Kronberg (pf) – „Musikerfamilien“ hieß das Thema am Sonntagnachmittag bei den beiden Kinderkonzerten „Classic for Kids“ der Kronberg Academy, die erstmals im großen Saal des Casals Forums stattfanden. Doch wer gedacht hatte, es gehe um berühmte Musikerfamilien der Vergangenheit wie die Familien von Felix Mendelssohn Bartholdy und seiner Schwester Fanny Hensel, von Wolfgang Amadeus Mozart oder Clara und Robert Schumann, der war auf dem Holzweg. Auf der Bühne des Casals Forums nahmen die Mitglieder von sehr lebendigen Musikerfamilien aus Frankfurt und Umgebung Platz.
„Kinder spielen heute die erste Geige“, kündigte Raimund Trenkler, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kronberg Academy, daher bei der Begrüßung der zahlreich erschienenen erwachsenen und jungen Besucher an. Erste Solistin des Konzertnachmittags war die zwölfjährige Mi-Helen Horn, die seit ihrem vierten Lebensjahr Geige spielt. Ihr Vater Ulrich Horn ist Cellist im hr-Sinfonieorchester und spielte im Streichorchester des Nachmittags mit, das bis auf den Kontrabassisten ausschließlich aus Eltern und Kindern von Musikerfamilien bestand. Ihre Mutter, von Beruf Pianistin, saß derweil im Zuschauerraum und hörte zu, als ihre Tochter die Chaconne g-Moll des im 17. Jahrhundert lebenden italienischen Komponisten Tomaso Vitali spielte.
Musikerzähler Christoph Gotthardt, der das ungewöhnliche Streichorchester dirigierte, hatte dieses Mal nicht nur seine beiden Buntringel-Ohrwürmer Theophil und Theolina mitgebracht, sondern auch seine Tochter Juliane. Sie spielt seit ihrem sechsten Lebensjahr Geige, hat im vergangenen Jahr am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium ihr Abitur gemacht, ist Mitglied des Landesjugendsinfonieorchesters Hessen und studiert inzwischen Violine an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau. Sie interpretierte den ersten Satz aus der Sonate Nr. 2 op. 27 für Violine solo des belgischen Violinvirtuosen, Dirigenten und Komponisten Eugène Ysaÿe. Es lebt, erfuhren die Kinder, vom Gegensatz weich und hart, wird sanft und dann wieder sehr kräftig gespielt, passend zur Satzbezeichnung Obsession.
Vorher lernten die Mädchen und Jungen im Publikum die 16-jährige Carmen de Haas kennen, die nicht nur Violoncello, sondern auch Klavier spielt und in diesem Jahr beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ mit beiden Instrumenten Preise gewann. Ihr Vater Ingo de Haas spielt Violine, ist Konzertmeister des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters und saß auch beim Streichorchester am Sonntag auf dem Stuhl des Konzertmeisters. Gemeinsam spielten Vater und Tochter als Duo die Variationen Es-Dur über Mozarts Arie aus der Zauberflöte „Bei Männern, welche Liebe fühlen“. Variationen, so verriet Theolina Christoph Gotthardt, der diese treffende Formulierung an die Kinder weitergab, ist eine Melodie, die immer wieder ein neues Kleid anhat. Als Solistin interpretierte Carmen, begleitet vom Streichorchester, den zweiten Satz aus Luigi Boccherinis Cellokonzert G G 480 und danach am Flügel Klaus Badelts „Fluch der Karibik“.
Das nach Theophils Ansicht schönste Stück des Konzerts, das Terzett C-Dur op. 74 von Antonín Dvorák, spielte die Familie Ye. Vater Lin, aus China gebürtiger Geiger vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Mutter Susanne aus Deutschland, die bei diesem Stück ebenfalls Geige spielte, aber auch Bratschistin ist und in der Deutschen Radio Philharmonie spielt, und Tochter Luisa, die sich bei der Wahl des Instruments anfangs für die Geige, seit zwei Jahren jedoch für die Viola entschieden hat. Dass dieses Instrument auch unbändig und wild klingen kann, bewies Luisa mit dem vierten Satz aus Paul Hindemiths Viola Sonate Nr. 1 op. 25. Hindemith, selbst Bratschist, gab dem Satz die Bezeichnung „Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache“.
Für die Querflöte als Instrument haben sich die Freundinnen Sophie Helena Riehl und Oriel Langheim Halaf entschieden. Sie sind 14 Jahre alt und ihre Eltern sind ebenfalls Musiker. Sophies Mutter spielt Violine im Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Oriels Mutter Hagit Halaf ebenfalls Violine, ihr Vater Christoph Emmanuel Langheim Viola. Oft treten sie auch als Duo auf. Ihre beiden Söhne haben sich ebenso wie die Tochter nicht für ein Streichinstrument, sondern für Blasinstrumente entschieden. Oriel für die Querflöte, ihr Bruder Juval für die Trompete und ein weiterer Bruder, der Sonntag aber nicht mit dabei war, fürs Saxophon.
Die beiden befreundeten Flötistinnen überzeugten mit dem Konzert für zwei Flöten und Orchester D-Dur von Domenico Cimaros, Juval im „The Prince of Denmark‘s March“ B-Dur des englischen Komponisten und Organisten Jeremiah Clarke, der im 18. Jahrhundert lebte. Dabei durften die Kinder im Publikum, von denen sehr viele bereits Instrumente spielen, manche sogar zwei, und ihre Verwandten selbst mitwirken, leise klatschend, mit kleiner Trommel, Rassel und Schellenring. Dass die Einsätze nicht perfekt klappten, fiel kaum auf.
Die Kinder, die bisher noch kein Instrument spielen, forderte Christoph Gotthardt zum Schluss auf, sich doch auch eines auszusuchen und zu erlernen, vielleicht sogar zusammen mit den Eltern, um später in einem Orchester mitzuspielen. „Denn Orchester“, versicherte er sehr überzeugend, „macht Riesenlaune.“ Was alle Mitwirkenden an diesem Kinderkonzert sicher aus vollem Herzen bestätigt hätten, wenn sie denn zu Wort gekommen wären. Die Freude am gemeinsamen Musizieren war ihnen jedenfalls deutlich anzusehen.