Oberursel (js). Oben an der Brüstung des Turms mit Umgang und freiem Blick in alle Himmelsrichtungen aus etwa 31 Meter Höhe über dem Kirchplatz wehen die gelb-weiß gestreiften Fahnen der Kirche, die Fahne der Stadt und die der Stadtkirche St. Ursula. Sie signalisieren, dass die Kirche und die Menschen, die ihr angehören, feiern. Es ist Sonntag und Kerb auf der Bleiche in Erinnerung an die Kirchweihe, die in der Kirche immer den Rang eines Hochfests hatte. „St. Ursula setzt die Kerb“, heißt es in Kirchenkreisen, ihr Gedenktag ist der 21. Oktober. Am Sonntag vor dem Feiertag der Namenspatronin der Kirche begann stets die einwöchige Sause. Das Wahrzeichen der Stadt Oberursel, die mittelalterliche St.-Ursula-Kirche mit dem markanten Turm, ist die zentrale Mitte des kirchlichen und weltlichen Fests. Dann kann man in der Regel hinauf, die 168 Stufen erklimmen und die Stadt von oben betrachten. Die Männer und Frauen vom Freundeskreis St. Ursula-Kirche ermöglichen das seit vielen Jahren.
Ausgerechnet in diesem Jahr fiel die Turmbesteigung zur Kerb aus, sie wurde um eine Woche vorgezogen. Das 50-jährige Bestehen des Freundeskreises wurde im Sonntagsgottesdienst und später auf dem Kirchplatz gefeiert. Mit Männern der ersten Stunde, langjährigen Wegbegleitern, mit Kirchenvertretern, Freunden und Gönnern. Dank ihrer Unterstützung über all die Jahre präsentiert sich die Kirche auch heute noch in einem guten Licht, viele Renovierungsprojekte sind ihnen zu verdanken. Weit über eine Million Euro haben sie für ihre Herzenssache zusammengebracht.
In der renovierten Türmerwohnung auf halber Höhe bis zur Turmspitze wurden oft Ideen entwickelt. „Mensch, wir müssen wieder mal eine Aktion machen“, war so ein typischer Satz von Georg Hieronymi, dem Künstler und Handwerker, Maler und Bildhauer, der so viele Spuren in seiner Heimatkirche hinterlassen hat. Über den Tod hinaus galt seine Sorge dem Freundeskreis. Kränze wollte er nicht an seinem Grab, lieber eine Spende für „seine“ St. Ursula.
Hieronymi gehörte dem Gründungsvorstand an, als im Herbst 1973 der Freundeskreis ins Leben gerufen wurde. Ein illustrer Kreis mit Bürgermeister Heinrich Beil, Pfarrer Paul Planz und bekannten Oberurseler Persönlichkeiten wie dem Kirchenforscher Josef Friedrich, Philipp Henrich und Franz Oeffinger. So ist das auch heute noch, Wilfried Abt ist nach dem Gründungsvorsitzenden Josef Friedrich (bis 1983) und Josef Henrich (bis 1996) erst der dritte Vorsitzende in 50 Jahren, Pfarrer Andreas Unfried gehört dem Gremium kraft Amtes an, er wünschte dem Verein noch viele gute Jahre „zum Wohl der Kirtche“. Rund 100 Menschen sind Mitglieder im Club, die Liebe zu St. Ursula eint sie.
Zu tun gibt es immer etwas an dem mehr als 500 Jahre alten Gemäuer oder seinem Interieur. Das liegt in der Natur des Entstehens und Vergehens über all die Jahre, in den St. Ursula über der Altstadt wacht. Die finanzielle Unterstützung seitens der Katholischen Kirche ist geschrumpft, auch die öffentliche Förderung. Der Freundeskreis sucht seit einem halben Jahrhundert andere Quellen, findet sie in der Bürgerschaft. Das Lob des Vorsitzenden gilt der „hervorragenden Zusammenarbeit von Firmen und Bürgern“, zuletzt etwa, als es um die Aufarbeitung der alten Kirchenbänke ging.
Das Zusammenspiel ist wichtig, der Verein kümmert sich mit finanziellem, aber auch mit sehr viel personellem Engagement um das, was die Gemeinde aus ihrer Tasche nicht leisten kann. Hieronymi, der bis zu seinem Tod 1993 dem Vorstand angehört hatte, organisierte gemeinsam mit den Kollegen Henrich und Abt Spendenaktionen, um die Renovierung des Kirchendachs und die Reparatur der brüchigen Mauer des Sockels zu ermöglichen. Für die Aussichtsplattform auf dem Turm fertigt er Orientierungstafeln aus Bronze, Zeichnungen für Broschüren und Kirchenführer, Plakate für Spendenaktionen stammen von ihm. Bezahlen lassen hat er sich das nie, es waren Arbeiten für Freunde. Wie auch viele Handwerkerleistungen von der Einrichtung des Turmmuseums bis zur Umgestaltung des Kirchplatzes, bei denen stets ein Teil als Spende verbucht wurden.
Als jüngstes Großprojekt gilt die Mitfinanzierung der neuen „Großen Glocke“ vor knapp fünf Jahren. „Maria Crafft“ hatte über ein halbes Jahrtausend ihre Schuldigkeit getan, ihr vertrauter Klang verstummte im Sommer 2018 für immer. Ihren Platz hat sie aber immer noch oben in der Glockenstube des Kirchturms. Der Freundeskreis organisierte einen „beispiellosen Spendenaufruf“, wie es damals hieß, die Resonanz darauf war groß, die Spendenbereitschaft riesig.
Drei Spenden sind Abt besonders in Erinnerung geblieben. Die einer mittellosen Rentnerin, die sich 20 Euro vom Mund abgespart hatte, um auch etwas beizutragen. Dann erreichte ihn die Spende eines ausländischen Mitbürgers, der unbedingt anonym bleiben wollte, „ein größerer Betrag in US-Dollar“, so Abt. Und auf dem Kirchhof steckte ihm eine betagte Kirchgängerin einen Umschlag mit 2000 Euro zu. „Da, nemm des schon emal, es is für die Glock.“ Abt war dabei beim letzten Erklingen von „Maria Craft“, die neue Glocke „Maria Frieden“ durfte er mit einem großen Klöppel anschlagen.