und dem aktuellen Bürgermeister Przemyslaw Pacholski, in Königstein zu Gast, um aktiv am Europatag in Glashütten teilzunehmen und vor allem, um sich gemeinsam mit den Mitgliedern des deutschen Partnerschaftsvereins, die an diesem Abend meist „Freunde“ genannt wurden, zu einer Feierstunde im Pfarrzentrum der Katholischen Kirchengemeinde in der Georg-Pingler-Straße zu treffen – genau an dem Ort, wo damals die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet wurde. Ein Abend, der gleich dreifache Bedeutung erhalten sollte: Zunächst wurden die ersten 20 lebendigen Jahre der Partnerschaft gewürdigt, im Anschluss feierlich die Erneuerung des Partnerschaftsvertrags unterzeichnet, ehe die Ernennung von Jerzy Lechnerowski zum Ehrenbürger der Stadt Königstein im Taunus den zeremoniellen Höhepunkt der Feierstunde bildete.
Der offizielle Part wurde gerahmt von zwei Auftritten der bei den polnischen Gästen äußerst beliebten und auch in Kórnik beim berühmten „Fest der Weißen Dame“ gerne gesehenen MuShoBa des Fanfarencorps Königstein, die zum Abschluss mit Gänsehaut erstmals die frisch einstudierte polnische Nationalhymne anstimmte.
Dazwischen zeigten die sechs jungen Frauen und Männer des Volkslied- und Tanzensembles „Wladysie“ mit begeisternden Auftritten, wie lebhaft und lebensfroh die Menschen in der Region Kórnik ihr kulturelles Erbe feiern – anders als wohl die gleichaltrige Generation im Taunus, aber das Erleben von unterschiedlichen Traditionen und Lebensweisen soll ja auch ein wesentlicher Lerneffekt bei der grenzüberschreitenden Verständigung sein, die gerade im deutsch-polnischen Verhältnis auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mancherorts durchaus noch als heikel beschrieben wird.
Von den gewachsenen Verbindungen und Vertrauen berichtete Celestyna Orzechowska, die aktuell amtierende dritte Vorsitzende des deutschen Partnerschaftsvereins nach ihren ebenfalls anwesenden Vorgängern Klaus Schwobe und Achim Drescher. „Vor 20 Jahren haben wir einen kleinen Baum gepflanzt. Jede Begegnung hat ihn wachsen lassen. Und aus dem Baum ist ein blühender Garten geworden, den wir gemeinsam gepflegt haben.“ Und zwar durch die vielfältigen Begegnungen in Schulen, beim Sport, bei kulturellen Ereignissen und den offiziellen Delegationen, die die beiden Bürgermeister in ihren Reden betonten. „Die europäische Integration ist keine abstrakte Erfolgsgeschichte, sondern eine menschliche“, sagte Beatrice Schenk-Motzko und ihr Amtskollege aus Kórnik, Przemyslaw Pacholski, der erstmals einer Einladung nach Königstein gefolgt war, sprach von einem „besseren gegenseitigen Verstehen“ durch die vielfältigen Begegnungen und gab sich „überzeugt, dass wir gemeinsam noch viel erreichen und die Gemeinsamkeiten unserer Kulturen stärken werden“. Eine Gegeneinladung an Schenk-Motzko, die den nächsten Besuch im Juni zum Fest der Weißen Dame aus Zeitgründen nicht wahrnehmen kann, sprach er ebenfalls aus.
Auch die hessische Landesregierung war mit der Staatssekretärin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Karin Müller, in Königstein präsent, die die Grüße von Ministerpräsident Boris Rhein und Europaminister Manfred Pentz übermittelte. Die Staatssekretärin stellte die Bedeutung des Bundeslandes in Bezug auf Polen heraus. Hessen ist Sitz des Polen-Instituts, es leben über 80.000 polnische Staatsbürger im Bundesland und noch viele mehr mit polnischen Wurzeln. Ein „deutliches und wichtiges Signal“ sei zudem der Besuch des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz am ersten Amtstag beim polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk gewesen. Das alles helfe, Verbindungen aufzubauen in einem Nachbarschaftsverhältnis, in dem noch nicht alle Wunden der Vergangenheit verheilt seien. Freuen durfte sich der Verein über einen Förderbescheid in Höhe von 4.750 Euro für die nächsten Reisen nach Kórnik, den Karin Müller an Celestyna Orzechowska überreichte.
Nach einer weiteren Festrede des Vizekonsuls, des Generalkonsuls der Republik Polen in Köln, Grzegorz Parulski Scinskis, der den beiden Städten „viele neuen Ideen und Inspirationen für den Ausbau ihrer Verbindung“ wünschte, mündete der Abend in seinen feierlichen Höhepunkt. Auf einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom vergangenen Jahr, führte Schenk-Motzko aus, geht die Ehrenbürgerschaft als „höchste Ehrung, die die Stadt zu vergeben hat“, an Jerzy Lechnerowski, einen Mann, „der Geschichten schreibt ohne große Worte und Brücken nicht aus Stein, sondern aus Vertrauen gebaut hat“, so die Bürgermeisterin und fügte an: „Ohne Sie wäre die Partnerschaft nicht die, die es heute ist.“
Ein bewegter Jerzy Lechnerowski
Bewegt, dankbar und vielleicht sogar ein bisschen verlegen nahm Lechnerwoski, der am Montag auch noch seinen 74. Geburtstag feiern durfte, die Urkunde entgegen, die nur Persönlichkeiten erhalten können, die sich in besonderer Weise um die Stadt und ihre Werte verdient gemacht haben. Königstein hat damit nach dem Tod von Gaston Fischesser (Le Cannet) wieder einen Ehrenbürger. „Ich nehme den Preis in Namen der gesamten polnischen Delegation stellvertretend an für alle, die sich für diese Partnerschaft eingesetzt haben“, sagte Lechnerowski, der – wie alle Redner aus Polen an diesem Abend – perfekt von Jessica Eichhorn übersetzt wurde. Er erwähnte Wegbegleiter wie die polnische Generalkonsulin Elzbieta Sobotaka, seine langjährige Assistentin Magda Matelska und die Schützenbruderschaft, die ebenfalls mit zwei Vertretern bei der Feierstunde dabei war, und vergaß auf Königsteiner Seite auch Klaus Schwobe nicht. Um dann auf Deutsch anzufügen: „Das ist eine große Überraschung für mich, das ist eine große Ehre.“
Es war das perfekte Schlusswort, doch bevor die Gäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Pfarrsaal zum legeren Teil des Abends mit einem deutsch-polnische Buffet, dem einen oder anderen Gläschen Wodka und Gesprächen unter Freunden übergehen konnten, wurden, wie in jeder guten Freundschaft, zum passenden Anlass Geschenke überreicht. Die Gäste aus Kórnik hatten Statuen der Weißen Dame mitgebracht, Königstein konterte mit einem ebenfalls schweren, noch verpackten Geschenk für den Bürgermeister und neuen Ehrenbürger – es soll sich um einen Glasbaustein mit der eingravierten Königsteiner Burg gehandelt haben. Zwei weitere Symbole dafür, dass diese Städtepartnerschaft von ihrem Bedeutungsgehalt her ein echtes Schwergewicht geworden ist.