Wahre Tastenkünstler zelebrieren Boogie-Woogie vom Feinsten

Zwei Jazzpianisten, die ihr Publikum beim Jubiläumskonzert „50 + 1“ im Altkönig-Stift begeisterten: Martin Schmitt und Axel Zwingenberger. Foto: H. Klapper / Altkönig-Stift

Oberhöchstadt (pf) – Ob der Boogie-Woogie mit seinem mitreißenden Rhythmus tatsächlich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, inspiriert von den stampfenden Geräuschen der Dampflokomotiven der Southern Pacific Railroad, in den USA entstanden ist, mag dahin gestellt bleiben. Als Samstagabend im Festsaal des Altkönig-Stifts die beiden Boogie-Woogie-Pianisten Axel Zwingenberger aus Hamburg und Martin Schmitt aus München an den zwei Flügeln auf der festlich dekorierten Bühne Platz nahmen und in die Tasten griffen, ging jedenfalls der Zug (oder die Post) ab, und das in atemberaubendem Tempo. Kaum einer im Publikum, der bei diesen Klängen still sitzen bleiben konnte, der nicht mit Füßen, Händen oder dem ganzen Körper im Takt mitging und diese temperamentvolle Musik in Bewegungen umsetzte.

Ursprünglich war das Konzert im vergangenen Dezember als einer der Höhepunkte im mehrtägigen Programm zum 50-jährigen Bestehen des Altkönig-Stifts eingeplant gewesen. Doch die Coronapandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Umso mehr freute sich Stifts-Direktorin Thekla Thiede-Werner jetzt, die beiden Künstler endlich doch noch in Kronberg begrüßen zu dürfen – zum Jubiläumskonzert „50 + 1“.

Axel Zwingenberger, 1955 in Hamburg geboren, einer der ganz Großen dieser Musikrichtung und 2007 in den USA in die „Boogie-Woogie Hall Of Fame“ aufgenommen, hat in dem 1968 in München geborenen Martin Schmitt einen kongenialen Partner gefunden. „Ein Völkerverständigungsprojekt zwischen Hamburg und München“, nannte es der Norddeutsche, in dem es niemals Probleme gab. „Klavier-Kabarett“ nennt der Süddeutsche seine Kunst, für die er 2017 den Comedypreis Böblinger Mechthild erhielt und als Deutscher Kabarettmeister 2018/19 ausgezeichnet wurde. Beide haben bereits mit legendären Jazz-Musikern wie Lionel Hampton, Champion Jack Dupree, Joe Cocker, Chuck Berry und Tom Jones musiziert. Als seine musikalische Heimat bezeichnet Martin Schmitt den Blues und als „fast Blues“, schneller Blues, ist der Boogie-Woogie in seinen Anfangsjahren bezeichnet worden. Aber ob schnell oder etwas langsamer, ob von beiden gemeinsam oder allein vorgetragen – umwerfend gut und begeisternd war die Musik der beiden Jazz-Pianisten auf jeden Fall. Axel Zwingenberger, mit schwarzem Anzug und seinem Markenzeichen, den leuchtend roten Lackschuhen, die während seines Spiels ständig in Bewegung sind und auf dem Parkett den Takt mitklopfen, erfreute sein Publikum mit klassischem Blues und Boogie-Woogie von berühmten afroamerikanischen Jazzpianisten wie Albert Ammons und Meade Lux Lewis, beide aus Chicago, oder Pete Johnson aus Kansas City, aber auch mit schwungvoll-bluesigen Eigenkompositionen.

Martin Schmitt gewann die Herzen seines Publikums nicht nur mit seiner Tastenkunst, sondern auch mit seinem Witz. So lud er in seine Schmitt--Airline ein und begrüßte die Fluggäste mit einer humorvoll abgewandelten musikalischen Version des Textes, den jeder vor Abflug eines Fluges zu hören bekommt. Dass a-Moll und c-Moll in Österreich eine andere Bedeutung haben können als in anderen deutschsprachigen Ländern, untermauerte er mit dem Erlebnis aus einer österreichischen Musikalienhandlung. Als dort ein Kunde eine Sinfonie von Beethoven haben wollte, fragte der Verkäufer: a-moll oder c-moll? Und der Kunde antwortete: a-moll, die anderen neun kann ich mir kopieren.

Dass er auch das für Bayern eher ungewohnte Sächsisch beherrscht, bewies er mit einem umwerfend komischen Song, in dem er sich als unwiderstehliche sächsische Sexbombe outete und mit Erlebnissen mit einem Trabbi-Fahrer an einer Tankstelle. Als der dort Scheibenwischer für seinen Trabbi haben wollte, hielt der Tankwart das für einen reellen Tausch. Schließlich erklärte er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern auch noch, worum es in Blues-Texten stets geht, denn sie handelten immer von drei Dingen: vom Verlust einer Geliebten, vom Verlust des Geldes oder vom Verlust einer Ehefrau, die das gesamte Vermögen mitgenommen hat.

„Gemeinsam sind die beiden Künstler ein unschlagbares Team“, so war der Konzertabend auf dem Programm angekündigt worden. Das fand auch das Publikum, das begeistert mitging und mit seinem Applaus kaum aufhören wollte. Als Stifts-Direktorin Thekla Thiede-Werner sich zum Abschluss des Abends mit Weingeschenken bei den beiden Künstlern bedankte, versicherte sie zur sicht- und hörbaren Freude aller Besucher im Saal, es sei bestimmt nicht das letzte Mal gewesen, dass sie ins Altkönig-Stift eingeladen würden.



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