Kelkheim (jd/ju) – Das sogenannte „Geisterhaus“ in der Hauptstraße 49 in Kelkheim ist weit mehr als nur ein baufälliges Gebäude. Es ist ein Stück Stadtgeschichte, ein Symbol für den schwierigen Umgang mit dem historischen Erbe und gleichzeitig Schauplatz für politische und bürokratische Auseinandersetzungen. Seine Wurzeln reichen zurück ins Jahr 1729. Ursprünglich handelte es sich um ein seltenes „Wohn-Scheune-Haus“, das in der Region kaum noch zu finden ist. Der hintere Scheunenteil wurde 1934 abgerissen und durch ein Wohnhaus ersetzt. Im 19. Jahrhundert wurde das Fachwerk überputzt – eine Maßnahme, die dem Haus seine ursprüngliche Schönheit nahm, aber typisch für die damalige Zeit war.
Seit Jahren ringt die Stadt um die Zukunft des denkmalgeschützten Gebäudes. Soll es abgerissen oder saniert werden? Diese Frage spaltet die Gemüter. Bürgermeister Albrecht Kündiger war stets ein Befürworter des Erhalts, doch die Hürden waren hoch – und teuer. Die Stadt erwarb das Haus 2020 für 30.000 Euro, doch die anschließenden Planungskosten verschlangen bereits über 100.000 Euro. Der Traum, hier ein Bürgerbüro einzurichten, scheiterte schließlich an bürokratischen Hürden. Die WI-Bank lehnte Fördergelder ab – wegen 20 bis 30 Zentimetern, die der Barrierefreiheit im Weg standen. Ein Paradebeispiel für die Absurdität der Bürokratie, das selbst den Bürgermeister zur Verzweiflung brachte. Der Abrissantrag der CDU lag bereits auf dem Tisch, doch am Ende siegte die Vernunft: Ein letzter Versuch zur Rettung sollte gewagt werden – mit Hilfe privater Hände.
Ein Mann mit Erfahrung – Andreas Friedrich übernimmt Verantwortung
Nun könnte das „Geisterhaus“ doch noch eine Zukunft haben. Der Bremthaler Sanierungsexperte Andreas Friedrich hat die Herausforderung angenommen. Er ist kein Unbekannter, sondern ein Fachmann mit Herz und Verstand. Der 62-jährige Betriebswirt hat jahrzehntelange Erfahrung in der Sanierung alter Häuser. In Hofheim und Bremthal hat er bereits marode Gebäude in wahre Schmuckstücke verwandelt. Auch in Kelkheim war er aktiv – als Berater des Vereins „Miteinander leben in Kelkheim“, der sich für Flüchtlingshilfe engagiert. So kam er erstmals in Kontakt mit dem „Geisterhaus“. Für Friedrich waren der Anblick der verfallenen Fassade, der bröckelnde Putz und die heruntergekommenen Fenster keine Abschreckung, sondern eine Herausforderung – eine „kleinere Baustelle“, wie er scherzhaft sagt.
Friedrichs Pläne sind realistisch und durchdacht: Das Fachwerk will er, soweit es der Zustand erlaubt, freilegen und das Haus modern, aber denkmalgerecht sanieren. Brandschutzauflagen machen den Ausbau des Dachgeschosses unmöglich, doch die restlichen 40 Quadratmeter sollen vermietet werden. Der Anbau, in dem derzeit noch Flüchtlinge leben, soll ebenfalls saniert und bewohnbar gemacht werden. Für die Flüchtlinge wird die Stadt eine alternative Unterkunft finden. Ob Wärmepumpe oder andere nachhaltige Technologien – Friedrich wird zeitgemäße Lösungen finden, ohne das Haus in ein Museum zu verwandeln. Er rechnet mit einer Investitionssumme im mittleren fünfstelligen Bereich und packt selbst tatkräftig mit an.
Bürde der Vergangenheit –Schwierigkeiten des Denkmalschutzes
Der Denkmalschutz ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits bewahrt er historische Gebäude vor dem Verfall, andererseits erschwert er oft dringend notwendige Modernisierungen. Auch Friedrich kennt die Tücken: Bei einem Projekt in Hofheim stritt er ein Jahr lang über einen zweiten Rettungsweg. Bürgermeister Kündiger hofft, dass es in Kelkheim reibungsloser läuft. Doch er ist zuversichtlich – das „Geisterhaus“ ist inzwischen so bekannt, dass selbst die Denkmalschutzbehörde ein besonderes Interesse daran zeigt. Schließlich liegt das Haus am ehemaligen „Untertor“, einem bedeutenden Ort der Altstadt. Ein Abriss wäre nicht nur ein kultureller Verlust, sondern auch eine Blamage für die Stadt.
Damit Friedrichs Sanierungsvorhaben auf sicheren Beinen steht, muss er eine Kaution von 35.000 Euro hinterlegen. Bis Ende 2027 muss das Haus fertiggestellt sein – dann erhält er das Geld zurück. Sollte es Probleme geben, hat die Stadt Unterstützung zugesagt. Bürgermeister Kündiger betont, dass der Verkaufspreis – etwa 30.000 Euro – zumindest die Ausgaben für den Erwerb des Hauses gedeckt hat. Die hohen Planungskosten bleiben jedoch eine Belastung für die Stadtkasse.
Hoffnung und Erleichterung – Ein Neuanfang für die Stadtgemeinschaft
Die Kelkheimer Bevölkerung verfolgt das Schicksal des „Geisterhauses“ mit großem Interesse. Die Geschichte des Hauses ist längst Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden. Fastnachtsscherze und Stammtischgespräche drehen sich um die Ruine, die in den letzten Jahren zum Symbol für Bürokratieirrsinn und politische Querelen wurde. Die Entscheidung, das Haus an einen erfahrenen Sanierer zu übergeben, wird daher vielerorts als Befreiungsschlag empfunden. Bürgermeister Kündiger zeigt sich erleichtert. Die Stimmen derer, die das Haus abreißen wollten, verstummen nun hoffentlich langsam. Auch die Vorwürfe über Verschwendung städtischer Mittel ebbten ab. Nun blicken viele hoffnungsvoll auf die kommenden Jahre.
Mehr als ein Gebäude – Ein Projekt für die Zukunft
Das „Geisterhaus“ ist mehr als eine Baustelle. Es ist ein Prüfstein für den Umgang mit historischem Erbe, für bürgerschaftliches Engagement und die Fähigkeit, Verwaltung und Denkmalschutz in Einklang zu bringen. Der neue Eigentümer Andreas Friedrich steht symbolisch für diesen Brückenschlag: ein Mann aus der Mitte der Gesellschaft, erfahren, engagiert, mit dem Willen, Geschichte und Moderne zu verbinden.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob das Projekt gelingt. Doch eines steht fest: Das „Geisterhaus“ ist auf dem Weg, aus seinem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf zu erwachen – und vielleicht wird es am Ende doch noch ein Happy End geben.