Kronberg (pf) – Mathias Tretter eröffnete am Mittwoch vergangener Woche vor vollem Haus die neue Veranstaltungsreihe „Kabarett im Kino“. Eine gute Wahl, denn der gebürtige Würzburger, der inzwischen in Leipzig lebt, erwies sich als wortgewandter Rhetoriker, der in seinem Jahresrückblick mit Scharfsinn, umwerfendem Sprachwitz, verblüffenden Erkenntnissen und überraschenden Pointen sein Publikum erheiterte.
„Wer braucht schon die Elbphilharmonie, wenn er die Kronberger Lichtspiele hat?“, meinte er, als er die Bühne betrat. Und fasste seinen ersten Eindruck von Kronberg, als er am Bahnhof aus der S-Bahn stieg, in der Frage zusammen: „Was wollen Sie denn hier?“ Dass das Areal umgestaltet wird, hatte ihm wohl niemand verraten.
Das vergangene Jahr nannte er ein grauenhaftes Jahr, wir könnten froh sein, dass es hinter uns liegt. „Und Sie sind zu meinem Jahresrückblick trotzdem gekommen – das muss Liebe sein“, freute er sich. Oder aktive Traumabewältigung – dann sollte man die Eintrittskarte bei der Krankenkasse einreichen, riet er.
Erdogan und der Putsch in der Türkei, Brexit und die Wahl in den USA, Terroranschläge, Islamisten und Flüchtlingskrise – an brisanten Themen mangelte es dem Kabarettisten wahrlich nicht. Und natürlich durfte auch Jan Bömermann mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Staatspräsidenten nicht fehlen. „Bömermann, unser Salman Rushdie?“, witzelte er, sah aber doch erhebliche literarische Qualitätsunterschiede. „Diamant trifft auf Brikett“, befand er. Nicht satanische Verse, sondern eher das Gereimsel eines Pennälers, der über die Stränge schlägt. Statt mit Souveränität habe Erdogan wie eine Bosporusmimose reagiert, wie der letzte „Übelnehmer“. „Wie seinerzeit Franz Josef Strauß, nur ohne Alkohol.“ Dabei wisse doch jeder: Satire darf alles und bewirkt nichts.
Zum Putschversuch in der Türkei merkte er an, die Armeen brächten auch nichts mehr fertig. Dabei hätten sie in der Türkei mit vier Staatsstreichen seit 1960 doch reichlich Übung. Doch dieses Mal hätten sie es „versaut –„äh, verbockt.“ Und mal sehen, meinte er, wem die Amerikaner das nächste Mal befreien und statt Frieden und Freiheit Demokratie und Marktwirtschaft bringen.
Für den Brexit hatte Tretter eine überraschende Erklärung: BSE-Spätfolgen. Und vor dem neuen US-Präsidenten, „schon als Privatmann eine Katastrophe und ein notorischer Grapscher“, graut ihm. „Mit rotem Kopf am roten Knopf. Und woran erinnert der?“ Wenn die Trump‘sche Hand da zugreife, dann Gnade uns Gott. Im Übrigen sieht er in Trump, dem jetzt mächtigsten Mann der westlichen Welt, und den meisten seiner Minister blutige Amateure ohne jede politische Erfahrung, die nach dem Motto „learning by doing“ und „try and error“ regieren. „Amateure gehören in den Hobbykeller“, meinte er und empfahl der neuen US-Regierung einen Volkshochschulkurs „Weltmachtregieren für Anfänger“. Bei einer anstehenden Herzoperation suche man sich als Herzchirurgen schließlich auch keinen Amateur aus.
Dem Thema Klimaschutz und dem Trend zu Soja und Tofu gewann er die überraschenden Erkenntnisse ab: Die Blähungen der Rinder seien lange nicht so umweltschädlich wie die der Soja- und Tofuesser. Und natürlich bekamen auch der Literaturnobelpreisträger Bob Dylan und die Fußballweltmeisterschaft, das „Schaulaufen der Männlichkeit auf dem Rasen“, SPD-Chef Gunter Gabriel und andere übergewichtige Deutsche ihr Fett ab. Statt im Internet zu surfen, was immerhin eine sportliche Betätigung suggeriere, sollte man lieber schwabbeln sagen, befand Mathias Tretter und verriet sein Rezept für Bestellungen ohne Reue: Er ordere anhand eines alten Katalogs und mit Bestellvordrucken, die er reichlich kopiert habe, alles bei Quelle. Dass dann nichts geliefert werde, sieht er eher als Vorteil denn als Nachteil an. Schließlich sei ja das Bestellen der Spaß an der Sache. Ob Salafisten oder Pegida, ob Schläfer oder einsamer Wolf, ob Zivilschutzgesetz und die Aufforderung zu Hamsterkäufen: „Humor ist das Einzige was hilft“, befand Tretter und fragte, was eigentlich die Katastrophe sei: Der Alltag oder der Ernstfall. Die Antwort auf diese Frage bringe vielleicht das Jahr 2017, wie man Klaus Kinski imitieren kann.
Mathias Tretter machte den Kronbergern vor, wie man Klaus Kinski imitieren kann.
Foto: Wittkopf